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Die Taube

„Als ihm die Sache mit der Taube widerfuhr, die seine Existenz von einem Tag zum andern aus den Angeln hob, war Jonathan Noel schon über fünfzig Jahre alt, blickte auf eine wohl zwanzigjährige Zeitspanne von vollkommener Ereignislosigkeit zurück … Und das war ihm durchaus recht. Denn er mochte Ereignisse nicht, und er hasste geradezu jene, die das innere Gleichgewicht erschütterten und die äußere Lebensordnung durcheinander brachten.“ So beginnt Patrick Süskind seine Erzählung „Die Taube“. Mir ist dieser Jonathan Noel sympathisch. Ich kann es ihm gut nachfühlen, dass er sich sein Leben wie einen langen ruhigen Fluss wünscht. Ein Fluss gefüllter Zeit, der gemächlich fließt, durch schöne Landschaften, zwischen weiten Ufern, bis er in das Meer mündet. So ein ruhiges Leben, in dem es keine großen Aufregungen gibt und alles seine gute Zeit hat – das wünsche ich mir auch. Nun aber widerfuhr Jonathan Noel die Sache mit der Taube: Nämlich als er eines Morgens die Wohnungstür öffnete. Da saß si

Am gläsernen Meer

Du stehst auf und verlässt den Platz, an dem du sitzt. Du öffnest die schwere Tür, die nach draußen führt. Du trittst hinaus – in einen Wald. Hohe Bäume umgeben dich, durch die nur wenig Licht fällt. Da ist kein Weg. Vor dir breitet sich ein Dickicht aus Sträuchern und toten Ästen aus. Du bist allein im Wald. Du beginnst zu gehen. Du mühst dich durch das Dickicht. Einen Arm hältst du schützend vor das Gesicht. Mit dem Körper schiebst du die Äste der Sträucher zur Seite. Dornen verfangen sich in deiner Kleidung. Unter deinen Füßen knacken trockene Äste. Du riechst das feuchte, modernde Laub. Du beginnst ein Lied zu singen. Kannst du es hören? Plötzlich steht dir ein Tier gegenüber. Du kannst deine Hand ausstrecken, um es zu berühren. Das Tier schaut dich an. Dann wendet es sich ab, verschwindet im Dickicht. Du schlägst die entgegen gesetzte Richtung ein und folgst dem Trampelpfad, den das Tier in den Wald getreten hat. Du kommst an einen Bach. Du tauchst die Hände in das Wasser. Du trin

Ihr werdet euer Wunder erleben

I. Manche Tage sind einfach besonders. Das, was an ihnen geschieht, hebt sie heraus aus dem täglichen Einerlei. Und lange wirkt nach, was ich an ihnen erlebe. Um so einen besonderen Tag geht es in der Geschichte von Simon Petrus und den Fischern und Jesus – sie wird euch Konfirmandinnen und Konfirmanden irgendwie bekannt vorkommen: Einmal drängte sich die Volksmenge um Jesus und wollte hören, wie er Gottes Wort verkündete. Jesus stand am See Gennesaret. Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und reinigten die Netze. Jesus stieg in eines der Boote, das Simon gehörte. Er bat Simon, ein Stück vom Ufer wegzufahren. Dann setzte er sich und sprach vom Boot aus zu den Leuten. Als Jesus seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: "Fahre hinaus in tieferes Wasser! Dort sollt ihr eure Netze zum Fang auswerfen!" Simon antwortete: "Meister, wir haben die ganze Nacht hart gearbeitet und nichts gefangen. Aber weil du es sagst, will ich die Netze auswerfen