Das Böse besiegen
Predigt aus dem Gottesdienst am Sonntag, 5. Juli 2020
"Besiege das Böse!" Der Taufstein in St. Johannis auf Föhr erzählt dazu seine eigene Geschichte: Ein Ungeheuer ist darauf zu sehen. Das verschlingt gerade einen Menschen.
Der hält sich mit allerletzter Kraft und seinen Armen an einem Baum fest. Er scheint verloren. Aber die Rettung ist auch schon da.
Neben dem Monster hat einer das Schwert erhoben. Gleich wird er dem Ungeheuer den Kopf abschlagen. Dann ist der Mensch gerettet.
Das Böse ist schon längst besiegt. So erzählt es der Taufstein. Wenn du getauft bist, hat das Böse keine Macht mehr über dich. Dann bist du erlöst von dem Bösen.
So einfach ist das. Oder doch nicht? Das Böse ist ja noch da. Wenn dem Ungeheuer ein Kopf abgeschlagen wird, wächst ein neuer nach.
"Euer Feind, der Teufel, streift wie ein brüllender Löwe umher und sucht jemanden, den er verschlingen kann." So steht es im Ersten Petrus-Brief.
"Lass dich nicht vom Bösen überwinden", so schreibt Paulus. Passt du nicht auf, geschieht das schneller, als du denkst.
Meistens kommt das Böse ja nicht als brüllender Löwe daher, sondern eher als ein Plüschtier. Niedlich und kuschelig und harmlos.
Da stehst du in der Schlange vor dem Bäcker im Regen und merkst, dass in deinem Rücken einer dichter an dir dran steht als anderthalb Meter.
Oder du kommst auf die Idee an einem sonnigen Sommertag mit dem Auto durch Nieblum zu fahren und vor dir zuckeln Fahrräder und an der Eisdiele stehen sie auf der Straße.
Da kribbelt das Böse im Magen und kitzelt die Wut wach und die steigt fröhlich auf und drückt auf die Hupe und kurbelt das Fenster herunter.
Und das Böse fährt wirbelt dich herum und reißt dir den Mund auf und raunzt die Frau mit Hund hinter dir an, die vergessen hat, dass es den Sicherheitsabstand gibt.
Schon hat das Böse dich überwunden. Aber eigentlich bist du ja frei vom Bösen. Eigentlich bist du frei dazu, geduldig zu sein und freundlich. Und doch bist du es nicht.
Andere sind es auch nicht. Doch das ist kein Trost. Das ist eine Herausforderung. Weil mein Kollege mir vorwirft, dass ich jetzt abziehe in den Urlaub und ihn mit dem, was zu tun ist, allein lasse.
Und mein Nachbar, der mit allen in der Straße irgendwie Streit hat, sucht und findet jetzt auch bei mir den Baum, der zu weit über den Bürgersteig ragt.
Da kribbelt das Böse und die Wut steigt auf und ich setze mich hin und schreibe dem Nachbarn mal einen Brief, der sich aber mal so was von gewaschen hat.
Und dem Bösen fällt ein, was ich alles für den Kollegen schon getan habe, während er immer nur Kaffee trinkt, und der soll jetzt mal schön ruhig sein und in Zukunft kann er seinen Dreck gefälligst allein erledigen.
Schon hat das Böse mich überwunden. Aber eigentlich bin ich ja frei dazu, das Böse zu überwinden. Zumindest das eigene Böse.
Das eigene Böse, das kann ich überwinden. Ich bin frei dazu, geduldig zu sein mit dem Nachbarn und ihm einen Korb mit den Pflaumen zu bringen, die ich vom Baum geerntet habe.
Ich bin auch frei dazu, freundlich zu sein zum Kollegen und ihm anzubieten, dass wir gemeinsam überlegen, was von der Arbeit liegen bleiben kann bis nach dem Urlaub.
Und schon habe ich das Böse überwunden. Zumindest das eigene Böse. Was der andere tut, das habe ich nicht in der Hand. Das ist die Sache zwischen ihm und seinem Bösen.
Kann ja sein, dass der Nachbar keine Pflaumen mag und weiter auf Streit besteht mit mir. Kann auch sein, dass der Kollege alle Arbeit unbedingt allein erledigen will und erst mal nicht mit mir spricht.
Es ist aber auch möglich, dass der Nachbar mich zu Kaffee und Pflaumenkuchen einlädt und der Kollege die Akten zur Seite schiebt und mir einen schönen Urlaub wünscht.
Weil sie gesehen haben: Ich spiele nach anderen Spielregeln. Ich lasse den anderen nicht als Feind gelten. Ich suchen den Frieden.
Ich versuche, das Böse zu besiegen mit Gutem, weil ich frei bin vom Bösen und auch frei zum Guten.
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