Aufgestanden

Heilung am Teich Bethesda - Jahreskrippe von St. Canisius, München.
Auch ich bin aufgestanden und habe meine Matte genommen und bin gegangen. Einfach so. Weil einer zu mir gesagt hat: „Jonathan, steh auf, nimm deine Matte und geh!“

Es ist so einfach. Wenn du es erst einmal tust. Aber bevor du es tust, ist es unendlich schwer. So schwer, dass du dich unter der Last kaum rühren kannst.

Und dich auch gar nicht rühren willst. Es ist so verlockend, da zu liegen und zu jammern. Über die Umstände. Über die anderen. Wenn die sich ändern würden, dann würde sich was ändern.

Aber es ändert sich nichts. Bis einer kommt und dir sagt: „Jonathan, steh auf, nimm deine Matte und geh!“

Wie gut, dass er kam, Jesus, und das gesagt hat. Wie gut, dass ich aufgestanden bin, mir meine Matte unter den Arm geklemmt habe und losgegangen bin.

Zum Haus meines Freundes bin ich gegangen. Der sich all die Jahre nicht bei mir hat sehen lassen. Den ich aber auch gar nicht angeschaut hätte, wenn er gekommen wäre.

Er hat mir meine Frau genommen. So sah ich es jedenfalls. Damals, als mir meine Frau sagte, was ich schon lange wusste, aber nicht sehen wollte. Dass sie hinter meinem Rücken mit meinem Freund etwas angefangen hatte.

Ach, nicht nur etwas. Alles. Eine ganze Liebe. Eine Liebe, die ich ihr nie geschenkt habe. Sage ich heute. Damals konnte ich das nicht so sehen.

Blind war ich vor Liebe, damals. Vor Selbstliebe. Meine Frau war der Spiegel, in dem ich mich selbst bewunderte. Sie habe ich nie gesehen. Was ihr gut tat, wusste mein Freund. Ich habe sie nie danach gefragt.

Ich habe mich eifrig um mich selber gedreht. Erst in Selbstliebe. Dann auch im Selbstmitleid.

Zur Liebe gehören zwei. Zur Trennung auch. Aber ich genügte mir immer selber. In der Liebe und in der Trennung.

„Jonathan. Steh auf, nimm deine Matte und geh!“ Ich frage mich immer noch, ob Jesus mir die Hand gereicht hat zum Aufstehen. Oder ob er mir einen Tritt in den Hintern gegeben hat. Vielleicht erst das eine, dann das andere.

Immerhin bin ich aufgestanden und zu meinem Freund gegangen. Um ihm die Hand zu reichen. Mit ihm zu reden. Über meine Frau. Seine Frau. Und ihre Liebe. Und ihr Leben.

Misstrauisch war er erst. Aber ich habe ihm in die Augen gesehen und gewartet. Und er hat erzählt. Von ihren letzten Wochen. Der Krankheit, die so schnell war.

Dann schwieg er und schaute mich an: „Wie kommt es, dass du gekommen bist?“

Und ich erzählte ihm, dass ich nun ein anderer sei, weil mir einer gesagt hatte: „Steh auf und nimm deine Matte und geh!“ Und dass ich jetzt nicht mehr vergessen würde, was mein Name mir sagt: „Jonathan – ein Geschenk Gottes, das bist du!“

Und er schüttelte den Kopf und sagte: „Ich fürchte, du bist immer noch derselbe!“ Aber er hat dabei gelacht.

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