Die Pastorin und der Troll

Pastorin: Liebe Gemeinde, Gott streut aus, wovon wir leben können.
Troll: Und wir sammeln auf, was uns gut tut.
Was? Oh, Muck. Du bist das. Und eine Blume hast du mir mitgebracht.
Nun tu nicht so überrascht, dass ich hier bin. Stand doch auf den Plakaten drauf: Erntedankgottesdienst mit der Trachtentanzgruppe und Muck. Und in der Zeitung stand's auch.
Ich bin nicht überrascht, dass du da bist. Das wusste ich ja, dass du kommst. Aber ich freue mich, dass du mir eine Blume mitgebracht hast. Danke schön.
Bitte schön. Hab' ich eben aus dem Strauß da vorne geklaut.
Das habe ich mir schon gedacht. Trotzdem danke.
Schmeißt du die morgen in den Backofen und verbrennst sie?
Wie kommst du darauf?
Hat doch Jesus gesagt: Die Wiesenblumen sind heute schön und werden morgen im Backofen verbrannt.
Jaaa, weißt du: Damit wollte er doch nur sagen, dass du dir keine Sorgen machen sollst.
Mache ich mir aber. Um die schöne Blume. Die soll nicht verbrannt werden.
Wird sie ja auch nicht. Die stelle ich nachher in eine kleine Vase. Keine Sorge.
Ich will mich aber sorgen.
Was?
Ich will mich aber sorgen. Ich mag das nicht, dass Jesus sagt: Du sollst dich nicht sorgen.
Aha. Und warum willst du dich sorgen? Das wäre doch himmlisch, wenn du keine Sorgen hättest.
Im Gegenteil. Das wäre die Hölle. Wenn ich keine Sorgen mehr hätte, hätte ich niemanden, den ich lieb habe.
Das verstehe ich nicht.
Na, ist doch klar: Wenn ich jemanden lieb habe, dann mache ich mir auch Sorgen um ihn. Ich will doch, dass es ihm gut geht.
Achso, jetzt verstehe ich. Da hast du Recht. Wenn ich jemanden lieb habe, dann sorge ich dafür, dass es ihm gut geht. Ich tue zumindest alles, damit das so sein kann. Aber …
Aber was?
Aber ich denke, dass Jesus nicht diese Sorgen gemeint hat. Ich denke, dass er gemeint hat: Du sollst dich nicht dauernd um dich selbst sorgen.
Tue ich auch nicht.
Nein?
Nein. Wieso sollte ich. Ich hab's ja immer gut. Entweder ich sitze ganz gemütlich im Kindergarten auf dem Schrank und schaue den Kindern beim Spielen zu.
Oder?
Oder ich bin bei einem Kind zuhause und spiele mit ihm und gehe mit ihm überall hin, wo es auch hingeht.
Für dich ist also immer gut gesorgt.
Klar. Warum sollte es anders sein?
Das sagst du so leicht. Und die Kinder, die du besuchst, die sagen das womöglich auch: Für mich ist ja gesorgt. Aber die Erwachsenen...
Ich ahne schon, was du sagen willst: Die können das wieder nicht, die Erwachsenen.
Naja.
Ihr seid mir komische Erwachsene. Wollt den Kindern beibringen, was es heißt, groß zu sein. Und das, worauf es ankommt, um groß zu werden, das könnt ihr nicht.
Und was braucht es deiner Meinung nach dafür?
Vertrauen braucht es. Vor allem Vertrauen.
Ihr habt zu wenig Vertrauen, sagt Jesus.
Zu euch Erwachsenen sagt er das. Die Kinder wissen das. Und eigentlich wissen es auch die Erwachsenen.
Weil sie selber mal Kinder waren, meinst du? Und warum haben sie vergessen zu vertrauen und angefangen sich zu sorgen?
Das musst du doch wissen. Ich bin nur ein Troll. Aber du bist eine Erwachsene. Und dazu noch eine Pastorin.
Na, wenn du meinst. Dann liest dir die Pastorin jetzt mal einen Erwachsenentext vor. Aus der Bibel. Aus dem Brief an die Hebräer:
Durch Jesus wollen wir Gott jederzeit unser Lob als Dankopfer darbringen. Es ist sozusagen die Frucht der Lippen, die sich zu seinem Namen bekennen.
… Das mit den Vögeln und den Blumen fand ich schöner.
So geht es mir auch. Aber ich denke, die Worte beantworten deine Frage.
Welche Frage?
Warum die Erwachsenen vergessen, wie Vertrauen geht.
Darauf gibt der Text eine Antwort? Ich habe keine gehört.
Ja, sie ist wohl ein bisschen versteckt.
Dass ihr Erwachsenen immer alles verstecken müsst.
Willst du jetzt hören, was ich denke?
Ja, bitte.
Ich denke, Erwachsene hören irgendwann auf, über ihr Leben zu staunen.
Echt? Das finde ich erstaunlich. Ich staune jeden Tag. Darüber dass ich da bin. Und was den Kindern um mich herum alles so einfällt.
Ja. Und darüber dass die Blumen blühen und die Vögel fliegen. Über all das kann man eigenlich andauernd staunen.
Und warum staunen Erwachsene dann nicht?
Ich denke, sie haben die Blumen und die Vögel schon so oft gesehen, dass sie sie nicht mehr sehen.
Ich habe eine Idee: Die müssen ihren Garten mal verhüllen, so wie ihr den Kirchturm eingehüllt habt. Und wenn sie dann die Hüllen fallen lassen, staunen sie wieder.
Ja. Das hilft bestimmt: All das Schöne im eigenen Leben so sehen, als sei es das erste Mal, dass ich es sehe.
Siehst du, so einfach ist das.
Ja, so einfach. Und wenn sie dann staunen, freuen sie sich. Und wenn sie sich freuen, dann danken sie auch. Dann danken sie für all das, was das Leben schön und gut macht.
Schon komisch: Da sagen Erwachsene immer zu den Kindern: Sag' schön Danke. Und sie selber vergessen es.
Weil sie nicht mehr sehen, dass es etwas gibt, wofür sie danken können.
Na wie gut, dass sie dann heute hier sind. Da sehen sie ja genug.
Ja, all die Erntegaben hier vorne.
Und den Menschen neben ihnen.
Ja. All das, was das Leben gut und schön macht. Und wir legen es vor den Altar, um zu sagen: Gott, vielen Dank dafür.
Und Gott antwortet dann: Dafür nicht.
Nein. Gott sagt eher: Gern geschehen! Für dich immer gern!
Für dich immer gern! Und da vergessen Erwachsene, wie Vertrauen geht?
Ja, merkwürdig, nicht? Es wäre doch so einfach, zu vertrauen: Gott schenkt mir immer wieder etwas, was gut ist, so wie er es vorher schon getan hat.
Weißt du was?
Na?
Wenn ich vertraue, dass ich bekomme, was gut ist – dann gebe ich auch eher von dem ab, was ich habe.
Das stimmt. Hör mal zu. Der Erwachsenentext geht noch weiter:
Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen. Denn das sind die Opfer, die Gott gefallen.
Das habe ich jetzt verstanden. Gutes Tun. Teilen. Abgeben. So wie ich es gesagt habe. Ganz einfach.
Ja, aber nur für den, der es kann. Für den, der es nicht kann, ist es ganz, ganz schwer.
Aber das ist doch nicht schwer: Wenn ich einen sehe, der etwas dringend braucht, was ich habe, dann gebe ich ihm das doch.
Das sagst du Troll. Menschen sagen das auch. Aber nur im Prinzip. Wenn dann einer wirklich vor ihnen steht, der etwas von ihnen braucht – dann geben sie es ihm doch nicht.
Ihr habt zu wenig Vertrauen, sagt Jesus.
Ja, du sagst es. Wir haben keinen Mut, etwas zu opfern.
Was heißt hier opfern. Hergeben kannst du doch nur, was dir gehört.
Ja, und?
Aber dir gehört doch gar nichts.
Wie bitte?
Naja, was du hast, bekommst du von Gott geschenkt. Und wenn du davon etwas abgibst, musst du höchstens Gott fragen, ob er damit einverstanden ist, dass du das tust.
Also ist es gar kein Opfer, wenn ich dem anderen gebe, was er braucht. Ich verschenke nur etwas von dem Geschenk, das ich selber geschenkt bekommen habe.
Und wenn das alle tun, sind alle reich beschenkt.
Es muss nur einer anfangen.
Mit einer Blume, zum Beispiel.
Vielen Dank, Muck. Und: Amen.
Für dich immer gern. Und auch: Amen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Fortsetzung folgt

Dreifach Gott begegnen

Herr, sag uns, wie wir beten sollen