"Weihnachtschwärmer" - ein Hirtendialog
In der Gegend von Betlehem waren Hirten draußen auf den Feldern. Sie hielten in der Nacht Wache bei ihrer Herde.
- Leg' dich doch hin und schlaf'.
- Lass mich doch.
- Aber ich seh' doch, dass dir dauernd die Augen zufallen.
- Ja. Ich will mich aber nicht hinlegen.
- Ich komme auch gleich nach.
- Das sagst du immer. Meinst du, es wird jemals anders werden?
- Was soll anders werden?
- Naja. Alles. Das Leben. Die Tage.
- Was soll da anders werden? Stimmt etwas nicht? Mit uns?
- Nein. Es ist alles in Ordnung. Wie immer. Aber das ist ja das Problem.
- Was ist daran ein Problem, wenn alles in Ordnung ist? Hättest du gern etwas mehr Unordnung? Ja, ich weiß. Früher, da waren wir dauernd Wir werden halt älter und da
- Ach, ich weiß nicht. Es ist schon in Ordnung, dass alles in Ordnung ist. Aber irgendwie
- Irgendwie was?
- Irgendwie fehlt was.
- Aber wir haben doch alles. Du hast eine tolle Arbeit. Ich bin auch zufrieden. Unsere Kinder sind toll, wenn sie nicht gerade am Zeiger drehen. Wir haben eine schöne Wohnung. Wir
- Du hörst dich an wie die Sparkassen-Werbung. Mein Haus. Mein Auto. Mein Boot.
- Siehst du das etwa anders?
- Neinnein. Du hast ja Recht.
- Und wo ist jetzt das Problem?
Auf einmal trat der Engel des Herrn zu ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie. Die Hirten erschraken und bekamen große Angst.
- Was ist das?
- Licht.
- Es blendet.
- Ich sehe dich ganz klar. Jeden Gesichtszug.
- Ich habe Angst.
- Das sehe ich.
- Was machen wir jetzt?
- Abwarten, was geschieht.
- Aber...
- Ruhig. Das geht gleich wieder vorbei.
- Ich kann dich jetzt auch ganz klar sehen.
- Siehst du.
- Ich sehe deine Träume.
- Meine Träume? Ich habe kei
- Still. Natürlich hast du. Ich sehe es doch.
- Dann sag' sie mir, meine Träume, die ich nicht sehe.
- Frieden. Nicht mehr sorgen müssen. Für den Alltag. Für die Menschen an deiner Seite. Die Seele fallen lassen und wissen, dass sie einer auffängt.
- Wo siehst du das?
- Das Licht zeigt es mir in deinen Augen.
- Ich habe Angst.
Der Engel sagte zu ihnen: "Habt keine Angst! Seht doch: Ich bringe euch eine Freudenbotschaft. Im ganzen Volk wird große Freude herrschen. Denn heute ist in der Stadt Davids für euch der Retter geboren worden: Er ist Christus, der Herr. Und dies ist das Zeichen, an dem ihr das alles erkennt: Ihr werdet ein neugeborenes Kind finden. Es ist in Windeln gewickelt und liegt in einer Futterkrippe."
- Spürst du, was ich spüre?
- Ja! Was spürst du denn?
- So eine, eine ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.
- Ich fühle mich wie an einem Morgen, an dem ich unter der Dusche singe und es gar nicht erwarten kann, den Tag anzugehen.
- Vorfreude also.
- Ja. Aber Vorfreude auf das, was ich alles tun könnte. Ein Ideenfeuerwerk eher. Und Tatendurst.
- Mir geht es wie an einem warmen Urlaubstag. Weit, ganz weit fühle ich mich. Alles um mich herum prägt sich tief ein. Der Duft, die Geräusche, das Licht.
- Das ist doch mein Traum. Eine Hängematte für die Seele. So müsste sich das anfühlen.
- Und in dir steckt mein Traum. Aufstehen und das Leben umräumen. So muss sich das anfühlen.
- Alles erscheint in einem klaren Licht.
- Wie neu geboren.
Plötzlich war der Engel umgeben vom ganzen himmlischen Heer der Engel. Die lobten Gott und riefen: "Gottes Herrlichkeit erfüllt die Himmelshöhe! Und sein Friede kommt auf die Erde zu den Menschen, denen er sich in Liebe zuwendet!"
II
Die Engel verließen die Hirten und kehrten in den Himmel zurück.
Da sagten die Hirten zueinander: "Kommt, wir gehen nach Betlehem und sehen uns die Geschichte an, die uns der Herr gerade erklärt hat!"
- Los, wir müssen uns beeilen.
- Wir kommen immer noch rechtzeitig.
- Aber ich will die erste sein.
- Da wird schon Platz sein für alle.
- Und wenn wir doch zu spät kommen?
- Je später der Abend, desto
- Ach, hör' auf. Mir ist es ernst.
- Mir auch.
- Na denn auf. Wir müssen weiter.
- Und was, wenn da gar keiner ist. Wenn das alles nur ein großer Irrtum ist.
- Du hast das Licht doch selber gesehen.
- Ja. Aber es ist mitten in der Nacht. Wir könnten doch auch morgen früh
- Ich muss da jetzt hin. Ich muss mich jetzt vergewissern.
- Ja, vergewissern. Das ist das rechte Wort. Kneifen sollten wir uns, ob wir nicht träumen.
- So wach wie jetzt war ich noch nie. Und kneifen gilt nicht. Ich will dem auf den Grund gehen.
- Aber wenn alles trügt? Wenn wir uns selber betrügen?
- Mit unseren Träumen meinst du? Mit Träumen kann man sich nicht betrügen. Höchstens, wenn man ihnen nicht nachgeht.
- Wie meinst du das?
- Wer seinen Träumen nicht glaubt, lebt nicht. Nur wer sie für eine mögliche Wirklichkeit hält, findet das Leben.
- Ich halte mich lieber an das wirkliche Leben, als dass ich einem Traum nachjage. Am Ende werde ich doch nur enttäuscht.
- Wieso das?
- Die Wirklichkeit wird den Traum nie einholen.
- Jedenfalls nicht, wenn du immer stehen bleibst.
- Und was machen wir überhaupt, wenn wir dann da sind?
- Das wird sich finden.
- Aber du musst doch einen Plan haben.
- Jetzt zählt der Augenblick. Da brauche ich keinen Plan.
- Ich kann das nicht.
- Was kannst du nicht?
- Einfach so loslaufen. Mitten in der Nacht.
- Dann bleib du hier. Ich muss da jetzt hin.
- Wir können doch nicht einfach alles stehen und liegen lassen.
- Wir kommen ja wieder.
- Ich weiß nicht.
- Na gut. Was wäre wohl, wenn wir hier blieben?
- Nichts. Alles wäre wie immer.
- Meinst du. Kann jetzt wieder alles wie immer werden?
- Na klar. Wir legen uns hin und schlafen uns aus. Und dann wachen wir auf. Und der neue Tag ist wie der gestrige Tag.
- Das glaubst du doch wohl selber nicht. Kein Tag wird mehr wie der gestrige. Alles wird anders sein. Ob wir gehen oder bleiben.
- Dann können wir doch auch bleiben.
- Nein, darum müssen wir gehen. Wenn ich es nicht tue, werde ich mich jeden Tag fragen: Was wäre gewesen, wenn du gegangen wärst. Was wäre aus dir geworden, wenn du dich dafür entschieden hättest.
- Aber ich habe Angst.
- Du bist ja nicht allein. Wir gehen doch gemeinsam.
- Dann nimm mich an der Hand.
- Na komm. Wir werden bestimmt schon erwartet.
Die Hirten liefen hin, so schnell sie konnten.
III
Die Hirten fanden Maria und Josef und das neugeborene Kind, das in der Futterkrippe lag.
- Da ist es.
- Ja.
- Ich habe es dir gesagt.
- Hast du. Aber jetzt sei einmal still.
-
- Ist doch schön, wenn es so still ist.
- Ja. Psst.
-
- Ich könnte hier die ganze Zeit stehen und schauen.
- Die kleinen Finger.
- Wie es um den Mund zuckt. Da. Ein Lächeln.
- Ja.
-
- So einfach tritt Gott in dein Leben.
- So einfach ist das nicht. Frag mal Maria.
- Du meinst: eine schwere Geburt?
- Jede Geburt ist schwer.
- Auch die von Gottes Kind?
- Denkst du, dass Gott es leicht hat, zur Welt zu kommen?
- Jetzt, wo er da ist? Hier vor uns? Das sieht doch alles ganz leicht aus. Als müsste es so sein.
- Ja, aber was alles hätte geschehen können. Du hättest das Licht übersehen können.
- Das war nicht zu übersehen. Es hat geblendet.
- Du wolltest zuhause bleiben. Fast wärst du nicht losgegangen.
- Ich hatte ja dich. Du hast nicht locker gelassen. Danke.
- Bitte. Wir hätten den Stall verpassen können.
- Wie hast du gesagt? Wir werden bestimmt schon erwartet!
- Ja. So war es wohl. Das Kind hat uns zu sich gerufen.
- Und wir haben gehört.
- Und sind losgegangen.
- Mitten in der Nacht.
- Welch ein Segen.
- Ja. Und was, wenn wir doch zuhause geblieben wären?
- Das Kind wäre trotzdem da. Es musste zur Welt kommen. Es war an der Zeit.
- Aber es wäre nicht für uns gekommen.
- Doch. Auch dann für uns. Es hätte uns weiter gerufen. Immer weiter. Immer weiter.
- Bis wir doch gekommen wären.
- Aber wir sind ja da.
- Ja. Und das Kind auch.
- Und was machen wir jetzt?
- Still sein und genießen.
- Seine Nähe einatmen. Riech mal, wie gut es riecht.
- Ich kann mich nicht satt sehen.
- Ob ich es mal auf den Arm nehmen darf und seine Wärme spüren?
- Frag Maria.
- Lieber nicht.
- Da. Noch ein Lächeln. Engelslächeln.
- So kenn ich dich gar nicht.
- Mir kommt Gott ja auch nicht jeden Tag so nah.
- Das wäre doch was.
- Was?
- Wenn Gott dir jeden Tag so nahe käme.
- Ja. Wir könnten ihn mitnehmen nach Hause.
- Das wird Maria nicht wollen. Und Josef auch nicht.
- Wir könnten sie einladen. Mit dem Kind.
- Ja. Das könnten wir tun.
- Dem Kind sagen: Du bist uns jederzeit willkommen.
- Ja.
- Und dann kommt es uns besuchen. Von Zeit zu Zeit.
- Und wir sehen, wie es größer wird.
- Langsam wächst es in uns heran. Das Kind Gottes.
- Das wird schneller gehen, als du dir jetzt vorstellen kannst.
Da erzählten die Hirten, was ihnen der Engel über dieses Kind gesagt hatte.
Alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen die Hirten berichteten. Aber Maria prägte sich alle ihre Worte gut ein und dachte viel darüber nach.
IV
Die Hirten kehrten wieder zurück.
- Ich bin gar nicht müde. Trotz der durchwachten Nacht.
- Geht mir genauso. Ich bin ganz aufgekratzt.
- Hoffentlich hält das lange an.
- Das hoffe ich auch.
- Was meinst du: Ob es wirklich lange anhält?
- Das werden wir sehen.
- Ich fürchte mich vor dem Alltag.
- Hast du Angst vor dem Kater?
- Du meinst die Müdigkeit, die uns spätestens morgen einholt?
- Die gar nicht so sehr.
- Sondern?
- Diese Leere, wenn etwas Besonderes vorbei ist und das Normale wieder kommt.
- Habe ich davor Angst? Weiß ich gar nicht.
- Das war doch dein Unbehagen, bevor wir losgegangen sind. Weißt du noch?
- Ja. Bevor das Licht kam. Es sollte etwas anders werden. Das wollte ich.
- Etwas mehr Unordnung wolltest du. Die hast du jetzt.
- Naja. Unordentlich fühle ich mich gar nicht. Eher zurechtgebracht.
- Alles wieder in Ordnung also?
- Es ist Es ist, als ob einer in meiner Kamera den Schwarz-Weiß-Film gegen einen Farbfilm ausgetauscht hätte.
- Dein Leben hat Farbe gewonnen.
- Das Kind Gottes hat mich angesehen. Und jetzt sehe ich alles ganz anders. Mit seinen Augen.
- Und was siehst du?
- Farben. Alles leuchtet in schillernden Farben.
- Mitten in der Nacht.
- Auch mitten in der Nacht.
- Nichts mehr grau und langweilig?
- Ja. Nichts mehr. Wertvoll ist mein Leben. Unheimlich wertvoll. Ein Geschenk. Jeden Tag will ich jetzt auspacken. Und mich überraschen lassen.
- Und dich freuen? Auch wenn du schon wieder Alltag geschenkt bekommst?
- Und mich freuen, sogar wenn es immer der gleiche Tag ist. Und du? Wie geht es dir?
- Ich höre in mich hinein und höre nichts.
- Nichts?
- Nichts. Keine Unruhe. Keine Hektik. Ich ruhe in mir selber.
- Seit dich das Kind angesehen hat?
- Seit ich das Kind gesehen habe. Als ich seine Nähe gespürt habe, bin ich ganz ruhig geworden.
- Das war es doch, wovon du träumtest.
- Das war mein Traum. Ruhe in mir. Ruhe in dem Kind.
- Und wieder die Frage: Ob das anhält?
- Wenn uns das Kind bleibt, dann bleibt uns auch das andere.
- Wir müssen uns das Kind bewahren. Im Herzen. Damit es ruhig wird in mir. Im Leben. Damit es bunt bleibt.
- Und wie?
- Wir müssen uns immer wieder daran erinnern: Weißt du noch, in jener Nacht
- als wir auf einmal das Licht sahen
- und das Kind fanden.
- Wir müssen uns daran erinnern. Und auch anderen davon erzählen.
- Und wenn wir davon erzählen, halten wir die Erinnerung frisch.
- Jedes Mal, wenn wir von dieser Nacht erzählen, wird es sein, als erlebten wir sie neu.
- Jedes Mal, wenn wir von dem Kind reden, ist es da. Mitten unter uns.
- So wird es sein. Alle Jahre wieder.
Die Hirten priesen und lobten Gott für das, was sie gehört und gesehen hatten.
Es war alles genau so, wie es ihnen der Engel gesagt hatte.
- Leg' dich doch hin und schlaf'.
- Lass mich doch.
- Aber ich seh' doch, dass dir dauernd die Augen zufallen.
- Ja. Ich will mich aber nicht hinlegen.
- Ich komme auch gleich nach.
- Das sagst du immer. Meinst du, es wird jemals anders werden?
- Was soll anders werden?
- Naja. Alles. Das Leben. Die Tage.
- Was soll da anders werden? Stimmt etwas nicht? Mit uns?
- Nein. Es ist alles in Ordnung. Wie immer. Aber das ist ja das Problem.
- Was ist daran ein Problem, wenn alles in Ordnung ist? Hättest du gern etwas mehr Unordnung? Ja, ich weiß. Früher, da waren wir dauernd Wir werden halt älter und da
- Ach, ich weiß nicht. Es ist schon in Ordnung, dass alles in Ordnung ist. Aber irgendwie
- Irgendwie was?
- Irgendwie fehlt was.
- Aber wir haben doch alles. Du hast eine tolle Arbeit. Ich bin auch zufrieden. Unsere Kinder sind toll, wenn sie nicht gerade am Zeiger drehen. Wir haben eine schöne Wohnung. Wir
- Du hörst dich an wie die Sparkassen-Werbung. Mein Haus. Mein Auto. Mein Boot.
- Siehst du das etwa anders?
- Neinnein. Du hast ja Recht.
- Und wo ist jetzt das Problem?
Auf einmal trat der Engel des Herrn zu ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie. Die Hirten erschraken und bekamen große Angst.
- Was ist das?
- Licht.
- Es blendet.
- Ich sehe dich ganz klar. Jeden Gesichtszug.
- Ich habe Angst.
- Das sehe ich.
- Was machen wir jetzt?
- Abwarten, was geschieht.
- Aber...
- Ruhig. Das geht gleich wieder vorbei.
- Ich kann dich jetzt auch ganz klar sehen.
- Siehst du.
- Ich sehe deine Träume.
- Meine Träume? Ich habe kei
- Still. Natürlich hast du. Ich sehe es doch.
- Dann sag' sie mir, meine Träume, die ich nicht sehe.
- Frieden. Nicht mehr sorgen müssen. Für den Alltag. Für die Menschen an deiner Seite. Die Seele fallen lassen und wissen, dass sie einer auffängt.
- Wo siehst du das?
- Das Licht zeigt es mir in deinen Augen.
- Ich habe Angst.
Der Engel sagte zu ihnen: "Habt keine Angst! Seht doch: Ich bringe euch eine Freudenbotschaft. Im ganzen Volk wird große Freude herrschen. Denn heute ist in der Stadt Davids für euch der Retter geboren worden: Er ist Christus, der Herr. Und dies ist das Zeichen, an dem ihr das alles erkennt: Ihr werdet ein neugeborenes Kind finden. Es ist in Windeln gewickelt und liegt in einer Futterkrippe."
- Spürst du, was ich spüre?
- Ja! Was spürst du denn?
- So eine, eine ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.
- Ich fühle mich wie an einem Morgen, an dem ich unter der Dusche singe und es gar nicht erwarten kann, den Tag anzugehen.
- Vorfreude also.
- Ja. Aber Vorfreude auf das, was ich alles tun könnte. Ein Ideenfeuerwerk eher. Und Tatendurst.
- Mir geht es wie an einem warmen Urlaubstag. Weit, ganz weit fühle ich mich. Alles um mich herum prägt sich tief ein. Der Duft, die Geräusche, das Licht.
- Das ist doch mein Traum. Eine Hängematte für die Seele. So müsste sich das anfühlen.
- Und in dir steckt mein Traum. Aufstehen und das Leben umräumen. So muss sich das anfühlen.
- Alles erscheint in einem klaren Licht.
- Wie neu geboren.
Plötzlich war der Engel umgeben vom ganzen himmlischen Heer der Engel. Die lobten Gott und riefen: "Gottes Herrlichkeit erfüllt die Himmelshöhe! Und sein Friede kommt auf die Erde zu den Menschen, denen er sich in Liebe zuwendet!"
II
Die Engel verließen die Hirten und kehrten in den Himmel zurück.
Da sagten die Hirten zueinander: "Kommt, wir gehen nach Betlehem und sehen uns die Geschichte an, die uns der Herr gerade erklärt hat!"
- Los, wir müssen uns beeilen.
- Wir kommen immer noch rechtzeitig.
- Aber ich will die erste sein.
- Da wird schon Platz sein für alle.
- Und wenn wir doch zu spät kommen?
- Je später der Abend, desto
- Ach, hör' auf. Mir ist es ernst.
- Mir auch.
- Na denn auf. Wir müssen weiter.
- Und was, wenn da gar keiner ist. Wenn das alles nur ein großer Irrtum ist.
- Du hast das Licht doch selber gesehen.
- Ja. Aber es ist mitten in der Nacht. Wir könnten doch auch morgen früh
- Ich muss da jetzt hin. Ich muss mich jetzt vergewissern.
- Ja, vergewissern. Das ist das rechte Wort. Kneifen sollten wir uns, ob wir nicht träumen.
- So wach wie jetzt war ich noch nie. Und kneifen gilt nicht. Ich will dem auf den Grund gehen.
- Aber wenn alles trügt? Wenn wir uns selber betrügen?
- Mit unseren Träumen meinst du? Mit Träumen kann man sich nicht betrügen. Höchstens, wenn man ihnen nicht nachgeht.
- Wie meinst du das?
- Wer seinen Träumen nicht glaubt, lebt nicht. Nur wer sie für eine mögliche Wirklichkeit hält, findet das Leben.
- Ich halte mich lieber an das wirkliche Leben, als dass ich einem Traum nachjage. Am Ende werde ich doch nur enttäuscht.
- Wieso das?
- Die Wirklichkeit wird den Traum nie einholen.
- Jedenfalls nicht, wenn du immer stehen bleibst.
- Und was machen wir überhaupt, wenn wir dann da sind?
- Das wird sich finden.
- Aber du musst doch einen Plan haben.
- Jetzt zählt der Augenblick. Da brauche ich keinen Plan.
- Ich kann das nicht.
- Was kannst du nicht?
- Einfach so loslaufen. Mitten in der Nacht.
- Dann bleib du hier. Ich muss da jetzt hin.
- Wir können doch nicht einfach alles stehen und liegen lassen.
- Wir kommen ja wieder.
- Ich weiß nicht.
- Na gut. Was wäre wohl, wenn wir hier blieben?
- Nichts. Alles wäre wie immer.
- Meinst du. Kann jetzt wieder alles wie immer werden?
- Na klar. Wir legen uns hin und schlafen uns aus. Und dann wachen wir auf. Und der neue Tag ist wie der gestrige Tag.
- Das glaubst du doch wohl selber nicht. Kein Tag wird mehr wie der gestrige. Alles wird anders sein. Ob wir gehen oder bleiben.
- Dann können wir doch auch bleiben.
- Nein, darum müssen wir gehen. Wenn ich es nicht tue, werde ich mich jeden Tag fragen: Was wäre gewesen, wenn du gegangen wärst. Was wäre aus dir geworden, wenn du dich dafür entschieden hättest.
- Aber ich habe Angst.
- Du bist ja nicht allein. Wir gehen doch gemeinsam.
- Dann nimm mich an der Hand.
- Na komm. Wir werden bestimmt schon erwartet.
Die Hirten liefen hin, so schnell sie konnten.
III
Die Hirten fanden Maria und Josef und das neugeborene Kind, das in der Futterkrippe lag.
- Da ist es.
- Ja.
- Ich habe es dir gesagt.
- Hast du. Aber jetzt sei einmal still.
-
- Ist doch schön, wenn es so still ist.
- Ja. Psst.
-
- Ich könnte hier die ganze Zeit stehen und schauen.
- Die kleinen Finger.
- Wie es um den Mund zuckt. Da. Ein Lächeln.
- Ja.
-
- So einfach tritt Gott in dein Leben.
- So einfach ist das nicht. Frag mal Maria.
- Du meinst: eine schwere Geburt?
- Jede Geburt ist schwer.
- Auch die von Gottes Kind?
- Denkst du, dass Gott es leicht hat, zur Welt zu kommen?
- Jetzt, wo er da ist? Hier vor uns? Das sieht doch alles ganz leicht aus. Als müsste es so sein.
- Ja, aber was alles hätte geschehen können. Du hättest das Licht übersehen können.
- Das war nicht zu übersehen. Es hat geblendet.
- Du wolltest zuhause bleiben. Fast wärst du nicht losgegangen.
- Ich hatte ja dich. Du hast nicht locker gelassen. Danke.
- Bitte. Wir hätten den Stall verpassen können.
- Wie hast du gesagt? Wir werden bestimmt schon erwartet!
- Ja. So war es wohl. Das Kind hat uns zu sich gerufen.
- Und wir haben gehört.
- Und sind losgegangen.
- Mitten in der Nacht.
- Welch ein Segen.
- Ja. Und was, wenn wir doch zuhause geblieben wären?
- Das Kind wäre trotzdem da. Es musste zur Welt kommen. Es war an der Zeit.
- Aber es wäre nicht für uns gekommen.
- Doch. Auch dann für uns. Es hätte uns weiter gerufen. Immer weiter. Immer weiter.
- Bis wir doch gekommen wären.
- Aber wir sind ja da.
- Ja. Und das Kind auch.
- Und was machen wir jetzt?
- Still sein und genießen.
- Seine Nähe einatmen. Riech mal, wie gut es riecht.
- Ich kann mich nicht satt sehen.
- Ob ich es mal auf den Arm nehmen darf und seine Wärme spüren?
- Frag Maria.
- Lieber nicht.
- Da. Noch ein Lächeln. Engelslächeln.
- So kenn ich dich gar nicht.
- Mir kommt Gott ja auch nicht jeden Tag so nah.
- Das wäre doch was.
- Was?
- Wenn Gott dir jeden Tag so nahe käme.
- Ja. Wir könnten ihn mitnehmen nach Hause.
- Das wird Maria nicht wollen. Und Josef auch nicht.
- Wir könnten sie einladen. Mit dem Kind.
- Ja. Das könnten wir tun.
- Dem Kind sagen: Du bist uns jederzeit willkommen.
- Ja.
- Und dann kommt es uns besuchen. Von Zeit zu Zeit.
- Und wir sehen, wie es größer wird.
- Langsam wächst es in uns heran. Das Kind Gottes.
- Das wird schneller gehen, als du dir jetzt vorstellen kannst.
Da erzählten die Hirten, was ihnen der Engel über dieses Kind gesagt hatte.
Alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen die Hirten berichteten. Aber Maria prägte sich alle ihre Worte gut ein und dachte viel darüber nach.
IV
Die Hirten kehrten wieder zurück.
- Ich bin gar nicht müde. Trotz der durchwachten Nacht.
- Geht mir genauso. Ich bin ganz aufgekratzt.
- Hoffentlich hält das lange an.
- Das hoffe ich auch.
- Was meinst du: Ob es wirklich lange anhält?
- Das werden wir sehen.
- Ich fürchte mich vor dem Alltag.
- Hast du Angst vor dem Kater?
- Du meinst die Müdigkeit, die uns spätestens morgen einholt?
- Die gar nicht so sehr.
- Sondern?
- Diese Leere, wenn etwas Besonderes vorbei ist und das Normale wieder kommt.
- Habe ich davor Angst? Weiß ich gar nicht.
- Das war doch dein Unbehagen, bevor wir losgegangen sind. Weißt du noch?
- Ja. Bevor das Licht kam. Es sollte etwas anders werden. Das wollte ich.
- Etwas mehr Unordnung wolltest du. Die hast du jetzt.
- Naja. Unordentlich fühle ich mich gar nicht. Eher zurechtgebracht.
- Alles wieder in Ordnung also?
- Es ist Es ist, als ob einer in meiner Kamera den Schwarz-Weiß-Film gegen einen Farbfilm ausgetauscht hätte.
- Dein Leben hat Farbe gewonnen.
- Das Kind Gottes hat mich angesehen. Und jetzt sehe ich alles ganz anders. Mit seinen Augen.
- Und was siehst du?
- Farben. Alles leuchtet in schillernden Farben.
- Mitten in der Nacht.
- Auch mitten in der Nacht.
- Nichts mehr grau und langweilig?
- Ja. Nichts mehr. Wertvoll ist mein Leben. Unheimlich wertvoll. Ein Geschenk. Jeden Tag will ich jetzt auspacken. Und mich überraschen lassen.
- Und dich freuen? Auch wenn du schon wieder Alltag geschenkt bekommst?
- Und mich freuen, sogar wenn es immer der gleiche Tag ist. Und du? Wie geht es dir?
- Ich höre in mich hinein und höre nichts.
- Nichts?
- Nichts. Keine Unruhe. Keine Hektik. Ich ruhe in mir selber.
- Seit dich das Kind angesehen hat?
- Seit ich das Kind gesehen habe. Als ich seine Nähe gespürt habe, bin ich ganz ruhig geworden.
- Das war es doch, wovon du träumtest.
- Das war mein Traum. Ruhe in mir. Ruhe in dem Kind.
- Und wieder die Frage: Ob das anhält?
- Wenn uns das Kind bleibt, dann bleibt uns auch das andere.
- Wir müssen uns das Kind bewahren. Im Herzen. Damit es ruhig wird in mir. Im Leben. Damit es bunt bleibt.
- Und wie?
- Wir müssen uns immer wieder daran erinnern: Weißt du noch, in jener Nacht
- als wir auf einmal das Licht sahen
- und das Kind fanden.
- Wir müssen uns daran erinnern. Und auch anderen davon erzählen.
- Und wenn wir davon erzählen, halten wir die Erinnerung frisch.
- Jedes Mal, wenn wir von dieser Nacht erzählen, wird es sein, als erlebten wir sie neu.
- Jedes Mal, wenn wir von dem Kind reden, ist es da. Mitten unter uns.
- So wird es sein. Alle Jahre wieder.
Die Hirten priesen und lobten Gott für das, was sie gehört und gesehen hatten.
Es war alles genau so, wie es ihnen der Engel gesagt hatte.
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