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Es werden Posts vom April, 2013 angezeigt.

Zweite Kantate - Ich singe dir mit Herz und Mund

„Ach, Oma!“, seufzt die junge Frau. Die ganze Familie sitzt gemeinsam am Frühstückstisch. Oma neben ihr hat gerade die gefürchtete Sonntagsfrage gestellt: „Wer kommt mit mir in die Kirche?“ Alle haben sie Ausreden. Vater muss zum Frühschoppen der Wählergemeinschaft. „Ist ja bald Kommunalwahl“, sagt er. Der Bruder ist schon längst auf dem Festland beim Fußball. Die Mutter hat den Braten, den sie vorbereiten muss. Nur der jungen Frau fällt auf die Schnelle nichts ein. Sie ist zu Besuch auf ihrer Insel. Gestern hat der Vater seine Tochter vom Hafen abgeholt. Sie und den Schwiegerfreund, wie er ihn nennt, weil sie nach fünf Jahren noch nicht geheiratet haben. Aber das wird sich jetzt wohl ändern. Einen Grund mehr gibt es jedenfalls: „Ich bin schwanger“, hat die junge Frau gestern verkündet. „Mein Kind!“, hat Oma ausgerufen und in die Hände geklatscht. Die Mutter hat sich die Tränen aus den Augen gewischt und vorsichtig geschneuzt. Der Vater hat dem Schwiegerfreund auf den Rücken gehauen

Erste Kantate - Wer nur den lieben Gott lässt walten

Gelb leuchtet der Bund Osterglocken in seiner Hand. Es sind ihre Lieblingsblumen, die er im Garten gepflückt hat. Solange sie blühen, wird er ihr bei jedem Besuch einen kleinen Strauß mitbringen. Er ist sich sicher, dass sie sich freut. „Jetzt wird Frühling“, sagte sie immer, wenn die ersten Osterglocken blühten. Jeden Tag ging sie in den Garten hinaus und stand vor der Blumenpracht. „Na, schaust du wieder den Blumen beim Wachsen zu?“, fragte er sie. Sie antwortete: „Nein, beim Blühen!“ Er bückt sich und nimmt den Strauß, den er ihr vorgestern gebracht hat, aus der grünen Steckvase. Er gießt das Wasser aus und holt am Hahn frisches. Er steckt die Vase in den Boden und stellt die neuen Blumen hinein. „Bis Morgen“, sagt er und wendet sich zum Gehen. Die Kirchentür steht offen, wie jeden Tag. Als würde sie ihn bitten, doch hereinzukommen. Aber das Dunkel, das hinter der Tür auf ihn wartete, hat ihn immer abgeschreckt. Er hat die Kirche nicht mehr betreten seit dem Tag im letzten Sommer. Z

Frühlingsgefühle und Sonntagsgefühle

Es gibt ihn wirklich, den Frühling. Wir haben ihn gesehen und gespürt. Auf dem Festland, am Montag und am Dienstag. Die Sonne schien. Wir konnten die Jacken ausziehen. Es roch nach frischer, warmer Erde. Doch wirklich, so war das. Ein wenig Frühling ist hier ja auch schon zu erahnen. Die Osterglocken im Pastoratsgarten blühen. Die Amsel singt morgens und abends. Aber so richtig zu spüren ist er noch nicht. Umso mehr sehne ich mich am Ende dieses langen Winters nach dem Frühling. Jeden Tag schaue ich auf die kahle Blutbuche im Garten. Ich beobachte, wie die Knospen an der Kastanie größer werden. Ich sehe den Frühblühern zu, wie sie wachsen und aufgehen. Ich halte mein Gesicht der Sonne entgegen, damit sie es wärmt. Sogar noch mehr warte ich auf die Gefühle, die zum Frühling gehören. Denn Frühling wird es ja erst, wenn ich auch Frühlingsgefühle habe. Also: Wenn es anfängt mich in den Fingern zu jucken und ich am liebsten im Garten buddeln will. Wenn es mich lockt, mich aufs Fahrrad zu sc

Nachwirkungen

Wirkt bei Ihnen der Ostersonntag noch nach? Bei mir tut er es: Ich bin immer noch müde. Die Stunde Schlaf, die uns die Zeitumstellung geklaut hat, fehlt mir immer noch. Ich habe es noch nicht geschafft, mich umzustellen: Abends komme ich nicht rechtzeitig ins Bett. Dafür klingelt morgens der Wecker eine Stunde zu früh. Ich finde das ein merkwürdiges Zusammentreffen: Das Fest der Auferstehung macht sich darin bemerkbar, dass ich andauernd müde bin. Eigentlich wäre ja zu erwarten, dass das Fest der Auferstehung mich aufweckt. Aber damit bin ich in gar nicht so schlechter Gesellschaft. Das geht anderen auch so, dass Ostern sich anders auswirkt als gedacht. Die Ostergeschichten erzählen vor allem davon: Wie die Auferstehung falsch ankommt. Der zweifelnde Thomas ist ein Beispiel dafür. Was ihm seine Freunde erzählen, das löst bei ihm keine Osterfreude aus, sondern Osterzweifel. Wie soll das auch wahr sein? Dass Jesus auferstanden ist? Nur vom Hörensagen kann er das nicht annehmen. Er muss d

Kaum zu glauben

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Gott hat den Tod überwunden. Das ist kaum zu glauben. Für die Frauen, die zum Grab gehen: Früh am Morgen machen sie sich auf den Weg, um zu trauern. Ihre Sorge gilt allein dem Stein, der ihnen den Weg versperrt. Sie sind überrascht, dass der Stein weg ist. Sie sind entsetzt, dass sie im Grab statt des Toten einen Engel sehen. Es ist kaum zu glauben. Auch für die beiden Jünger, die wir eben auf dem Weg nach Emmaus begleitet haben. Was die Frauen erzählen, das erschreckt sie. Es erschreckt sie so, dass sie Jesus erst gar nicht erkennen. Aber es ist ja auch kaum zu glauben. Erst recht für uns. Wir haben es nicht selber gesehen, wir bekommen es nur erzählt. Wie soll das gehen, dass einer stirbt und wieder lebendig wird? Wie soll man sich das vorstellen? Oder gar erst erklären? So etwas gibt es allenfalls im Märchen. Und da weiß jeder, dass die nichts erzählen, was wirklich geschehen ist. Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig