Gute Nachrichten

Heiligabend ist es wieder so weit. Die Bild-Zeitung erscheint mit einer Sonderausgabe. Sie veröffentlicht nur gute Nachrichten.
Seit 2002 ist das alle Jahre wieder so. 2012 zählte zum Beispiel diese Schlagzeile dazu: „Feuer in Kinderheim. Wegen Weihnachten wird niemand verletzt“ – wunderbarerweise sind fast alle Heimkinder schon zum Weihnachtsbesuch bei ihren Eltern, als der Brand ausbricht. Ebenso gehört die Nachricht dazu, dass Robert Förstemann und seine Frau Jenni ihren Sohn Noah erwarten – zwar erst am 19. Januar, aber vielleicht kommt er ja schon am Heiligen Abend.
Was für die Bild-Zeitung eben gute Nachrichten sind, mögen Sie sagen. Und Recht haben Sie ja. Dennoch: Die Idee hat etwas Verlockendes: Einen Tag mal nur die guten Nachrichten lesen. Die Welt ist doch gar nicht so schlimm, wie sie sonst immer geschrieben wird.

„Was schade“, würden die Autoren einer Internetseite unter der Adresse www.gutenachrichten.org dazu sagen. Auch wenn ihre Internetseite so heißt, interessieren sie sich eher für die schlechten Nachrichten. Sie halten nämlich jede schlechte Nachricht für eine gute Nachricht.
Die Internetseite gehört einer kleinen Freikirche. Die wartet auf das Ende dieser Welt und den Anbruch von Gottes neuer Welt. Jede schlechte Nachricht ist deshalb eine gute Nachricht: Sie bringt diese Welt einen kleinen Schritt ihrem Ende entgegen und Gottes neue Welt kommt um genau diesen kleinen Schritt näher.

Eine gute Nachricht – so könnte auch ein Abschnitt aus dem Buch des Propheten Jesaja überschrieben sein.

Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König!Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und rühmen miteinander; denn alle Augen werden es sehen, wenn der HERR nach Zion zurückkehrt. Seid fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der HERR hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst.Der HERR hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.
(Jesaja 52,7-10 -- www.die-bibel.de)

Vielleicht können Sie es mit dem inneren Auge sehen, was Jesaja erzählt.
Auf einem Hügel erscheinen drei Boten. Sie können schon die Stadt sehen, zu der sie unterwegs sind. Sie springen auf und ab, sie winken mit den Armen, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie wissen: Noch kann niemand in der Stadt sie hören. Und doch rufen sie, so laut sie können: Sie kommen. Sie sind unterwegs. Dann laufen sie weiter, den Hügel hinunter, ins Tal.
Die Wächter auf der Stadtmauer haben sie entdeckt. Sie ahnen: Die da kommen, kommen mit einer guten Nachricht. Die laufen so freudig und beschwingt. Tatsächlich. Als sie in Rufweite sind, rufen sie wieder laut: Sie kommen. Sie sind unterwegs.
Die Wächter verstehen sofort, worum es geht. Sie drehen sich um und rufen es in die Stadt hinein. Sie kommen, sie sind unterwegs. Und schnell wie ein Gerücht breitet sich die gute Nachricht über die Trümmer aus. Weißt du schon? Sie kommen. Hast du gehört? Sie sind unterwegs.
Als die Boten in der Stadt sind, werden sie sofort umringt. Wieder und wieder müssen sie es erzählen. Ja, sie haben sie selber gesehen. Viele sind es. Frauen und Kinder. Auch die Männer. Manche habe sie wiedererkannt. Mit andeern haben sie sogar gesprochen.
Jubel brandet auf. Die Menschen singen und tanzen. Sie loben Gott. „Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.“ Er bringt die Vertriebenen aus Babylon zurück nach Israel. Und dann wird er auch Jerusalem wieder aufbauen.
Die Freude bricht sich Bahn. Und nichts kann sie aufhalten. Die gute Nachricht schwemmt alle Schwermut und allen Zweifel hinweg. Jetzt ist die Zeit des Heils und des Jubels.
Die da mit ihrer guten Nachricht zurück kommen – das könnten die Hirten auf dem Feld sein.
Die sind doch auch losgezogen, in jener Nacht, die übermorgen wieder anbricht. Der Engel hat sie losgeschickt: „Fürchtet euch nicht, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird.
Die Hirten haben sich gefürchtet und sind doch losgegangen, um die Geschichte zu sehen, die ihnen der Herr kundgetan hat. „Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe.“
Schließlich kehrten sie „wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.“
Jedem, dem sie begegneten, riefen sie es schon weitem entgegen und sagten es ihm auch ins Gesicht: „Freuet euch in dem Herrn alle Wege. Der Herr ist nahe.“

Das war, das ist eine gute Nachricht. Eine die sich nicht verliert. Die im übrigen sogar in der weihnachtlichen Sonderausgabe der Bild-Zeitung steht: Die ganze Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium wird dort abgedruckt. In der Internet-Variante mit dem Zusatz: „BILD.de stellt sich in die wunderbare Tradition, die Geschichte von der Geburt des kleinen Jesuskindes weiterzutragen.“ Für Sie zum Ausdrucken und Vorlesen.
Stellt sich die Frage: Wozu tun die das? Wozu drucken die in der Bild-Zeitung die Weihnachtsgeschichte? Wozu machen die eine Ausgabe nur mit guten Nachrichten?
Kai Diekmann, der Chefredakteur, sagt dazu: „Gerade in Zeiten der Krise ist Optimismus der beste Ratgeber. Schwarzmalerei hilft nicht weiter und bringt uns alle nicht voran. Die BILD-Zeitung will einen Beitrag dazu leisten und den Menschen Mut machen.”
Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Ganz davon abgesehen, dass die Bild-Zeitung und alle Medien vom Verkauf schlechter Nachrichten leben: Der Chefredakteur der Bild-Zeitung scheint seinen eigenen guten Nachrichten nicht zu glauben.
Sie sollen in Zeiten der Krise Optimismus verbreiten? Das lese ich so: Es ist Krise, eigentlich müsste er, um der Wahrheit Genüge zu tun, schlechte Nachrichten schreiben lassen. Aber er verzichtet einmal darauf, damit es den Menschen besser geht, jetzt, wo Weihnachten ist.
Als gäbe es keinen Streit mehr, wenn ich von ihm schweige. Als wäre überall Frieden, wenn ich nur vom Frieden schreibe.
Die guten Nachrichten sind nichts weiter als ein viel zu kurzes Deckmäntelchen, das er über die Krise legen will. Opium fürs Volk, damit es wenigstens an Weihnachten sich gut fühlt.

Die Internetseite der kleinen Freikirche unter der schönen Adresse www.gutenachrichten.org würde es genau anders herum machen: Sie würde die schlechten Nachrichten noch zuspitzen. Hinter jeder Schreckensmeldung würde sie gleich die apokalyptischen Reiter entdecken, die das Ende der Welt bringen: Klimaerwärmung? Zeichen des Weltendes. Tsunami? Vorgeschmack auf das Gericht Gottes.
Nur eine schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht. Weil sie davon kündet, dass diese Welt bald an ihrem schrecklichen Ende ist und Gott dann seine schöne neue Welt errichtet. In der die Vereinte Kirche Gottes, ein schönes Ehrenplätzchen bekommt. Zu dieser neuen Welt will ich nicht gehören.

Ich bin unzufrieden mit diesen Arten von guten Nachrichten.
Ich möchte kein Deckmäntelchen, wie es die Bild-Zeitung liefert. Das Leid in der Welt schreit auch an Weihnachten zum Himmel. Deshalb muss es auch dann in der Zeitung stehen.
Natürlich lese ich lieber von der heilen Welt und vom Frieden auf Erden. Aber die Welt ist so, wie sie ist. Und nicht so, wie ich sie will. Ich kann sie nicht schönschreiben.
Aber ich kann versuchen, sie zu verändern. Und dazu muss ich die Finger in die vielen, vielen Wunden legen. So kann sich eine schlechte Nachricht in eine gute verwandeln: Wenn sie Menschen aufrüttelt, sich gegen das Schlechte und für das Gute einzusetzen.
Und deshalb möchte ich auch keine Schreckensszenarien, die in einer Katastrophe Gottes Willen entdecken wollen, der Welt ihr Ende zu setzen.
Leid ist nie ein Baustein in einem wie auch immer gearteten Plan Gottes. Jedes Leid ist ein Schlag, der auch Gott trifft. Das Leid in der Welt schreit zum Himmel. Und es verhallt dort nicht ungehört.

Jesaja erzählt genau davon. Er sieht die Freudenboten, die endlich mit der guten Nachricht kommen. Auch wenn er sie vielleicht nur vor seinem inneren Auge sieht, lange bevor sie wirklich kommen.
Aber die Menschen warten auf die Freudenboten. So lange Jahre leben sie jetzt in der zerstörten Stadt. Das Leben hat wohl wieder so etwas wie einen Alltag gefunden. Aber in ihm stolpern sie immer wieder über die Trümmer, die der Krieg mit Babylon dort hinterlassen hat. Schmerzhafter noch als die Lücken in der Häusermauern sind die Lücken bei den Menschen: Es fehlen, die vertrieben wurden.
Die Menschen sehnen sich danach, dass ihr Leben endlich heil wird. Die Trümmer sollen zu einer ganzen Stadt werden. Und die Lücken sollen sich schließen, die die verschleppten Menschen hinterlassen haben.
Genau davon reden die Freudenboten. Die Trümmer werden aufgeräumt. Die Menschen kehren zurück. Weil Gott kommt.
Das ist die entscheidende Nachricht, die aus ihrer Botschaft eine gute Nachricht macht: Gott kommt.
Diese gute Nachricht unterscheidet sich von den guten Nachrichten der Bild-Zeitung und auch von den Endzeitphantasien auf www.gutenachrichten.org.
Gott kommt. Ich muss kein Deckmäntelchen über die Trümmer decken, um sie wenigstens heute einmal nicht zu sehen. Ich muss nicht auf das Ende dieser Welt hoffen.
Gott kommt. Ich kann die Trümmer klarer sehen als sonst. Ich kann auf das sehen, was schlecht ist in der Welt. Und zugleich kann ich für diese Welt hoffen.
Gott kommt. Er packt an und räumt die Trümmer weg. Nur dann, wenn sie einer wegräumt, sind die Trümmer ja weg.
Gott kommt. Er kommt in diese Welt. Denn er hat mit ihr noch etwas vor. Die Schöpfung ist noch nicht fertig.

Jesaja erzählt genau davon. Auch Weihnachten erzählt davon: Gott kommt in die Welt. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: Er wird ein Mensch. Nicht von dieser Welt vielleicht, aber doch ganz in dieser Welt. Weil er Teil der Welt und bei den Menschen sein will. Weil er mit uns noch etwas vor hat.
Ich kann die Freudenboten schon sehen, die mit dieser Nachricht kommen. Aber noch sind sie unterwegs. Erst übermorgen können wir sie hören.
Bis dahin sage ich:
Freuet euch in dem Herrn alle Wege. Und abermals sage ich: Freuet euch. Der Herr ist nahe!

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