In allem Neuen liegt ein Wunder
Von
guten Mächten wunderbar geborgen, / erwarten wir getrost, was kommen
mag. / Gott ist bei uns am Abend und am Morgen / und ganz gewiss an
jedem neuen Tag. (Dietrich Bonhoeffer, Ev. Gesangbuch 65,7)
Und
Josua machte sich früh am Morgen auf, und sie kamen an den Jordan,
er und alle Israeliten, und sie übernachteten dort, bevor sie ihn
überschritten.
(Josua 3,2)
Etwas
Neues soll anbrechen. Dort, auf der anderen Seite des Jordan. Noch
ist es nicht so weit. Der Fluss trennt von dem Neuen, das beginnen
soll.
Und
doch ist es schon da, das Neue. Sie können es sehen, auf der anderen
Seite des Flusses. Zum Greifen nah. Ein paar Schritte nur.
Sie
sind schon da, auf der anderen Seite. In der Nacht fliegen sie im
Traum über das Neuland. In ihren Tagträumen malen sie es sich aus.
Honig
und Milch fließen dort. Wolf und Schaf spielen miteinander. Löwe
und Rind grasen gemeinsamen. Sie werden ihre Zelten aufschlagen und
Häuser bauen und dort wohnen, im Frieden.
Doch
da fließt ja der Fluss. Nicht reißend. Aber tief und weit. Nicht zu
überwinden. Er trennt sie von dem Neuen.
Etwas
Neues soll anbrechen. Auch in seinem Leben. Er kann es schon sehen.
Ganz nah ist es ihm und ist er ihm. In seinen Träumen, in seiner
Sehnsucht.
Wie
ein Kind seinen Geburtstag, so stellt er sich vor, was alles sein
wird, wie es alles sein wird.
Er
sieht hinter sich die Lasten, die er abwirft. Und er spürt, wie
leicht die Schritte werden. Er hört, wie der Streit verstummt und
jemand freundliche Worte in sein Ohr flüstert.
Er
weiß schon, wie es sich anfühlt, wenn er in dem Frieden ankommt,
dem er jetzt angestrengt nachjagt. Wie der Atem ruhig wird und das
Herz langsamer schlägt.
Wie
ein Kind seinen Geburtstag, so stellt er es sich vor und es ist zum
Greifen nah, aber noch nicht da. Wie ein Kind ist er unruhig und
ungeduldig.
Denn
da fließt ja der Fluss. Nicht reißend. Aber tief und weit. Er
trennt ihn von dem Neuen.
Und
Josua sprach zum Volk: Heiligt euch, denn morgen wird der HERR Wunder
tun in eurer Mitte. (Josua 3,5)
Etwas
Neues soll anbrechen. Dort, auf der anderen Seite des Jordan. Morgen
schon. Aber vorher sollen sie neu werden, andere Menschen: Heiligt
euch!
Macht
euch bereit für das Neue! Vielleicht ist da ja etwas Altes, das ihr
mitgebracht habt und das euch festhält. Aber solange es an euch
zieht, hält es euch ab vom Schritt ins Neue.
Macht
euch bereit für Gott! Vielleicht meint ihr ja, ihr habt es in der
Hand, dass etwas Neues anbricht. Aber solange ihr das Neue selber
versucht, werdet ihr immer wieder im Alten landen.
Macht
euch bereit für Gott! Legt eure Hand in seine Hand. Und geht mit, wo
er euch hinführt.
Macht
euch bereit für das Neue! Vertraut ihm euch an. Und nehmt an, was es
euch bringt.
Das
Neue ist neu, weil es anders ist, als ihr euch erträumt. Und Gott
tut Wunder, indem er sie anders tut, als ihr euch wünscht.
Etwas
Neues soll anbrechen. Auch in seinem Leben. Und er will versuchen,
geduldig zu erwarten, wie es anbricht.
Er
will versuchen, seine Traumbilder abzuhängen, die er von dem Neuen
schon gemalt hat, bevor es anbricht. Und warten, bis das Neue sich
selber an den Horizont malt. Ganz anders und in seinen eigenen
Farben.
Er
will versuchen, seine Wünsche in die Hand dessen zu legen, der
Wunder tut. Und warten, wie er ihn überrascht. Ganz wundervoll wird
sein Wille geschehen. Auch in seinem Leben.
Und
Josua sprach zu den Priestern: Hebt die Lade des Bundes auf, und
zieht dem Volk voran. Und sie hoben die Lade des Bundes auf und
gingen dem Volk voran.
Und
Josua sprach zu den Israeliten: Kommt her und hört die Worte des
HERRN, eures Gottes.
Und
Josua sprach: Daran sollt ihr erkennen, dass ein lebendiger Gott in
eurer Mitte ist: Seht die Lade des Bundes! Der Herr der ganzen
Erde zieht vor euch her durch den Jordan!
Etwas
Neues wird anbrechen. Das ist mehr als ein Traum, das ist etwas
anderes als eine Sehnsucht. Das ist ein Versprechen. Das ist ein
Bund, ein Vertrag, den Gott mit ihnen geschlossen hat.
Sie
sehen das Zeichen für diesen Bund. Die Lade, getragen von den
Priestern. Sie sehen die Lade und mit ihr die Geschichte, die sie mit
Gott verbindet.
Sie
zählen die Gebote auf, die er ihnen gab, damals am Sinai. Zehn
Gebote, eingeritzt auf den zwei Steintafeln, die sich in der Lade
befinden. Sein Schrift und Stein gewordener Wille, dass sie ein gutes
Leben führen können.
Sie
erzählen sich von der Freiheit, in die er sie führte, damals am
Schilfmeer. Als sie vor dem Pharao und der Sklaverei flohen. Wie er
da schon einmal ein Wunder tat und sie durch das Meer brachte und
durch die Wüste bis zum Sinai.
Sie
erinnern sich an das Leben, das er schuf. Vor Urzeiten, als die Erde
noch wüst und leer war. Als er nur ein Wort sprach und es Licht
wurde und Pflanzen wuchsen und Wasser und Himmel und Land von Tieren
zu wimmeln begannen und der erste Mensch in die Sonne blinzelte.
Sie
sehen die Lade des Bundes und sie sehen den Bund und sie sehen ihn,
den Herrn der ganzen Erde. Sie sehen ihn an ihrer Seite. Er geht
ihnen voran. Durch den Jordan. Ins Neue. Es wird anbrechen. So wie es
schon so oft angebrochen ist. Durch ihn.
Etwas
Neues wird anbrechen. Auch in seinem Leben. Jenseits dessen, wonach
er sich sehnt. Ganz anders als er es sich erträumt.
Aber
es wird anbrechen. Wie es schon mal angebrochen ist. Und noch mal.
Und noch mal. Als sein Leben sich wandelte. Durch den Segen, mit dem
Gott ihn segnete und segnete und segnete.
Er
sieht sich zusammen mit seinem Bruder auf der Goldenen Hochzeit der
Eltern. Ein, zwei Bier hatten sie gebraucht, dann hatten sie
miteinander geredet über all das, was war und nicht war zwischen
ihnen in den Jahren zuvor. Am Ende umarmten sie sich so, wie sie es
kaum jemals getan hatten.
Er
erinnert sich, wie es war, damals, als er seine Lehre antreten wollte
und der Betrieb Pleite machte und er nichts anderes fand als das
Freiwillige Ökologische Jahr auf der Insel. Dort, wo er jetzt immer
noch ist und sein Zuhause gefunden hat.
Er
weiß noch, wie er nach dem Sportunfall sechs Wochen im Krankenhaus
lag und nichts tun konnte als warten und die Zeit totschlagen. Bis
sie sich füllte durch die Gespräche mit den wechselnden
Bettnachbarn und den Pflegern und den Ärztinnen. Und wie sich das
Leben danach noch wertvoller anfühlte als vorher.
Er
sieht und erinnert und weiß: Als sich was drehte und änderte in
seinem Leben, da drehte und änderte Gott. Und er sieht und erinnert
und weiß die Spuren, die Gott in sein Leben gelegt hat.
Und
auch jetzt geht er ihm voran. Ins Neue. Es wird anbrechen.
Und
als das Volk aufbrach von seinen Zelten, um den Jordan zu
überschreiten, auch die Priester, die die Lade des Bundes dem Volk
vorantrugen,
und
als die Träger der Lade an den Jordan kamen und die Füße der
Priester, die die Lade trugen, das Wasser berührten,
da
blieb das Wasser, das von oben herabfließt, stehen.
Wie
ein Damm erhob es sich, in weiter Entfernung. Und das Wasser, das zum
Salzmeer hinabfloss, verlief sich ganz, und das Volk überschritt den
Jordan gegenüber von Jericho.
Und
die Priester, die die Lade trugen, standen unbeweglich mitten im
Jordan auf dem Trockenen, und ganz Israel zog auf dem Trockenen
hinüber, bis die ganze Nation den Jordan überschritten hatte.(Josua 3,14-17)
Etwas
Neues bricht an. Endlich und plötzlich. Lang ersehnt und unerwartet.
Jetzt ist es so weit.
Eben
trennte sie der Fluss von dem Neuen. Aber jetzt hat sich der Fluss
aufgestaut und sein Bett liegt trocken vor ihnen. Gott geht ihnen
voraus. Er führt sie ins Neue.
Allem
Anfang wohnt ein Zauber inne. Und allem Neuen geht ein Wunder voraus.
Etwas
Neues bricht an. Auch in seinem Leben. Er hat es nicht kommen sehen
und es dennoch erwartet.
Manchmal
muss etwas geschehen in einem Leben, damit es weiter geht. Manchmal
muss sich ein neuer Weg auftun, der einlädt, ihn zu gehen.
Zögernden, aber leichten Schrittes.
Weil
Gott den Weg öffnet, ins Neue. Weil Gott mitgeht ins Unbekannte. In
allem Neuen liegt ein Wunder verborgen: Gott zeigt sich.
Vertraut
den neuen Wegen, / auf die der Herr uns weist, / weil Leben heißt
sich regen, / weil Leben wandern heißt. / Seit leuchtend Gottes
Bogen / am hohen Himmel stand, / sind Menschen ausgezogen / in das
gelobte Land.
(Klaus Peter Hertzsch, Ev. Gesangbuch 395,1)
(Klaus Peter Hertzsch, Ev. Gesangbuch 395,1)
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