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Es werden Posts vom Februar, 2018 angezeigt.

Im Weinberg

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Wir stehen in einem Weinberg. Wir stehen dort und staunen. Eine Mauer umgibt den Weinberg. Kein Gestrüpp wächst, kein Unkraut. Nur hier und da leuchtet eine Mohnblume rot. Die Rebstöcke stehen in sauberen Reihen, gesäubert und beschnitten nach aller Kunst des Weinbauernhandwerks. Dem Weinberg ist anzusehen, wie viel Liebe und wie viel Mühe jemand in ihn hineingesteckt hat. Liebesmühe also. Da kommt einer auf uns zu. Wir sind mit ihm verabredet. Er will uns diesen Weinberg zeigen. Den Weinberg seines Freundes, so sagte er uns. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte schlechte. ( Jesaja 5,1b-2 ) Wir stehen im Weinberg und sehen erst jetzt auf die Trauben. Wie kann das sein?Seltsam verschrumpelt sind sie. Als wären sie an den Reben vertrocknet. Das kann doch nicht se

Zeig dich!

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Stell dir vor, du wirst auf die Probe gestellt: Vor zwei Wochen hast du in der Bücherei einer Angestellten ordentlich die Meinung gesagt. Du fandest sie schon immer unangenehm rechthaberisch. Nun wollte sie dir ein Buch in Rechnung stellen, das du längst abgegeben hattest – dachtest du. Bis due es gestern unter deinem Sofa entdeckt hast. Was machst du? Gibst du das Buch ab und tust so, als sei nichts geschehen? Oder gibst du das Buch ab und bittest sie um Entschuldigung? Oder bittest du jemand anderen, das Buch für dich abzugeben? „Zeig dich! Sieben Wochen ohne kneifen.“ So ist die Fastenaktion der evangelischen Kirche in diesem Jahr überschrieben. Auf unserer Insel muss man daran erinnern: Am Montag und Dienstag war Fasching. Dann kam der Aschermittwoch. Und heute haben wir den ersten Sonntag der Fastenzeit. „Eigentlich bin ich ganz anders. Ich komme nur so selten dazu“, sagt Ödon von Horvath. Ich füge hinzu: Aber jetzt, in diesen Wochen bis Karfreitag, wäre die Gelegen

Damit es strömt und fließt

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Es ströme das Recht wie Wasser. Und es fließe die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. (Amos 5,24)   Ich stelle mir vor, ich kann das: Ich sage: Es ströme das Recht. Und ich sehe Wasser, wie es strömt. Ich sehe: Es strömt zu einer Frau. Die hat ihr ganzes Leben ihren Haushalt versorg und ihre Tage zwischen ihren Büchern und mit ihrem Garten verbracht hat. Bis sie sich in ihren Gedanken verlor.  Jetzt hält sie eine Hand, die sie geduldig füttert, und schaut in Augen, die sie freundlich anschauen, und erzählt ihre Geschichte zum tausendundersten Mal und merkt nicht, dass die Zeit vergeht, weil nur der Augenblick zählt. Und ich sehe: Das Wasser strömt zu einem Mann. Dem setzen sie in seinem Dorf die Pistole auf die Brust, und er floh um sein Leben auf einem überfüllten Boot, und überlebte, als es unterging. und zog immer weiter von einem sicheren Land in das nächste. Er weiß nicht, wo Dubli

Gemälde mit Paulus

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Vielleicht gleicht das Leben, das einer lebt, einem Gemälde. Du stehst davor und siehst es an wie ein Gemälde in einem Museum. Du siehst die Farben, hell und dunkel, kräftig und matt. Du siehst die Formen, weich und scharf, kantig und rund. Du kannst das alles beschreiben, was du siehst. Aber es fehlt ein Wort, ein Satz, der das Einzelne zu einem Ganzen ordnet. Es fehlt eine Überschrift, ein Titel, der dir hilft, dein Leben auszulegen. Paulus kennt so ein Wort. Er hat es einst gesagt bekommen – es ist ihm ins Herz gefallen und dort geblieben: Der Herr hat zu mir gesagt: »Du brauchst nicht mehr als meine Gnade. Denn meine Kraft kommt gerade in der Schwäche voll zur Geltung.« ( 2. Korinther 12,9 ) Ich stelle mir vor: Paulus hat sich einen Platz im Schatten des Olivenhains gesucht. Die Hitze setzt ihm zu. Der Kopf pocht mit jedem Schlag seines Herzens. Er verkrampft. Schmerzen pulsieren durch seinen ganzen Körper. Sie sind die Spuren dessen, was er in den langen