Noch eine Brücke
Ich
sehe noch eine Brücke. Sie führt vom Strand hinaus aufs Meer. Ich
betrete die Holzplanken, die sich zu einem Steg zusammenfügen.
Ich
merke, wie sich die Brücke bewegt. Es gluckst und spritzt. Die
Brücke schwimmt auf dem Wasser. Sie senkt sich unter meinen
Schritten. Und sie hebt sich im Rhythmus der Wellen, die mir unter
den Planken entgegenlaufen.
Ich
gehe ein paar Schritte hinaus auf die Brücke. Ich werde sicherer.
Die Schritte gewöhnen sich an das Schwanken.
Ich
bleibe stehen und schaue mich um. Der Strand bleibt hinter mir. Aber
etwas hält mich davon ab, mich umzudrehen und zurückzukehren.
Ich
gehe weiter hinaus und immer weiter. Ich schaue nach vorn. Dass Meer
weitet sich vor meinem Blick. Und in diesem Meer läuft die Linie aus
Holzplanken weiter und weiter.
Ein
Ende ist nicht zu sehen. Weder ein Ende des Meeres noch ein Ende der
Brücke. Beide laufen bis zum Horizont. Und ich mit ihnen bis
dorthin. Und hinterm Horizont geht’s weiter.
Auch
diese Brücke trägt den Namen Heiliger Geist. Und sie trägt
Menschen, jeden einzelnen Menschen.
Sie
trägtmich. Sie legt mir eine Spur, auf der ich durch das Meer der
Zeit gehen kann. Auf schwankenden Planken vielleicht, aber sicheren
Schrittes.
Der
Heilige Geist ist das, was mich am Morgen trägt. Noch en wenig
unsicher mache ich die ersten Schritte hinaus ins Offene. Das Laufen
muss ich noch lernen.
Aber
ich bin neugierig, unheimlich neugierig auf das, was es zu entdecken
gibt. Am liebsten wäre ich überall zugleich – oder schon viel
weiter, als ich gerade bin.
Warte
nur ab, da kommst du schneller hin, als du denkst, sagen mir andere.
Ich kann das nicht verstehen. Und als ich dann da bin, begreife ich:
Sie haben recht.
Der
Heilige Geist ist auch das, was mich am Mittagträgt mich. Dann, wenn
die Sonne am höchsten steht und die Zeit sich in einen kleinen
Schatten zusammendrängt.
Alles
ist gleichzeitig, vieles muss ich gleichzeitig tut. Das Jetzt hält
den Blick gefangen. Kaum einmal, dass ich den Kopf wenden kann, um
nach hinten zu schauen. Oder dass ich ihn hebe und vorne schauen, wo
die Planken mich hinführen.
Nur
hin und wieder komme ich auf eine Insel und finde dort Ruhe und halte
inne.
Der
Heilige Geist ist auch das, was mich am Abend trägt. Wenn der
Horizont nahe gerückt scheint und die Frage drängt, ob und wie es
dahinter weitergeht.
Zugleich
kommt wie in einer Luftspiegelung der Strand wieder nahe und mit ihm
die Erinnerung an die ersten Schritte, die ich gegangen bin: Das
Damals kommt mir vor wie heute.
Und
der Heilige Geist bindet das alles zusammen: das Gestern und das
Heute und das Morgen – eine Brücke über das Meer meines Lebens.
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