Von diesem Kind geht ein Geheimnis aus

Alle Jahr wieder staune ich über den Zauber, der von Weihnachten ausgeht. Eine besondere Stimmung erfasst mich jedes Mal.
Eine leise Ahnung wacht bei mir schon auf, wenn die ersten Schokoladenweihnachtsmänner in den Läden stehen. Auch wenn sie Weihnachten viel zu früh ankündigen, muss ich doch lächeln: „Ach ja, bald ist es wieder so weit.“
Nach dem Ewigkeitssonntag beginnt dann das Vorbereiten. Der Adventsschmuck zieht in unsere Wohnung ein. Es duftet mitten in der Nacht nach frisch gebackenem Stollen. Ich suche nach fremden und eigenen Weihnachtswünschen.
Langsam wächst die Sehnsucht nach dem Frieden, den die Weihnachtstage ausstrahlen. Das hat auch mit der Hektik zu tun, die im Advent überall ausbricht. Mit all den Dingen, an die zu denken ist und die noch schnell zu erledigen sind.
Bei manchen von Ihnen mischen sich in die Sehnsucht vielleicht auch Fragen: Wie wird dieses Weihnachten werden? Ohne den geliebten Menschen, der gestorben ist? Ohne die Kinder, die in diesem Jahr weit weg sind?
Bei anderen wieder bringt die Vorfreude die Herzen zum Hüpfen: Wie wird es schön werden, wenn es erst so weit ist und wir uns gegenseitig beschenken, gemeinsam essen und zusammen spielen.
Und dann kommt der Tag. Die Zeit scheint still zu stehen, wenn die letzten Vorbereitungen getroffen sind und der Baum geschmückt ist. Es beginnt das große Warten. Die einen tun es mit mehr, die anderen mit weniger Geduld.
Das Warten weicht schließlich der Freude. Sie bricht sich bei mir Bahn, wenn ich hier im Gottesdienst die Weihnachtslieder singe. Sie entzündet sich hoffentlich auch bei Ihnen an den Kerzen, die hier leuchten und nachher bei Ihnen zu Hause.
Dann endlich staunen wir über den Zauber, der von Weihnachten ausgeht und unsere Herzen füllt.

So feiern wir dann verzaubert dieses Fest, wir feiern das Wunder der Geburt, das Maria und Josef an ihrem Weihnachten erlebten. Ich stelle mir vor, dass es den beiden mit der Geburt ihres Sohnes erging, wie wir es mit dem alle Jahre wieder nahenden Weihnachten erleben.
Wie unser Fest kündigt sich die Geburt von Marias Kind lange Zeit vorher an. Der Engel bereitet Maria vor: „Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen.“ Das Leben, das in Maria heranwächst, macht sich früh bemerkbar.
Zunächst erahnt sie es nur aus kleinen körperlichen Veränderungen. Aber von Woche zu Woche wird das neue Leben für sie spürbarer und auch für Josef sichtbar. Irgendwann beult sich Marias Bauch, weil das Kind sich in ihr bewegt und strampelt.
Spätestens dann beginnt für beide das innere und äußere Vorbereiten auf die Geburt. Maria legt Windeln und Tücher bereit, der Zimmermann Josef baut eine Wiege zusammen.
Einen Namen brauchen sie nicht zu suchen, den hat der Engel Maria ins Herz gelegt: Jesus soll das Kind heißen. Gott rettet, bedeutet das.
Immer wieder aber stellen sich beide die Frage: Wie wird es wohl werden, dieses Kind? „Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden“, hatte der Engel gesagt.
So steigt bei beiden mit jedem Tag die Sehnsucht danach, das Kind endlich in den Armen zu halten, ihm ins Gesicht zu schauen, es zärtlich zu streicheln.
Dann aber bricht Hektik aus: Die kaiserliche Idee, das Volk zählen zu lassen, schickt die beiden auf die Reise nach Bethlehem. Alle Geburtsvorbereitung ist hinfällig.
Manchmal macht sich auch Angst breit: Wo wird das Kind zur Welt kommen? Wie wird es Maria bei der Geburt ergehen? Wird das Kind gesund sein? Wird es wirklich leben? Werden Maria und Josef ihm gute Eltern sein können?
Doch die Vorfreude vertreibt immer wieder alle bangen Fragen. Maria und Josef werden Eltern. Ein neues Leben soll ihnen geschenkt werden. Diesem Kind bringen sie schon in der Vorfreude ihre ganze Liebe.
Dann kommt der lange Moment, in dem die Zeit still steht. Maria bringt das Kind zur Welt. Sie kämpft sich durch die immer stärker werdenden Wehen. Irgendwann spürt und fühlt sie nichts anderes mehr. Josef hält sie fest und staunt. Er ist dicht dabei und zugleich weit weg.
Schließlich liegt das Kind bei der erschöpften Maria an der Brust. Josef staunt noch immer. Beide freuen sich – über das neue Leben, das ihres ganz und gar verändert.

So erleben Maria und Josef das Wunder der Geburt ihres Sohnes Jesus. Diese Geburt – sie ist der Grund, dass immer noch und alle Jahre wieder ein Geheimnis über der heiligen Nacht liegt, die wir feiern.
So sagen es Worte aus dem ersten Brief, den Paulus seinem Freund Timotheus schreibt:

„Unbestreitbar groß ist das Geheimnis, auf dem der Glaube beruht: Er erschien als Mensch in der irdischen Welt und wurde in sein Recht eingesetzt in der himmlischen Welt. Er zeigte sich den Engeln und wurde bei den Heiden verkündet. Überall in der Welt fand er Glauben und wurde in Gottes Herrlichkeit aufgenommen.“
(1. Brief an Timotheus 3,16 -- www.basisbibel.de)

Auch mit diesem Geheimnis, auch mit Jesus Christus, ist es wie mit unserem Weihnachtsfest.
Lange vorher schon kündigt es sich an. Von Generation zu Generation gaben sich die Menschen das Versprechen Gottes weiter: Er wird zu den Menschen kommen und ihnen ganz nah sein. Sie werden erleben, wie er Streit in Frieden beendet und wie er Zerbrochenes heil macht.
Nun, in dieser heiligen Nacht macht Gott sein Versprechen wahr. In dem Kind kommt er in die Welt.
Es gab Menschen, die auf das Versprechen vertrauten und sich auf Gott vorbereiteten. Bei allem, was sie taten, richteten sie sich danach, was anderen Menschen gut tat und was so auch Gott gut tat.
Andere Menschen drehten sich nur um sich selbst und um das, was ihnen selber gut tat – auch wenn es ihnen dabei überhaupt nicht gut ging.
Wie die Vorbereitung aussah, ist jetzt nicht mehr wichtig. Nun, in dieser heiligen Nacht kehrt Gott bei allen Menschen ein, den Vorbereiteten und den Unvorbereiteten.
Andere Menschen warteten voller Sehnsucht auf Gott. Immer wieder klagten sie Gott ihr Leid. Allein und verlassen fühlten sie sich, ohne Hilfe von einem zwar allmächtigen, aber unendlichen fernen Gott.
Nun, in dieser heiligen Nacht eilt Gott denen zur Hilfe, die ein zerschlagenes Gemüt haben.
Es gab auch Menschen, die in Hektik ausbrachen bei der Vorstellung, dass Gott kommen würde. Wenn sich hoher Besuch ankündigt, dann muss alles aufgeräumt sein und glänzen. So fingen sie an, die Fassaden dort zu streichen, wo Gott vermutlich lang kommen würde.
Nun, in dieser heiligen Nacht, richtet Gott sich häuslich hinter den Fassaden ein, in der Unordnung des Lebens.
Andere Menschen hatten Angst davor, dass Gott kommen würde. Womöglich würde alles anders werden und sie könnten nicht mehr so weiter machen wie bisher.
Plötzlich stünde ihre Art zu Leben in Frage und sie müssten ihre Gewohnheiten ändern und andere Dinge als bisher wichtig nehmen.
Nun, in dieser heiligen Nacht, macht Gott ihnen Mut, dass sie in seiner Nähe ein neues Leben wagen können.
Schließlich gab es auch Menschen, die voller Vorfreude mit Gottes Kommen rechneten. Sie lebten aus dem Glauben an den, der sie geschaffen hatte. Sie spürten in sich die Kraft, die ihnen aus seiner Liebe zufloss.
Nun, in dieser heiligen Nacht lässt Gott sie jubeln, denn er tritt sichtbar vor ihre Augen.

So steht in dieser heiligen Nacht die Zeit still, denn das Unerhörte geschieht: Gott kommt in dem Kind zur Welt.
Eben war er noch allmächtig, nun ist er schwach wie ein Kind. Fern und unerreichbar wurde er vermutet, nun kann ich ihn wie ein Kind in den Arm nehmen.
Ein grimmiges, strafendes Gesicht schien er zu haben, nun schaut er uns mit dem seelentiefen Blick eines Kindes an.
Von diesem Kind geht ein Geheimnis aus, das Geheimnis der Liebe: Voller Vertrauen und ganz selbstverständlich liebt uns das Kind. So liebt uns Gott.
Daraus entspringt die Freude dieser heiligen Nacht.

Ob Sie nun voller Sehnsucht auf Gott warten oder ihn ganz vergessen haben. Ob Sie sich vor einer Begegnung mit ihm fürchten oder sich in Vorfreude vorbereitet haben:
Ich wünsche Ihnen, dass Sie die Freude auf sie überschwappt, dass Gott in unsere Welt kommt. Ich wünsche Ihnen, dass Sie es spüren: Gott macht sein Versprechen wahr.

Er kehrt bei dir ein. Er eilt dir zur Hilfe. Er richtet sich bei dir häuslich ein. Er macht dir Mut zum Leben. Er bringt dich zum Jubeln. Denn Gott kommt und macht dein Leben heilig.

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