Der Kaufmann und die Perle und das Himmelreich

Es war einmal ein Kaufmann, der hatte ein Geschäft, in dem er allerlei Schmuck verkaufte, Ketten, Armreifen, Ohrringe. Wertvolles und weniger Wertvolles.
Er selber war immer auf der Suche. Auf der Suche nach der besonderen Perle, die einmalig schön und groß und echt war.
Immer wieder machte er sich auf die Reise und suchte bei anderen Händlern nach der einen Perle.
Und wirklich: Eines Tages fand er eine, die war schöner, größer und wertvoller als alle, die er bis dahin gesehen hatte. Und er wusste sofort: Die war es, die er haben musste.
Aber sie kostete ein Vermögen. Mehr als er sich leisten konnte. Mehr womöglich auch, als er besaß. Da ging der Kaufmann traurig nach Hause. Das war die Perle, nach der er gesucht hatte. Und er sollte sie nie bekommen.
Als er nach Hause kam, da wusste er, was er tun musste. Er verkaufte alles, was er hatte. Sein Haus, in dem er wohnte. Sein Geschäft und all den Schmuck, den er dorte hatte. Als er das getan hatte, zählte er zusammen, was er bekommen hatte. Und siehe da: Es reichte.
Also reiste er wieder zu dem Händler, legte alles Geld auf den Tisch und sagte: „Ich möchte die Perle haben.“ Und er legte sie in eine kleine Kapsel, wo sie gut geschützt war, und trug sie nach Hause.
Und wenn er nicht gestorben ist, so ist er noch heute glücklich. Denn er hatte die einzigartige Perle gefunden.


Ich hab' hier die Perle des Kaufmanns.
Das ist doch keine Perle, das ist nur eine große Murmel.
Na, in echt ist das natürlich keine Perle. Aber aus Spaß soll das jetzt mal die Perle sein, die der Kaufmann gesehen hat. Und du sollst jetzt mal aus Spaß der Kaufmann sein.
Das ist ja ein schöner Spaß. – Und wer bist du?
Ich bin der Händler, der die Perle verkauft.
Und was soll ich jetzt als der Kaufmann tun?
Du sollst mir sagen, ob du die Perle haben möchtest.
Ach so. Natürlich möchte ich die Perle haben. Ich hab' ja schließlich schon lange nach ihr gesucht. Und jetzt sehe ich sie und ich weiß: Das ist sie. Also muss ich sie auch haben.
Du willst sie haben? Du kannst sie haben. Aber du musst mir erst alles geben, was du hast.
Im Ernst oder aus Spaß?
Lenk nicht ab. Ich gebe dir die Perle, wenn du mir alles gibst, was du hast.
Naja. Ich weiß ja nicht, ob die Perle wirklich so viel …
Ach, du bist ein schlechter Kaufmann.
Wieso ein schlechter Kaufmann? Ich finde mich einen guten Kaufmann. Ich überlege erst und wäge ab, ob es sich lohnt.
Das meine ich ja. Der Kaufmann in der Geschichte, der überlegt nicht. Der wägt nicht ab, der wagt einfach.
Das ist ja auch etwas anderes. Das ist ja nur eine Geschichte.
Also nur Spaß und nicht Ernst?
So ungefähr.
Aber wie soll das werden, wenn du noch nicht mal aus Spaß alles geben willst?
Wie soll was werden?
Na, das mit dir und der Perle.
Dann sei du doch mal aus Spaß der Kaufmann, der die Perle haben will. Und ich bin der Händler, der sie verkauft.
Gute Idee. – Also los.
Achso, ich: Willst du die Perle haben?
Ja.
Dann will ich alles, was du hast.
Alles? Wirklich alles?
Ja, alles, wirklich alles.
Na gut.
Was: Na gut.
Na gut. Du bekommst alles.
Im Ernst? Du gibst mir alles, was du hast, um diese Perle zu bekommen? Warum denn das?
Weil die Perle es wert ist.
Woher weißt du das denn?
Ich weiß es einfach.
Dann weißt du mehr als ich.
Ja, so ist das. Manche wissen einfach mehr als andere.
Wie soll ich denn das jetzt verstehen?
Der Kaufmann in der Geschichte ist doch nicht blöd. Der will doch auch ein Geschäft machen. Und der weiß einfach: Die Perle ist es wert.
Aber woher weiß der das?
Das hast du eben doch selber gesagt. Er hat sein Leben lang diese Perle gesucht. Er hat sie vor seinem inneren Auge gesehen. Und jetzt sieht er sie in echt. Da weiß er sofort, dass sie es ist.
Aber selbst dann: Das ist doch verrückt, alles zu verkaufen, was er hat, um dafür diese Perle zu bekommen.
Was heißt hier: Nur. Die Perle ist alles, was er will.
Aber das ist doch das Verrückte.
Ich beneide den Kaufmann darum. Stell dir vor, du hast ein Leben lang nach etwas gesucht. Und dann findest du es plötzlich.
Ja, da bin ich schon glücklich, aber …
Es ist nicht nur irgendetwas, was du gesucht hast, sondern das, woran dein Herz hängt. Das, was dich unbedingt angeht.
Ich beginne zu ahnen, was du meinst.
Dann ist das doch so, dass dich das Glück ganz ausfüllt. Du weißt: Du hast gefunden. Du musst nicht mehr suchen. Du bist da, am Ziel deiner Wünsche.
Wunschlos glücklich, sozusagen.
Nicht nur sozusagen. Sondern wirklich und tatsächlich. Nicht nur im Spaß, sondern ganz im Ernst.
Dafür bist du dann auch bereit, alles zu geben, was du hast.
Weil du in deinem Glück mehr findest, als du geben kannst.
Dafür ist diese Perle ein Bild: Für das Glück, das größer ist, als alles, was du hast.
Und der Kaufmann ist der Glückliche, der dieses Glück gegen alles eintauscht, was er hat.
Fragt sich nur noch, wie dieses Glück aussieht: Für dich, für mich, für Sie. Das Glück, das mich so wunschlos glücklich macht, dass ich dafür alles gebe, was ich habe.
Darüber können Sie nachdenken. Während Sie nach Perlen suchen, die hier zwischen den Bänken liegen, und der Inselposaunenchor spielt: Was ist Ihre Perle, nach der Sie suchen?

Hast du Perlen gefunden?
Wieso? Ich habe nicht mehr gesucht, ich habe doch die hier.
Ich meine doch nicht die richtigen Perlen. Davon lagen hier ja genug herum. Ich meine übertragene Perlen.
Du meinst: Das Glück, das mich so wunschlos glücklich macht, dass ich dafür alles gebe, was ich habe.
Das meine ich. Also: Hast du was gefunden?
Klar: Jesus sagt: Das Himmelreich gleicht diesem Kaufmann: Der war auf der Suche nach schönen Perlen. Er entdeckte eine besonders wertvolle Perle. Da ging er los und verkaufte alles, was er hatte. Dann kaufte er diese Perle.
Achso. Das Himmelreich. Weil Jesus das so sagt. Natürlich. Du bist ja auch Pastor/in. Aber naheliegender ist doch etwas anderes. Liebe zum Beispiel. Oder Kinder.
Oder Urlaub auf Föhr. Oder Leben auf unserer Insel.
Ach so? Bei dem Wetter? In einer Strandkorbhalle?
Es soll ja auch schöne Tage auf Föhr geben. Wenn ich dann mit dem Fahrrad in der Marsch unterwegs bin. Oder barfuß durchs Watt auf die Halligen zulaufe.
Dann ist Föhr das Himmelreich.
Nein. Aber ich lerne dann etwas übers Himmelreich. So wie ich es auch von der Liebe oder von Kindern tun kann.
Was lernst du?
Himmelreich ist für mich, wenn ich selig bin. Also glücklich bei Gott. Und das bin ich dann, wenn ich nichts dazu tue, sondern einfach beschenkt werde. So wie der Kaufmann einfach die Perle findet.
Ja, das stimmt. Das haben das Watt und die Marsch und die Liebe und Kinder gemeinsam: Sie sind ein Geschenk.
Und in dem Augenblick, in dem ich mich aus tiefstem Herzen beschenkt fühle, in dem Augenblick fühle ich mich wie im Himmelreich. Da spüre ich, dass Gott mir nahe kommt. Da bin ich selig.
Aber der Kaufmann, der wird doch gar nicht beschenkt. Der muss für die Perle doch alles geben, was er hat.
Das muss ich auch. Aber ich denke, es ist nur eine Sache, die ich hergeben muss. Und die ist zugleich alles.
Nämlich?
Ich kann mich nur beschenkt fühlen, wenn ich mich auch beschenken lasse. Also: Wenn ich nicht denke, ich hätte einen Anspruch auf das, was ich bekomme.
Nach dem Motto: Ich habe für den Urlaub bezahlt, jetzt muss auch die Sonne scheinen. Sie haben es sich verdient, sagt TUI.
So ähnlich jedenfalls. Das Himmelreich ist ein Geschenk, für das ich nichts tun kann. Außer die Augen dafür offen zu halten und es als Geschenk anzunehmen, wenn es mir begegnet.
So wie diese Perle. -- Weißt du übrigens, wie Perlen entstehen?
Zu 99 Prozent künstlich.
Ich meine echte Perlen.
Das weiß ich nicht. Aber du wirst es mir gleich verraten, oder?
Eine Perle entsteht dann, wenn zum Beispiel ein Wurm in eine Muschel eindringt. Die Muschel kapselt den Eindringling dann mit Perlmutt ein, damit er sie nicht gefährden kann.
Du siehst mich so an, als wolltest du mir damit etwas besonderes sagen.
Ich dachte nur: Was ist mit den Menschen, die Schlimmes erleben. Die nicht ihr Glück, sondern ihr Unglück finden? Wie sollen die das Himmelreich finden.
Und da fiel dir ein, wie Perlen entstehen.
Vielleicht legt sich ja auch um das Unglück Perlmutt und es entsteht daraus mit der Zeit eine Perle.
Wie soll ich das verstehen?
Beim Glück ist es so, dass du es dir nicht verdienst, sondern damit beschenkt wirst. Und dann, wenn du es dir schenken lässt, spürst du etwas von Gott.
Ja.
Und beim Unglück ist es ganz anders und doch ähnlich: Du kannst nichts tun. Es bricht über dich herein. Ganz unverdient.
Du kannst nichts tun. Außer dich Gott anvertrauen.
Dann kann es so sein, dass du mitten im Unglück spürst, dass Gott dich hält.
Und um das Unglück legt sich Perlmutt. Weil du in ihm Gott erfährst. Aus dem Unglück wächst eine Perle.
Eine Perle, die du dann nicht mehr hergeben willst, weil sie für dich das ist, was du gesucht hast.
Es liegt im Unglück wie im Glück immer vom Himmelreich ein Stück.
Amen. Was machen wir jetzt eigentlich mit den ganzen Perlen?
Ich würde sagen: Mitnehmen. Nehmen Sie die Perle mit, die Sie gefunden haben. Um sie zu behalten oder zu verschenken. Damit die Perle Sie oder einen anderen erinnert: Das Himmelreich findet sich mitten im Leben.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Fortsetzung folgt

Dreifach Gott begegnen

Herr, sag uns, wie wir beten sollen