Vorher - Nachher

Wer in St. Johannis getauft wird, wird in eine lange Tradition gestellt. Uralt ist der Taufstein. Seit 800 Jahren wird in ihm getauft und an ihm gesegnet. Manche Föhrer Familien können auf viele Vorgängergenerationen verweisen, die hier schon getauft wurden.
Heute taufen wir mit einer kleinen Taufschale, die in den Taufstein eingehängt wird. Und mit drei kleinen Handvoll Wasser, die dem Täufling über den Kopf geschöpft werden.
Früher einmal wurde das Taufbecken ganz gefüllt, damit der Säugling vollständig untergetaucht werden konnte. Der alte Adam sollte ersäuft werden. So nannte Luther das. In der Taufe sollte spürbar sinnbildlich der Mensch umgebracht werden, den die Sünde fest im Griff hatte. Und aus dem Wasser sollte ein neuer Menschen auftauchen. Einer, der ganz und gar Gott gehört.
Die Taufe, sie sollte den Menschen verwandeln. Die Herrschaft über ihn sollte wechseln: Vorher war der Menschen in der Macht des Todes gefangen. Nachher in die Macht Gottes befreit.
So klar und einfach war das. Oder so schwer.

Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom:
Ihr wisst doch: Wenn ihr in den Dienst von jemand tretet, verpflichtet ihr euch damit zum Gehorsam. Ihr seid dann sein Diener und habt ihm zu gehorchen.
Früher habt ihr die Glieder eures Körpers in den Dienst von Unmoral und Gesetzlosigkeit gestellt. Das führte dann noch tiefer in die Gesetzlosigkeit.
Genauso sollt ihr jetzt die Glieder eures Körpers in den Dienst der Gerechtigkeit stellen. Das wird dazu führen, dass ihr heilig seid.
Solange ihr Sklaven der Sünde wart, wart ihr nicht an die Gerechtigkeit gebunden. Was war das Ergebnis? Nur Dinge, über die ihr euch jetzt schämt. Denn am Ende brachten sie euch den Tod.
Aber jetzt seid ihr von der Sünde befreit und Diener Gottes geworden. Das Ergebnis ist, dass ihr heilig seid. Und das Ziel ist das ewige Leben.
Denn der Lohn der Sünde ist der Tod. Aber die Gnade, die Gott uns gewährt, ist das ewige Leben. Denn wir gehören zu Christus Jesus, unserem Herrn.

(Brief an die Gemeinde in Rom 6,16a.19b-23 -- www.basisbibel.de)

So einfach ist das, sagt Paulus. Früher wart ihr Sklaven der Sünde. Jetzt seid ihr Diener Gottes.
Zwei Bilder zeichnet Paulus vom Menschen. Eines vom Vorher und eines vom Nachher.
Vorher – da bestimmt die Sünde den Menschen. Unmoral und Gesetzlosigkeit spiegelt sich in seinem Tun.
Es steht uns frei, uns auszumalen, was Paulus da vor Augen hat. Als er den Brief schreibt, befindet er sich in der Hafenstadt Korinth.
Sie bietet ihm genug Anschauungsmaterial für Unmoral und Gesetzlosigkeit. Eine Stadt in der viel gehandelt wird. Mit dem, was die Schiffe bringen. Und mit dem, was die Seeleute bei Landgang brauchen. Auch Frauen und Liebe. Und eine Stadt, in der jeder seinen Vorteil sucht. Gern auch zulasten dessen, den er übervorteilt.
Das sind die Früchte der Sünde. Ihre Wurzeln liegen tief im Boden des Menschen, der sich der Sünde verschrieben hat. Der nicht anders kann, als sich um sich selbst zu drehen. Der auf das schaut, was ihn voran bringt. Der sich dabei immer schneller um sich selber dreht, bis er das Gleichgewicht verliert und hart auf den Boden aufschlägt und nicht mehr auf die Beine kommt.
So ist es vorher, sagt Paulus. Und nachher? Nachher bestimmt Gott den Menschen. Er steht im Dienst der Gerechtigkeit. Auch da steht uns frei, uns auszumalen, was Paulus da vor Augen hat.
Und auch da bietet ihm Korinth genug Anschauungsmaterial. Dort lebt er mit der Gemeinde, die ihm am Herzen liegt. Für die er sich wünscht, dass die Reichen tatsächlich mit den Armen teilen, was sie haben. Wo er erwartet, dass Männer ihre Frauen achten und dass Liebe mehr ist als ein körperlicher Akt – am besten wäre es, ganz ohne ihn auszukommen.
Für Paulus sind das die Früchte der Gerechtigkeit. Ihre Wurzeln liegen tief im Boden des Menschen, aus dem Gott die Sünde herausgerissen hat.
Dieser Mensch schaut weg von sich und seiner Gier. Er schaut auf den anderen. Auf das, was dem gut tut und was er für den tun kann. Und er schaut auf Gott. Auf das, was der für den Menschen getan hat. Und auf das, was er, der Mensch, nach Gottes Willen tun soll. Und der dabei immer mehr Freiheit und Leben gewinnt,
Weil er nicht mehr tun muss, was die Sünde ihn zu tun zwingt. Sondern weil er tun kann, was Gott für ihn will.

So einfach ist das: Vorher ist der Mensch dem Tod geweiht. All das, was er gewinnen will, rinnt ihm durch die Finger, weil es der Sünde gehört.
Nachher blüht dem Menschen das Leben. All das, was er hergibt, macht ihn reich, weil er von Gott mit Leben beschenkt wird.
Dazwischen, zwischen dem Vorher und dem Nachher geschieht die große Verwandlung. Als sie Paulus selber trifft, ist er für drei Tage blind, wie tot. Dann aber beginnt er zu sehen und zu leben. Und er lässt sich taufen.
So einfach ist das. Die Taufe verschiebt für Paulus die Gewichte im Leben. Eben lagen sie noch auf dem, was mir nutzt und mich voran bringt. Jetzt frage ich nach dem, was dem anderen gut tut, der mir begegnet, und was Gott will, dass ich tue.
Die Taufe verändert den Blick aufs Leben. Eben schaute ich noch gebannt auf das, was vor Augen liegt, das viel zu kurze Leben, das sich vor mir zusammendrängt. Jetzt schaue ich bis zum Horizont, den der Tod zieht – und darüber hinaus.
Eben noch dachte ich, dies Leben ist alles, was ich habe. Jetzt vertraue ich, dass Gott mir noch viel mehr schenkt.

So einfach ist das – und so schwer. Denn wann zerfällt ein Leben schon einmal so fein säuberlich in ein Vorher und ein Nachher? Zumal wenn die Taufe nicht mitten im Leben, sondern an seinem Anfang steht?
Mehr als ein Vorher und Nachher ist das Leben vielleicht ein Sowohl-als-auch. Wir leben gleichzeitig im Vorher und im Nachher. In einem Augenblick sind wir Sklaven der Sünde, im nächsten schon Diener Gottes.
Manchmal weiß ich wohl, was das Gute wäre – und tue doch das Schlechte, das ich gar nicht will. Und ein anderes Mal lenkt Gott mein Handeln so, dass ich mich selbst überrasche – und den anderen, der nichts Gutes von mir erwartete.
Manchmal vertraue ich allein auf mich selber, setzte allein auf das, was ich weiß und sehe. Auch wenn ich weiß, dass ich eigentlich nichts weiß. Und ein anderes Mal schenkt Gott es mir, dass ich in seine Arme springe und ihm vertraue. Auch wenn das, was ich weiß und sehe, mir das Glauben schwer macht. Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben.
Manchmal vergesse ich auch auf meinem Weg durch den Alltag ganz und gar Gott. Was sollte er auch schon mit dem Abwasch zu tun haben? Und dann wieder erinnert er mich: Du bist doch heilig, du gehörst doch zu mir. Er bewahrt mich so,
 dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt kann fallen –
 ja, dass mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss. 


Ein Segen ist da die Taufe. Sie ist die Klammer um mein Sowohl-als-auch.
Denn die Taufe ist ein Segen, der schon da war, bevor ich da war. So wie der Taufstein schon lange vor mir in der Kirche stand. Mit seinem Segen kommt mir Gott entgegen, freundlich, ohne Erwartungen, aus freien Stücken. Er wendet sich mir zu, weil ich zu ihm gehöre. So sagt Gott, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mirr.
Und die Taufe ist ein Segen, der sich nicht verliert. Sie ist ein Segen, der bleibt. So wie der Taufstein hoffentlich noch weitere 800 Jahre und länger in der Kirche bleibt. Aus der Kirche kann ich austreten. Aber nicht aus Gottes Segen. Gott verspricht dir, dass er dein Leben in Segen wandelt. Alles, was du tust, und alles, was du erlebst, kann Gott in Segen wandeln.
Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich auf allen deinen Wegen behüten.

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