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Es werden Posts vom Mai, 2018 angezeigt.

Mit den Händen zu greifen

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Schau dir deine Hände einmal an, die linke und die rechte Hand, die Handflächen, die Handrücken, die Finger. Vielleicht beginnen deine Hände mit dir zu reden und erzählen dir Geschichten aus deinem Leben. Mich erinnern alte Narben an einen Sturz beim Fußballtraining, als ich 14 Jahre alt war, und den Unfall mit meinem Motorroller drei oder vier Jahre später. Deutlich spüre ich die Hornhaut am Mittelfinger der rechten Hand; sie kommt von den Stunden am Schreibtisch mit einem Stift in der Hand. Nur selten schaue ich mir meine Hände bewusst an. Kleine Kinder tun das mit ausdauernder Neugie. Sie schauen ihren Fingern zu, wie die sich wie von Zauberhand bewegen. Mit großer Begeisterung hauen sie mit ihren kleinen Händen auf den Tisch – eine Begeisterung, die sich noch steigert, sobald sie einen Löffel in der Hand und einen Teller in Reichweite haben. Erst nach und nach lernen sie, ihre Hände einzusetzen, ohne sich über jeden Griff zu wundern. Und für uns Große ist es ein

Noch eine Brücke

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Ich sehe noch eine Brücke. Sie führt vom Strand hinaus aufs Meer. Ich betrete die Holzplanken, die sich zu einem Steg zusammenfügen. Ich merke, wie sich die Brücke bewegt. Es gluckst und spritzt. Die Brücke schwimmt auf dem Wasser. Sie senkt sich unter meinen Schritten. Und sie hebt sich im Rhythmus der Wellen, die mir unter den Planken entgegenlaufen. Ich gehe ein paar Schritte hinaus auf die Brücke. Ich werde sicherer. Die Schritte gewöhnen sich an das Schwanken. Ich bleibe stehen und schaue mich um. Der Strand bleibt hinter mir. Aber etwas hält mich davon ab, mich umzudrehen und zurückzukehren. Ich gehe weiter hinaus und immer weiter. Ich schaue nach vorn. Dass Meer weitet sich vor meinem Blick. Und in diesem Meer läuft die Linie aus Holzplanken weiter und weiter. Ein Ende ist nicht zu sehen. Weder ein Ende des Meeres noch ein Ende der Brücke. Beide laufen bis zum Horizont. Und ich mit ihnen bis dorthin. Und hinterm Horizont geht’s weiter. Auch diese Brücke trä

Eine Brücke

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Ich sehe eine Brücke und die hängt über einer Schlucht. Es ist keine ganz lange Brücke und auch keine ganz tiefe Schlucht . Aber es ist eben doch eine Schlucht. Über Jahrtausende hat sie ein Gebirgsbach in den Fels gespült. Immer weiter und immer weiter hat er ihn weichgespült und ausgehöhlt. Auch jetzt noch rauscht und tost der Bach am Grund der Schlucht. Mal lauter, mal leiser. Mal führt er mehr Wasser mit sich, mal weniger. Die Brücke hängt über der Schlucht und dem Rauschen. Sie schaukelt und klappert, wenn du darauf trittst und Schritt für Schritt hinüber gehst. Bist du ein Mutiger, kitzelt das Schaukeln angenehm im Bauch. Bist du ein Ängstlicher, bekommst du weiche Knie beim Blick nach unten. Aber egal, ob du mutig oder ängstlich bist: Die Brücke bringt dich über die Schlucht auf die andere Seite. Am Anfang war da keine Schlucht. Wohl standen die einen hier und die anderen dort. Doch wer wollte, konnte von hier nach dort und von drüben nach hüben gehen. Da f

Geburtstagsansprache

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Liebe Kirche, wir feiern heute also deinen Geburtstag. Und ich habe die ehrenvolle Aufgabe, jetzt und hier eine kleine Ansprache zu deinen Ehren zu halten. Die Ehre hast du dir verdient. 33 bist du geboren, so steht's zumindest in den Papieren. 2018 minus 33, das macht: 1.985 Jahre. So alt wirst du heute also. Vielleicht bist du auch ein Jahr älter oder jünger. Aber wer zählt in deinem Alter noch so genau die Jahre? Wir waren ja nicht dabei, als du zur Welt kamst. Aber oft haben wir die Geschichte gehört, wie es damals war. Also können wir davon erzählen, als wären wir dabei gewesen. Damals, vor bald 2.000 Jahren, als die Menschen nach Jerusalem strömten. Schawuot feierten sie dort. Sie dankten für die Ernte, die Gott ihnen gab. Und für die zehn Gebote, die er Mose schenkte. Nur die, aus denen die Kirche werden sollte, mochten nicht feiern. Ein großes Loch hatte Jesus in ihre Herzen gerissen. Erst hatte er ihnen Gott ganz nah gebracht. Und dann war er gegangen und

Ein weißes Blatt

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Gott fängt an. Er nimmt sich ein weißes Blatt und und legt es vor sich hin. Er greift nach dem Stift. Er rückt das Blatt zurecht. Er schreibt. Seht, es werden Tage kommen – Spruch des Herrn –, in denen ich mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde; nicht wie der Bund war, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägypten herauszuführen. Diesen meinen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich ihr Gebieter war – Spruch des Herrn. Das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe – Spruch des Herrn: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein.  Keiner wird mehr den andern belehren, man wird nicht zueinander sagen: Erkennt den Herrn!, sondern sie alle, Klein und Groß, werden mich erkennen – Spruch des Herrn. Denn ich verzeihe ihnen die Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr. (Jeremia 31,31-34 --

Gott in die Welt holen

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Seid mal leise. So sagen wir, wenn wir hier Kirche mit Kindern feiern. Seid mal ganz leise. Und hört hin. Hört ganz genau hin. Was ihr dann hören könnt, das sind Gebete. Das sind die Gebete von den Menschen, die vor uns hier in der Kirche gewesen sind und gebetet haben. Seit 780 Jahren kommen Menschen hierher, um zu beten. Donnerstag Abend, zum Beispiel, haben wir uns hier mit den angehenden Konfirmandinnen und Konfirmanden und ihren Eltern getroffen. Wir haben ihnen gezeigt, wie Konfirmandenunterricht geht, indem wir einfach für eine Stunde Konfer gemacht haben. Dazu gehört das Beten. Beten nämlich lernt sich nicht durchs Darüberreden, sondern übers Tun. Wir haben also gebetet und tun es jedes Mal im Konfer. Zweimal. Am Anfang und am Ende. Am Anfang konnte jede und jeder eine Kerze anzünden oder einen Stein ablegen. Einen Stein, falls er etwas erlebt hat, was ihn traurig gemacht oder geärgert hat. Eine Kerze, falls ihr etwas begegnet ist, dass sie froh oder dankbar ge