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Es werden Posts vom November, 2013 angezeigt.

Dieses Ende ist auch ein Anfang

Eigentlich ist dieser Morgen viel zu klar und zu hell für den Tag heute. Eigentlich müsste er grau und trüb sein. So wie sich der November eben in der Regel zeigt: Kahl und verhangen. Die Natur zieht sich zurück, die feuchte Kälte kriecht in die Knochen. Der November – er stößt darauf, wie vergänglich das Leben ist. Er führt Ihre Wege heute hierher. An die Gräber derer, von denen Sie sich hier in der Kirche verabschieden mussten. Dieser Weg ist ein schwerer Weg. Es schmerzt, mich an das Sterben und den Tod eines Menschen zu erinnern, den ich verloren habe. Egal, ob der Abschied nun erst ein paar Wochen zurückliegt, einige Monate oder gar schon Jahrzehnte. Ob die Wunden schon vernarbt sind oder noch ganz frisch: Es macht neu und wieder traurig, dass er, der mir lieb war, nicht mehr bei mir ist; dass sie, die zu mir gehörte, mir fehlt. Es gibt Menschen, die vor dem grauen November hier an der Nordsee fliehen. Wie Zugvögel machen sie sich in den Süden auf, um ein wenig Wärme und Licht zu

Maria klingelt bei Martha

Maria stößt die Gartenpforte auf. Sie quietscht noch immer. Es ist ein vertrauter Ton. Jetzt erschreckt er sie. Lange hat sie ihn nicht mehr gehört. Sie wendet sich um und drückt die Tür vorsichtig ins Schloss. Sie schaut zum Haus hin. Es ist niemand zu sehen. Aber ein blaues Licht flackert hinter einem Fenster. Ihr ist, als würde sich die Gardine bewegen. Martha lässt den weichen Stoff los und tritt einen Schritt ins Dunkel des Raumes zurück. Ihr Herz schlägt zu schnell, die Hände werden feucht. Sie schaut auf die Frau, die mit langsamen Schritten auf das Haus zugeht. Maria bleibt auf dem Plattenweg stehen und wischt sich einen Regentropfen von der Stirn. Sie will den Weg ums Haus zur Hintertür laufen. Sie zögert einen Augenblick. Dann geht sie auf den Vordereingang zu. Martha blickt sich um. Sie packt den Stapel Wäsche, den sie schon zusammengelegt hat, und trägt ihn ins Schlafzimmer. Dann räumt sie die Zeitungen vom Tisch auf das kleine Regal neben dem Fernseher. Zwei Frauen streite

Ihr seid dran mit dem Wunder

Der Opfer von Krieg und Gewalt zu gedenken – das ist ein wenig, als würde man einen Stein ins Wasser werfen, der immer weitere Kreise zieht. Wir können bei den Opfern aus unserer Kirchengemeinde beginnen. In dem Buch auf dem Pult in der Vierung sind ihre Namen aufgeschrieben und ihre Bilder bewahrt. 44 junge Männer waren es im ersten Weltkrieg. 123 dann im zweiten Weltkrieg. Sie tragen die Namen der Familien, die heute noch hier leben. An viele von ihnen werden Sie sich erinnern. Wir können fortsetzen mit den Vertriebenen und Flüchtlingen, die aus Pommern und Ostpreußen oder auch Hamburg nach Föhr kamen. Die Einwohnerzahl von Wyk etwa verdoppelte sich von nicht ganz 3.000 im Jahr 1939 auf mehr als 6.000 im Jahr 1947. Manche von Ihnen, die heute hier sind, gehören zu denen, die damals auf die Insel kamen und blieben. Wir können und müssen die Kreise aber noch viel weiter ziehen. 3,25 Millionen deutsche Soldaten fielen im Zweiten Weltkrieg. 3,8 Millionen deutsche Zivilisten starben. Und

Nun wartet draußen unser Nächster

Als die Synagogen brannten, blieb die Kirche stumm. Kein einziger Bischof, keine Kirchenleitung wurde zum Anwalt der verfolgten Jüdinnen und Juden. Bereits drei Jahre später schrieb Dietrich Bonhoeffer: „Durch ihr eigenes Verstummen ist die Kirche schuldig geworden an dem Verlust an verantwortlichem Handeln, an Tapferkeit des Einstehens und der Bereitschaft, für das als recht Erkannte zu leiden.“ Und er fragt: „Ist das zuviel gesagt? War denn nicht die Kirche nach allen Seiten gehindert und gebunden? Stand nicht die ganze weltliche Gewalt gegen sie? Durfte denn die Kirche ihr Letztes, ihre Gottesdienste, ihr Gemeindeleben gefährden, indem sie den Kampf mit den antichristlichen Gewalten aufnahm? So spricht der Unglaube.“ Die Kirche blieb stumm. Ein paar Pastoren aber sagten, was zu sagen war. Gleich nach den Übergriffen gingen sie auf das unglaubliche Geschehen ein. Zu ihnen gehörte Helmut Gollwitzer, damals Pastor in Berlin-Dahlem. So beginnt er seine Predigt am Buß- und Bettag, dem 16