Segnen befohlen
Die Evangelische Kirche in Deutschland
zählt jedes Jahr ihre Schäfchen. Jetzt hat sie erfreut die
Statistiken für 2016 vorgelegt.
Danach gab es im vergangenen Jahr mehr
Taufen und Aufnahmen in die evangelische Kirche hinein als Austritte
aus ihr. Mehr gefundene also als verlorene Schafe.
Für die Zahlenfreunde unter Ihnen:
190.000 Austritten stehen 180.000 Taufen und 25.000 Aufnahmen oder
Wiedereintritte gegenüber. Macht einen Überschuss von 15.000
Schafen.
Wären Sie jetzt spitzfindig, würden
Sie nach den Sterbefällen fragen. 340.000 waren das in 2016. Macht
einen Unterschuss von 325.000 Schafen.
Aber Sie sind ja nicht spitzfindig und
ich bin es auch nicht. Also freuen wir uns mit der EKD über die
erfreuliche Entwicklung.
Schließlich geht es ja darum: Schafe
suchen und Menschen gewinnen. Fragt sich nur: Wozu? Und wofür?
Die Frage nach dem Warum ist schnell
beantwortet. Die Kirche hat einen Auftrag. Stärker noch: Sie hat
einen Befehl. Einen Taufbefehl.
Jesus sagt:
„Mir ist alle Macht gegeben im Himmel
und auf Erden. Geht nun zu allen Völkern und macht die Menschen zu
Jüngern. Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des
Heiligen Geistes. Gebt ihnen die Weisungen weiter, die ich euch
gegeben habe, und helft ihnen, danach zu leben. Und seid gewiss: Ich
bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.“
(Matthäus 28,16-20 - nach Jörg Zink.)
(Matthäus 28,16-20 - nach Jörg Zink.)
Das Matthäusevangelium erzählt diese
Worte als Abschiedsworte. Jesus spricht sie, als seine Freunde und er
einander noch einmal begegnen. Auf dem Berg in Galiläa, zu dem Jesus
sie bestellt hatte.
Es ist nach dem Schrecken seines Todes
am Kreuz – und nach dem noch größeren Schrecken, dass er den Tod
überlebt hat. Einfach so. Weil Gott es wollte.
„Mir ist alle Macht gegeben im Himmel
und auf Erden“, sagt Jesus da.
Alle Macht, tatsächlich, die Jünger
habe es gesehen, wir haben davon gehört.
Er lässt Lahme gehen, Blinde sehen,
Taube hören. Er macht Hoffnungslosen Hoffnung. Er zeigt Verirrten
neue Wege. Er befreit Schuldige aus ihrem Netz. Er schüttelt die
Last des Todes ab.
Einfach so. Weil Gott es wollte. Er hat
ihm diese Macht gegeben. Und Jesus hat sie reichlich genutzt.
Aber was wird jetzt aus ihr, wenn er
geht. Und aus den Menschen, die auf sie angewiesen sind?
„Geht nun zu allen Völkern und macht
die Menschen zu Jüngern.“ So sagt Jesus.
Ganz einfach also: Macht ihr weiter mit
der Macht. Alle Menschen sollen es hören, dass sie bei Gott Macht
finden. Die Macht, die Leben schenkt und es zu einem Fest macht. Die
heil macht, was zerbricht, und schön, was krumm ist.
Alle sollen es hören. Die Macht ist
nicht euer Privatbesitz. Dein Glaube ist nicht deine Privatsache.
Woran ich mich im Leben und Sterben
festhalte, das muss doch auch anderen ein Halt sein können. Worauf
ich im Unglück und Glück baue, darauf müssen doch auch andere
bauen können.
Was dir lieb und heilig ist, musst du
doch mit anderen teilen. Du kannst doch davon nicht schweigen, wovon
dir das Herz voll ist. Du musst es ihnen doch mitteilen.
Mitgeteilter Glaube ist doppelter
Glaube. Oder kann es werden. Ob die, denen ich mit meinem Glauben
begegne, ihn tatsächlich teilen – das liegt nicht in meiner Hand.
Das liegt an Gottes Stimme und den Ohren der anderen.
Aber ich kann doch Gott für den Anfang
meine Stimme leihen. Damit die anderen schon mal ahnen, wie Gottes
Stimme klingen könnte. Und nach ihr lauschen in den Geräuschen des
Alltags.
Gott seine Stimme leihen – Jörg
Sollbach tut das mit seinen Liedern. Als Pastor tue ich das auch. Und
ich tue es gern. Meinen Glauben in Worte fassen. Immer wieder neu.
Aber noch lieber ist es mir, wenn mir
andere auf der Straße oder auf dem Sofa von ihrem Glauben erzählen.
Davon, wie er ihren Alltag bunt und ihre Feste rund macht.
Jede Geschichte sagt mir: Schau hin und
hör zu. So kannst du Vertrauen leben. Und Segen entdecken.
„Tauft die Menschen auf den Namen des
Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ So sagt Jesus.
Auch da liegen Segen und Vertrauen drauf.
Jedes Mal, wenn wir das tun. Wenn wir
einen Menschen taufen, einen kleinen oder einen großen.
Es liegt Segen drauf, wenn wir ihn und
er sich selber Gott und seiner Macht anvertrauen.
Eltern, die ihr Kind zur Taufe bringen,
zählen darauf, dass Gottes Güte sich über ihm breitet, so weit der
Himmel ist. Und wer selber kommt, vertraut darauf, dass Gottes Macht
stärker ist als alles andere, was ihm im Leben begegnet.
Also werden kleine und große Menschen
hineingestellt in den Segen Gottes. Und sie werden hineingestellt in
die Gemeinschaft der Glaubenden.
Wir haben gemeinsam das
Glaubensbekenntnis gesprochen. Als Menschen aus ganz verschiedenen
Orten, mit ebenso verschiedenen Arten und Weisen an Gott zu glauben.
Aber wenn wir das tuen, auswendig und
mit anderen in einer Gemeinde das Glaubensbekenntnis sprechen –
dann wird es wie ein großes Dach.
Keiner von uns muss es mit seinem
kleinen Glauben allein tragen. Jeder von uns kann es an einer Stelle
mittragen und mithalten. So finden alle unter dem Dach Platz, das wir
gemeinsam und füreinander tragen.
Und wir machen fröhlich Platz, damit
jeder, der mag, auch unter dieses Dach schlüpfen und es dann an
seinem Ort und in seiner Art mittragen kann.
„Gebt den Menschen die Weisungen
weiter, die ich euch gegeben habe, und helft ihnen, danach zu leben.“
So sagt Jesus.
Früher nannte sich das einmal
Kirchenzucht. Manchmal ist das ja auch heute noch so: Dass einer sehr
genau weiß, wie der andere lebt und was daran falsch ist.
Und dass er sehr genau weiß, wie der
andere leben sollte, damit es richtig wird. Also gibt er ihm
ungefragt Weisungen.
Die hat Jesus auch gegeben. Aber nicht
ungefragt. Die Menschen kamen zu ihm und wollten wissen: Wie sollen
wir leben und glauben und beten? Und Jesus hörte ihnen zu und gab
ihnen eine Antwort.
Manche gingen dennoch traurig weg. Weil
ihnen die Antwort mehr abverlangte, als sie geben konnten oder
mochten.
Sie wussten: Jesus ist es ernst mit
ihnen und ihrem Leben. Sie wussten bloß nicht, ob sie es auch so
ernst nehmen sollten.
Das wäre doch eine Gemeinde: Wo einer
Rat sucht bei einem anderen, Weisung aus einer Sackgasse. Wo der ihn
dann ernst nimmt und ihm zum Wegweiser wird.
Und mehr noch womöglich: Wenn er ihn
bei der Hand nimmt und die ersten Schritte in die richtige Richtung
mit ihm geht.
Für den ganzen Weg eines Menschen kann
aber keiner verantwortlich sein. Selbst die eigenen Kinder müssen
oder dürfen schneller, als man denkt, ihren Weg allein gehen.
Aber was heißt allein. Die Eltern
lassen die Hand des Kindes los. Im Kindergarten. Am Eingang der
Schule. Beim Abschied an der Fähre.
Dann liegt die Hand des Kindes in der
Hand eines anderen. Sagt Jesus. Verspricht er:
„Und seid gewiss: Ich bin bei euch
alle Tage bis an das Ende der Welt.“
Für dieses Versprechen steht der
Segen, den in der Taufe über einem gesprochen wird. Und dafür steht
auch der Segen, den wir am Ende eines Gottesdienstes zusprechen.
Er sagt: Dein Leben macht Sinn, weil
Gott es so will. Du kannst im Vertrauen auf diesen Segen deinen Weg
gehen.
Wo du dich bewegst, bewegst du dich
unter dem weiten Himmel von Gottes Segen.
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