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Es werden Posts vom November, 2019 angezeigt.

Vor dem Festsaal

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Der Tod ist eingetreten, sagt man. Ärzte bestimmen so den Todeszeitpunkt.  Schwarz auf weiß wird er auf der Sterbeurkunde festgehalten: 23 Uhr 37. Sachlich soll das klingen. Der Tod ist eingetreten. Viele von euch haben das in den vergangenen zwölf Monaten erlebt. Jede und jeder hat es auf eine eigene Weise erfahren. Manche haben damit gerechnet, dass es irgendwann so weit sein könnte. Und plötzlich und unerwartet wurde aus dem Irgendwann ein Jetzt. Andere traf das Erschrecken aus dem Nichts. Von einem Augenblick auf den anderen war alles anders und das Leben zu Ende und aus den Fugen geraten. Wieder andere haben gewartet. Am Sterbebett haben sie gesessen und die Hand gehalten und auf den Atem gelauscht, bis er still stand. Der Tod ist eingetreten, sagt man. Nie erlebe ich das so abgeklärt, wie es klingen soll. Auch wenn ich den Abschied erwarte, schneidet er mir tief ins Herz. Auch wenn ich im Rückblick sage, es war an der Zeit, war es doch zu früh. Auch wenn ich mich

Begegnung mit einem alten Bekannten

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Buß- und Bettag: Ich stelle mir vor, dass Gott an diesem Tag nach seinen Schafen sieht; nach den verirrten und all den anderen. So erzählt es Susanne Niemeyer: Als Gott seine Nachmittagsrunde dreht und rechts hinterm Bahnhof in diese kleine Seitenstraße einbiegt, deren Namen er sich nie merken kann, sieht er Frieda. Frieda mit dem Blümchenkleid. An ihren Armen hängen Tüten. Eine Menge Tüten, mehr Tüten, als sie eigentlich tragen kann. Sie sind prall gefüllt, und es sind Tüten von abgetragener Art. Dass sie nicht neu sind, sieht Gott sofort. Dass keine Einkäufe darin liegen, keine Äpfel, die Frieda zuhause in eine Schale legen wird. Der Rücken von Frieda ist rund vom vielen Arbeiten und auch sonst. Bestimmt schneiden die Tüten Kerben in ihre Hände. Buß- und Bettag. Gott sieht mich. Er sieht, wie ich meine Tüten durch den November trage. Manchmal trage ich schwer an ihnen. Vielleicht, weil andere mir vieles aufgeladen haben und ich mich nicht dagegen wehren konnte.

Klimawandel

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Eine Wetterkarte. Mit einem Luftdruckgebiet in der Mitte. Und an den Rändern eine Kaltfront und eine Warmfront. --  Das ist das Plakat zur Ökumenischen Friedensdekade in diesem Jahr. Eine Front gibt es auch im Krieg. Karten in den Kommandozentralen verzeichnen die Frontverläufe wie Wetterkarten. An der Front setzen die Soldaten zum Sturm auf den Feind an. Und manchmal geht der Sturmlauf im Kugelhagel des Gegners unter. Auch hinter der Front schlägt sich der Krieg nieder. Flugzeuge werfen einen Bombenhagel über Städten ab. Die Einschläge verursachen einen tödlichen Feuersturm. Sturm zieht auch oft genug in den sozialen Medien auf. Er fängt an mit einem Post, den die eine einstellt. Ohne es zu ahnen und zu wollen, tritt sie damit eine Lawine los. Ein anderer antwortet, dass der Post und die Posterin dumm sind. Dessen Follower blasen die Backen auf und fegen mit ihren Hasskommentaren in den anderen Post hinein und über den Account hinweg. Ein shitstorm ergießt sich a

Über Mauern und Zäune

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Zwei Pressekonferenzen, die Geschichte schreiben. Die eine am 15. Juni 1961. Die andere am 9. November 1989. „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen“. Das sagt Walter Ulbricht auf der ersten Pressekonferenz. Zwei Monate später wächst in Berlin die Mauer, werden quer durch Deutschland Zäune errichtet. „Das tritt nach meiner Kenntnis... ab sofort, unverzüglich.“ Das sagt Günter Schabowski auf der zweiten Pressekonferenz. Und meint damit die neuen Reiseregelungen, die es DDR-Bürgern erlauben, Anträge auf Auslandsreisen zu stellen. Kurze Zeit später heben sich in Berlin und quer durch Deutschland die Schlagbäume. 28 Jahre und ein paar Monate liegen zwischen diesen beiden Pressekonferenzen. 30 Jahre liegt die zweite inzwischen zurück: Die Mauer steht länger offen, als sie gestanden hat. Wir pendeln immer mal ins Mecklenburgische. Weil Kirsten von dort kommt und ihre Mutter immer noch in Boizenburg lebt. Weil meine Eltern im Ruhestand aus dem Hessischen an den Plauer See gezogen s