Klimawandel
Eine
Wetterkarte. Mit einem Luftdruckgebiet in der Mitte. Und an den
Rändern eine Kaltfront und eine Warmfront. -- Das ist das Plakat zur Ökumenischen Friedensdekade in diesem Jahr.
Eine
Front gibt es auch im Krieg. Karten in den Kommandozentralen
verzeichnen die Frontverläufe wie Wetterkarten.
An
der Front setzen die Soldaten zum Sturm auf den Feind an. Und
manchmal geht der Sturmlauf im Kugelhagel des Gegners unter.
Auch
hinter der Front schlägt sich der Krieg nieder. Flugzeuge werfen
einen Bombenhagel über Städten ab. Die Einschläge verursachen
einen tödlichen Feuersturm.
Sturm
zieht auch oft genug in den sozialen Medien auf. Er fängt an mit
einem Post, den die eine einstellt. Ohne es zu ahnen und zu wollen,
tritt sie damit eine Lawine los.
Ein
anderer antwortet, dass der Post und die Posterin dumm sind. Dessen
Follower blasen die Backen auf und fegen mit ihren Hasskommentaren in
den anderen Post hinein und über den Account hinweg.
Ein
shitstorm ergießt sich auf den Post und über dessen Inhaberin. Für
sie bleibt fast nur noch die Flucht hinter eine Firewall, irgendwo
außerhalb der sozialen Medien.
Dicke
Luft gibt es auch in Familien und zwischen Freundinnen und Freunden.
Weil der eine meint, die andere hätte mehr. Weil die andere meint,
sie bekäme nicht, was ihr zusteht.
Frostig
wird es dann. Dabei werfen sie sich mit den Augen längst Blitze zu.
Dann gibt es das Donnerwetter. Vorwürfe des einen prasseln auf die
andere herunter.
Wie
ein Orkan fegt die Wut über den anderen hinweg. Wenn es schlecht
läuft, macht er alles platt. Dann ist nach dem Donnerwetter nichts
mehr, wie es vorher war.
Manchmal
ist es nur ein Wetterumschwung. Schlechte Laune, weil einer noch
nicht die erste Tasse Kaffee hatte. Ein Raketentest, um das
Nachbarland und mehr noch das eigene Land zu beeindrucken.
Manchmal
aber wandelt sich auch das Klima. Keine Erderwärmung, sondern eine
Beziehungsabkühlung: Freundinnen hören auf miteinander zu reden,
Geschwister verschwinden zwischen Regalen, wenn sie sich beim Einkauf
begegnen.
Menschen
vergessen die Höflichkeitsregeln, die sie ihren Kindern beibringen,
sobald sie auf Facebook oder hinter einem Lenkrad unterwegs sind.
Staatenführer
gehen über diplomatische Gepflogenheiten hinweg und brechen mit Lust
sämtliche mühsam eingeübten Regeln internationaler Zusammenarbeit.
Ob
es so etwas gibt wie ein Kriegsklima? Ein Klima wie ein andauernder
Herbst, in dem ein Sturmtief das andere jagt?
Aber
wenn es das gibt, das Kriegsklima, dann muss es ja auch sein
Gegenteil geben.
Jedenfalls
trägt die Ökumenische Friedensdekade es in diesem Jahr im Titel:
das „Friedensklima“.
Und
damit verbindet sich ja die Hoffnung auf einen von Menschen gemachten
Klimawandel: Dass Menschen es schaffen, einer Kaltfront mit einer
Warmfront zu begegnen und aus einem Sturmtief ein stabiles Hoch zu
machen.
Wir
haben das versucht im Konfer. In kleinen Spielszenen solltet ihr euch
streiten. Zum Beispiel, dass die Schwester das gemeinsame Zimmer
nicht aufräumt. Oder die Freundin den ausgeliehenen MP3-Player
kaputt zurückgibt.
Das
war ein Versuch unter erschwerten Bedingungen. Denn erstens geht das
kaum: Streiten nach Ansage. Wenn man es darf, macht es keinen Spaß.
Und
zweitens galt ja für die Hälfte der Streitszenen eine besondere
Regieanweisung: Freundlich streiten. Und das geht schon gleich gar
nicht.
Wie
soll das gelingen: Sich so zu streiten, dass die Sache geklärt wird,
um die es geht – aber gleichzeitig kein Wort zu sagen, das den
anderen verletzt.
Ist
das dann überhaupt noch ein Streit?
Nein.
Womöglich ist das kein Streit mehr. Sondern nur ein Traum. Ein
Traum, wie ihn Micha träumt. Schwerter zu Pflugscharen. Wie ihn die
Künstler gestalten: Sturmgewehre mit einem Knoten im Lauf. Wie ihn
die Friedensdekade zeichnet: Streit in einem Friedensklima.
Keine
dicke Luft zwischen Freunden, sondern ein warmer Sommerabend, an dem
es langsam dunkel wird. So dunkel, dass beide sich trauen, ganz offen
miteinander zu reden.
Das,
was du getan hast, hat mich verletzt. Was ich getan habe, tut mir
leid. Aber du bist mir wichtig. Ich will dir vertrauen können und
möchte, dass du mir vertraust.
Was
tropft, ist kein Regen, sondern zwei, drei Tränen. Als es nächtlich
klamm und kalt wird, wärmt die Umarmung. Und langsam kommt der neue
Tag.
Kein
shitstorm, der über einen Account hinwegfegt. Sondern ein virtueller
runder Tisch unter einem Baum. Blätter rascheln, auf denen Argumente
stehen.
Sorgfältig
werden sie von den einen vorgebracht. Behutsam werden sie von anderen
nachgefragt. Bis sich alle sicher sind, dass sie einander verstanden
haben.
Dann
öffnen sie die Flasche Wein oder lassen den Bügelverschluss ploppen
und stoßen vor den Bildschirmen an. Weil sie jetzt die Meinung und
Haltung des anderen nachvollziehen können.
Keine
Front mit Freund hier und Feind da. Sondern ein weites Feld,
vielleicht mit weißen Kreidemarkierungen und zwei Toren, eines dort,
eines hier.
Die
Regeln sind klar, selbst wann ein Handspiel ein Handspiel ist. Im
Zweifelsfall entscheidet der Schiedsrichter richtig. Wenn er denn
etwas zu pfeifen hat.
Das
Spiel macht so viel Spaß, dass keiner Lust hat, zu foulen. Der Ball
ist rund und muss ins Eckige und die anderen sind elf weitere
Freunde.
So
war das einmal im ersten Weltkrieg, als deutsche und englische
Soldaten an der Front nur mit einer Kugel spielten.
Das
Plakat der ökumenischen Friedensdekade zeigt eine Wetterkarte. An
den Rändern mit einer Kaltfront und einer Warmfront.
In
der Mitte mit einem Luftdruckgebiet. Es hat die Form einer Taube.
Friedensklima, das Traumwetter bringt.
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