Berlin und Thessalonich

Berlin im Jahr 2003. Dort lebt Marie, eine 14 jährige Jugendliche. „Ich bin nicht dumm“, sagt sie von sich. „Nur faul.“ Zu faul, zu lustlos, um für einen ordentlichen Schulabschluss zu arbeiten.
Dort lebt Olayinka, ein Junge aus Nigeria, 16 Jahre alt. Bei Kämpfen in seinem Heimatland starben seine Eltern. Er ist nach Deutschland geflohen, auf der Suche nach einem Ort, an dem es ihm besser geht. Allein fühlt er sich in der großen Stadt, wo es so wenige Schwarze gibt und so viele Weiße.
Dort lebt auch Martin, 19 Jahre. Aus der Enge der Kleinstadt ist er in die Großstadt gezogen. Er ist lieber für sich und hält einen Sicherheitsabstand zu anderen Menschen.
Martin, Olayinka und Marie sind drei Jugendliche, die der Dokumentarfilm „Rhythm is it“ vorstellt. Er zeigt, wie 250 Kinder und Jugendliche aus Berlin an einem Tanzprojekt arbeiten: Gemeinsam sollen sie das Ballett Le Sacre du Printemps von Strawinsky einüben und dann gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern aufführen.
Das ist die eine Welt.

Thessalonich im Jahr 50 nach Christus, das heutige Saloniki in Griechenland. Dort hat Paulus vielleicht ein oder zwei Jahre zuvor die zweite christliche Gemeinde auf europäischem Boden gegründet.
Zu ihr gehört Priska, eine reiche Frau. Sie ist mit einem Tuchhändler verheiratet, der in der Hafenstadt ein Vermögen gemacht hat. In ihrem Haus trifft sich die feine Gesellschaft.
Zu ihr gehört auch Rufus, ein Jude. Er ist gebildet, kann lesen und schreiben. Er hat die Schriften seines Volkes studiert und ist bewandert im alten Gesetz des Mose.
Zu ihr gehört schließlich Persis, die vor ein paar Jahren ihren Mann verloren hat. Seitdem ist sie ohne Einkommen. Sie lebt von dem, was andere Menschen ihr in die ausgestreckte leere Hand legen.

Zurück nach Berlin. Dort finden die ersten Proben statt. Angeleitet werden sie von Royston Maldoom, dem Choreographen des Balletts.
Er beginnt mit leichten Übungen. Die Jugendlichen sollen still sein. Sie sollen sich bewegen, ohne Geräusche zu machen. Sie sollen sich ausrichten, ihren Fokus auf einen Punkt vor sich an der Wand richten. Sie sollen die Hände nach oben heben und ihre Kraft fließen lassen. Die Jugendlichen antworten mit Gekicher und Stimmenwirrwarr.
Martin ist bei den ersten Übungen. Es sind Hebeübungen. Er soll einem anderen Jugendlichen auf die Schulter springen, die Arme ausstrecken. Er zögert. Für sich tanzen, ja, das geht. Aber einen anderen berühren, seine schwitzigen Hände greifen. Darauf angewiesen sein, dass der ihn hält?

Wieder in Thessalonich. Menschen aus der christlichen Gemeinde kommen zusammen. Sie treffen sich im Haus von Priska.
An der reich gedeckten Tafel stehen Priska und andere Frauen zusammen. Besorgt sehen sie aus. Eine erzählt, wie hinter ihrem Rücken getuschelt wurde, als sie auf dem Markt war. Eine andere berichtet, dass ihr Mann versucht habe, sie davon abzuhalten, zu dem Treffen zu kommen.
Rufus, der jüdische Schriftgelehrte, ist ebenfalls da. Er steht mit anderen Männern im Innenhof. Sie diskutieren: Wie mag Paulus das gemeint haben, als er sagte, noch zu ihren Lebzeiten werde Christus wiederkommen? Wo doch jetzt schon die ersten aus ihrer Gemeinde gestorben sind?
Persis, die Witwe steht abseits mit ein paar anderen Witwen. Sie warten. Wenn die vornehmen Frauen und die klugen Männer sitzen, werden sie das Essen auftragen und am Tisch bedienen.

Zurück nach Berlin. Einige Tanzschüler sitzen auf dem Boden und erzählen laut miteinander. Andere albern beim Tanzen herum, biegen sich vor Lachen.
Royston Maldoom, der Tanzlehrer, versucht, die Jugendlichen auf sich aufmerksam zu machen. Manche hören zu, anderen bleiben mit dem Rücken zu ihm sitzen und reden weiter.
Er wird wütend: „Einigen von euch ist es nicht so ernst wie mir, sagt er. Einige finden es lustig, dass es nicht klappt.“
„Es fehlt an Leidenschaft, warum seid ihr hier?“, sagt seine Kollegin. Die Jugendlichen schauen leer an ihnen vorbei.
Eine Lehrerin der Schüler springt ihnen im Gespräch mit Maldoom bei: „Sie haben schon die Grenze dessen erreicht, was sie leisten können.“
Maldoom antwortet: „Warum muss man innerhalb seiner Grenzen bleiben? Nur wenn ich versuche, über meine Grenze hinauszukommen, entdecke ich, was wirklich in mir steckt.“ Und zu den Jugendlichen sagt er: „Ich sehe hier keinen, der nicht die Fähigkeit hätte, etwas besonderes zu sein. Ihr habt das Zeug dazu.“

Wieder in Thessalonich. Im Haus von Priska sitzen inzwischen alle am Tisch. Die Frauen, die Schriftgelehrten. Die Witwen stehen im Hintergrund und warten, dass es losgeht.
Urbanus, bei dem Paulus wohnte, während er in Thessalonich war, erhebt sich. Wir haben einen Brief bekommen, sagt er, einen Brief von Paulus.
Stimmen gehen laut durcheinander, nur langsam wird es wieder ruhig. Als alle still sind, beginnt Urbanus zu lesen:

Brüder und Schwestern,wir bitten euch: Achtet darauf, dass niemand Böses mit Bösem vergilt. Bemüht euch vielmehr, einander und allen anderen immer nur Gutes zu tun.
Freut euch immerzu! Betet unablässig! Dankt Gott für alles!
Das ist es, was Gott von euch will und was er durch Jesus Christus möglich gemacht hat.
Löscht die Flamme des Heiligen Geistes nicht aus! Missachtet die prophetischen Weisungen nicht! Prüft aber alles und behaltet nur das Gute! Haltet euch vom Bösen fern – wie auch immer es aussieht.
Der Gott, der Frieden schenkt, mache euch ganz und gar zu Heiligen. Er bewahre euch unversehrt an Geist, Seele und Körper. Denn es soll an euch nichts auszusetzen sein, wenn unser Herr Jesus Christus wiederkommt.
Gott, der euch beruft, ist treu: Er wird das alles tun.

(1 Thessalonicher 5, 15-24 -- www.basisbibel.de.)

Zurück nach Berlin. Die große Krise bricht auf. Maldoom und sein Team verlassen den Probenraum. Die Schüler bleiben unter sich.
Sie sollen miteinander klären, wie es weitergeht. Ob sie alle gemeinsam arbeiten wollen, ernsthaft und mit allem Einsatz. Oder ob sie das Projekt abbrechen wollen. Denn wenn sie schlecht tanzen, brauchen sie nicht mitzutanzen.
Die Jugendlichen diskutieren. Die, die wollen, mit denen, denen das Tanzen egal ist.
Dann üben sie. Ohne Tanzlehrer. Sie beginnen zu üben. Leise. Ohne zu tuscheln. Ernsthaft. Konzentriert. Sie üben, bis sie meinen, sie können es. Dann betreten Maldoom und sein Team wieder den Raum.
Die Schüler tanzen ihnen vor. Sie bekommen Lob und den Zusatz: Ihr könnt es noch besser.

Wieder in Thessalonich, immer noch an der großen Tafel. Inzwischen sitzen alle an ihr. Auch Persis und die anderen Witwen. Die Frauen und Männer reichen einander das Essen weiter. Sie reden miteinander. Die Frauen erzählen sich, was ihnen einfällt über Paulus Zeit in Thessalonich. Die Schriftgelehrten lesen wieder und wieder den Brief und kauen genüsslich auf Paulus Worten. Gemeinsam erinnern sich an die Geschichten, die Paulus ihnen von Jesus erzählte.

Zurück nach Berlin. Es ist der Tag der Aufführung. Die Anspannung ist den Gesichtern abzulesen. Aufregt sprechen manche Jugendlichen durcheinander, andere schauen ins Weite.
Dann wird es still, die Stille vor dem ersten Ton. Er erklingt. Die Jugendlichen tanzen die ersten Schritte. Es beginnt zu fließen.
Es fügt sich zusammen. Was sie gelernt und geübt und geübt und gelernt haben verwandelt sich in einen Rausch aus Bewegung und Tönen und Farben.
Als sie zum Schlussbild erstarren, herrscht wieder Stille. Dann setzt tosender Applaus ein. Und auf den Gesichtern der Jugendlichen spiegeln sich Stolz und Glück.
Vier Mädchen, die singen: Wir haben es geschafft. Wir haben es geschafft. Wir haben es geschafft.

Wieder in Thessalonich. An der großen Tafe nimmt einer ein Stück Brot. Er sagt „So erzählte uns doch Paulus: In der Nacht, da er verraten wurde, nahm der Herr Jesus Brot. Er sprach das Dankgebet, brach das Brot in Stücke und sagte: 'Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Tut das immer wieder zur Erinnerung an mich!'
Eine andere am Tisch nimmt einen Kelch, der vor ihr steht, füllt ihn neu und sagt: „Genauso nahm Jesus nach dem Essen den Becher und sagte: 'Dieser Becher steht für den neuen Bund, den Gott mit den Menschen schließt. Tut das immer wieder, sooft ihr aus dem Becher trinkt, zur Erinnerung an mich.'“
Und dann bricht einer für die andere das Brot. Und eine reicht dem anderen den Kelch weiter.

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