Trachten machen Menschen

Foto: Landestrachtenverband Schleswig-Holstein (via Facebook).
Kleider machen Leute, heißt es. Und Trachten machen Menschen.
Das wusstet ihr natürlich längst. Ihr tragt sie ja oft genug.
Wir haben das erst gelernt. Als wir auf die Insel kamen. Bei der ersten Konfirmation, die wir hier miterlebt haben.
Die Insulaner wissen Bescheid. Den Nicht-Insulanern müssen wir das erklären.
Die Jungen ziehen zur Konfirmation einen dunklen Anzug an. Und blanke Schuhe. Schick sehen sie damit aus und festlich. Manche ziemlich cool, die Hände in den Hosentaschen.
Die Mädchen tragen fast alle zur Konfirmation Tracht. Zum ersten Mal die Festtagstracht mit der weißen Schürze. Manche auch das erste Mal Tracht überhaupt.
Früh müssen sie aufstehen, um angekleidet zu werden. Mit Pai und Schürze und Schultertuch und Kopftuch und Schmuck und allem, was dazugehört.
Dann kommen sie zur Kirche und sind verwandelt. Aus den Mädchen sind Frauen geworden. Aufgeregt und ein wenig unsicher, aber vor allem: glücklich und stolz.

Kleider machen Leute. Trachten machen Menschen. Den Unterschied, den kann man sehen.
Da läuft einer in einem Anzug herum, der sonst immer Jogginghosen anhat. Und bei jedem Schritt ist zu erkennen, dass er lieber die Jogginghosen anhätte statt des Anzugs.
Das sagt weder etwas gegen den Anzug noch gegen ihn selber. Es sagt nur: Der Anzug und er passen nicht zueinander. Nicht so jedenfalls wie er und die Jogginghosen.
Da hat eine die Tracht angezogen. Die ersten Schritte tut sie noch wie immer. Dann wird der Gang aufrechter und das Lächeln offener.
Etwas hat sich verändert. Was das ist, kann sie gar nicht sagen, wenn man sie fragt. Aber das Leben fühlt sich anders an in der Tracht. Erwachsener, könnte man sagen. Wenn das meint: Gewichtiger, ernster.

Trachten machen Menschen. Bei Jesus ist es eine Tracht aus Licht.
Er steigt auf einen Berg. Zusammen mit drei Freunden. Was er dort erlebt, ist vielleicht so etwas wie seine Konfirmation.
Seine Kleider werden strahlend weiß wie Licht. Sein Gesicht beginnt zu leuchten wie die Sonne.
Er hört eine Stimme, die über ihn spricht: „Das ist mein Sohn, ihn habe ich lieb.“
Die drei Freunde sehen und hören das ebenso. Sie sehen es auch noch, als es längst vorüber ist und Jesus so vor ihnen steht, wie sie mit ihm auf den Berg heraufgestiegen sind.
Aber ich stelle mir vor: Jesus ist nicht mehr derselbe. Die Tracht, das Kleid aus Licht, hat ihn verwandelt.
Die Stimme hat ihn verwandelt: „Du bist mein Sohn, dich habe ich lieb.“
Mit jedem Schritt, den er vom Berg heruntergeht, kehrt der Alltag näher. Aber die Stimme klingt im Ohr nach. In seinen Augen strahlt immer noch etwas von dem Licht.
Was er mit sich nimmt wie ein Gewand, das er umgeworfen hat, ist ein Segen. Das Versprechen, dass gut wird, was ihm begegnen wird.
Gut in dem Sinn, dass es sich einfügt in sein Leben. Und gut in dem Sinn, dass Gott ihn in allem bewahrt.

Man müsste das können: Sich den Segen, also: Gottes Versprechen, einfach so anziehen.
So ähnlich, wie wir das mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden gemacht haben vor zehn Tagen.
Wir waren gemeinsam in der Kirche. Gesungen haben wir dort und gebetet auch, natürlich.
Außerdem haben die, die wollten, einmal einen Talar in schwarz übergeworfen: Wie fühlt es sich an, so ein Gewand zu tragen?
Hilfe beim Anziehen braucht man zunächst, um mit den Ärmeln und den Knöpfen zurecht zu kommen. Aufpassen muss man dann beim Gehen, so lang, wie der Talar ist.
Aber wenn du es tust, den Talar anziehen und zuknöpfen und mit ihm umhergehen, dann fühlt es sich besonders an.
Viel Raum bietet er dir, der Talar, eine Weite, in der du fast geborgen ist. Sie schützt dich. Gemütlich fühlt es sich an. Und irgendwie auch heilig.
Heilig ist, was zu Gott gehört. Und heilig ist, wer zu Gott gehört.
Dazu braucht es keinen Talar. Zu Gott gehörst du auch so.
„Du bist mein Kind, dich habe ich lieb.“ Gott sagt es. Zu allen und zu jedem ganz besonders. Ohne wenn und aber.
Aber es braucht etwas, um das zu spüren. Ein Licht aus Kleid womöglich. Einen Talar vielleicht. Oder eine Tracht.

Bei der Föhrer Tracht zum Beispiel gibt es den Brustschmuck. Aus Silber ist er, in den Familien oft von einer Generation an die nächste vererbt.
Schwer sind die zehn bis zwölf Knöpfe und die Gliederkette aus drei bis vier Reihen.
Und in der Mitte dieser Gliederkette und auch an sie angehängt zieren sie drei Symbole: Kreuz und Herz und Anker. Oder: Glaube und Liebe und Hoffnung.
Natürlich ist das Schmuck. Dem Menschen, der ihn trägt, zur Zier. Aber doch auch Gott zur Ehre. Ein kleines Bekenntnis. Oder ein Gebet um Glaube und Liebe und Hoffnung.

Glaube soll mir geschenkt werden. Daran, dass mein Leben getragen wird. Von Menschen, die um mich sind an guten wie an schlechten Tagen. Von Gott, der mit mir durch die dunklen Täler geht und über die grünen Wiesen.
Liebe soll mir geschenkt werden. Zu dem Leben, das ich leben darf. Zu den Menschen, die darauf setzen, dass ich mich ihnen freundlich zuwende. Zu Gott, der darauf wartet, dass ich mich an ihn wende.
Hoffnung soll mir geschenkt werden. Darauf, dass mein Leben Sinn macht. Weil andere Menschen sich mit ihm verbinden. Weil Gott sich mit ihm verbindet – auch über die Zeit meines Lebens hier hinaus.

Wir wissen nicht, ob ihr Föhrerinnen das dachtet, als ihr heute morgen eure Tracht angezogen habt.
Aber vielleicht erinnert ihr euch ja beim nächsten Mal: Glaube und Liebe und Hoffnung ist das Kleid, das ihr anhabt.

Predigt zum Landestrachtenfest, Sonntag, 16. Juli -- Kirsten Hoffmann-Busch & Philipp Busch

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