"So schmeckt das Leben!"
„So schmeckt das Leben!“ Eine
Familie sitzt am Tisch. Das Essen wird aufgetan. Fischstäbchen und
Rahmspinat und Kartoffeln. Das erste Kind will mit dem Feuerwehrauto
spielen. Das Zweite mit den Finger essen. Das Dritte rülpsen.
„So schmeckt das Leben!“ Drei
Paare sitzen am Tisch beim Essen. Eine Flasche Wein geht rum. Die
Frauen unterhalten sich. Die eine versteht sich wieder besser mit
ihrem Partner. Sie lassen sich jetzt mehr Freiheit. Ist noch Wein da?
„So schmeckt das Leben!“ Ein Paar
hat es sich in einem Loft auf Liegen gemütlich gemacht. Sie nascht
aus einer Cipstüte auf ihrem Bauch. Er greift nach den Chips. Sie
schlägt ihm auf die Finger.
„So schmeckt das Leben!“ Drei kleine Werbefilme, die mit diesem Claim enden. Ein Claim, das ist – sagt Wikipedia – ein zentrales
„Versprechen“, eine Mission oder eine Vision des Unternehmens
oder der Marke kommunizieren soll.
Lauter Werbung also. Fragt sich nur:
Wie schmeckt es nun, das Leben? Nach Chips oder nach Wein
oder nach Fischstäbchen und Rahmspinat? Oder noch ganz anders?
Wenn das Salz nicht mehr salzt,
wie kann es wieder salzig werden?
Es ist nutzlos!
Es wird weggeworfen
und von den Menschen zertreten."
(Matthäusevangelium 5,13 -- www.basisbibel.de)
„Ihr seid das Salz der Erde“, sagt
Jesus zu denen, die ihm zuhören. Auch das klingt nach einem Claim.
Nach einem Versprechen: „So schmeckt das Leben!“
Ich finde es reizvoll, das weiter
auszumalen. Etwa so:
Jeder bereitet sein Leben aus allerlei Zutaten
zu.
Geld gehört bestimmt dazu. Auch wenn
es heißt, dass man es nicht essen kann. Aber es ist doch ein
Grundnahrungsmittel. Und kaum einer gibt zu, wie gern er es mag.
Gesundheit ist auch wichtig, das
Vertrauen in den eigenen Körper und seine Kräfte. Wie sehr sie es
ist, wird spürbar, wenn sie fehlt.
Familie nehmen die meisten auch mit
hinein, zumindest die Familie, aus der sie kommen. Ob es unbedingt
eine eigene Familie mit Kindern sein muss, da sind die Geschmäcker
verschieden. Manchen reicht es, wenn sie Partnerschaft und
Freundschaft in ihr Leben mischen.
Arbeit ist ein weiteres
Nahrungsmittel. Manchmal ist es knapp und man muss lange danach
anstehen. Manchmal schmeckt es reichlich fad und ist jeden Tag
dasselbe. Manche haben so viel davon, dass ihnen schlecht wird.
Aus dem allen – und noch einigen
Zutaten mehr – wird das Lebensmenü angerichtet.
Die einen tun es schnell, schnell –
das Leben als fast food. Die anderen verwenden viel Sorgfalt und Zeit
darauf.
Manche folgen überlieferten
Kochrezepten: So wie die Eltern und die Großeltern ihr Leben lebten,
so richten sie auch ihr Leben an. Andere mischen die Zutaten frei
nach Schnauze.
Alles ist erlaubt, manchmal freilich
liegt es einem dann schwer im Magen. Den meisten aber schmeckt und
bekommt, was sie sich angerichtet haben.
Was noch fehlt, ist die Würze. Das,
was das Gericht abrundet. Was ihm den unverwechselbaren Geschmack
verleiht. Was die einzelnen Zutaten zu einem Gaumenschmaus verbindet,
der den Feinschmecker mit der Zunge schnalzen lässt.
Der Glaube gibt dem Leben diese
unvergleichliche Würze.
Wenn ich einmal bei uns koche – ich
muss gestehen, es kommt selten vor –, hole ich spätesten zum
Würzen meine Frau zur Hilfe: Richtig zu würzen, ist eine Kunst. So
verhält sich das wohl auch mit dem Glauben.
Es gibt Menschen, denen schmeckt ihr
Essen am besten ohne Würze. Denen reicht ein Leben ohne Glauben. Das
ist schade, weil es nach meinem Geschmack einfach fad bleibt. Weil
ihm das Entscheidende fehlt.
Andererseits hüte ich mich davor,
meine Würze einfach über ihr Leben zu streuen. Es gibt solche
Menschen, die anderen und sich selber die Suppe versalzen:
Sie fordern Glauben ein – und merken gar nicht, wie ungenießbar
ihr Leben geworden ist.
Mich schüttelt es vor diesem
Fundamentalismus, der alles mit einer einheitlichen Maggiwürze
zudeckt, bis nur noch Maggi zu schmecken ist.
Würzen heißt doch: Den Bestandteilen
des Essens ihren eigenen Geschmack zu verleihen.
Und das tut die Würze des Glaubens,
wenn ich sie denn mit Bedacht einsetze.
Der Glaube würzt mein Leben mit einer
Brise Dankbarkeit. All die Zutaten, die das Leben ausmachen: die
Heimat, in der ich mich wohl fühlen; die Familie, die mir
Geborgenheit gibt; die Beschäftigung, die mich ausfüllt; die
Begabungen, die mir und anderen Gutes tun und Spaß machen – all
diese Zutaten kann ich mir nur zu einem kleinen Teil selber besorgen.
Der Glaube weiß, wie wertvoll sie
sind und wie einzigartig das Mahl, das aus ihnen entsteht. Weil Gott
die Gaben schenkt.
Der Glaube fügt dem Leben auch den
Geschmack der Ehrfurcht bei. Es ist ein altes, fast vergessenes
Gewürz – die Ehrfurcht vor dem Leben. Vor dem eigenen und dem
fremden Leben, das seinen Wert unverlierbar in sich trägt.
Es gibt kein lebensunwertes Leben,
sagt die Ehrfurcht. Jedes Leben ist das Leben wert. Ohne Abstufungen
in der Gesundheit und ohne Unterschiede in der Herkunft. Der Glaube
achtet das eigene und das andere Leben. Weil es von Gott kommt.
Der Glaube verleiht dem Leben auch
Freude. Ich kann mein Leben griesgrämig Tag für Tag über mich
ergehen lassen. Wie man eben manchmal isst, weil man eben essen muss.
Der Glaube aber schenkt Freude am
Leben. Ich staune über die Zutaten, aus denen es sich zu einem
leckeren Essen zusammenfügt. Ich lächele jedem neuen Tag entgegen,
den ich mir und anderen bereite. Weil Gott ihn mir anrichtet.
Der Glaube verleiht dem Leben auch den
Geschmack von Trost. Es gibt sie, die Tage, an denen das Leben bitter
schmeckt. An denen ich das, was mir vorgesetzt wird, kaum verdauen
kann. Die Einsamkeit und die Verzweiflung, die Trauer und der Schmerz
liegen schwer im Magen. Gegen den ausgewachsenen Kummer hilft kein
Kümmerling.
Dennoch: Der Glaube mit seinem Trost
macht auch dann das Leben wenigstens genießbar. Weil Gott mit mir
den bitteren Kelch trinkt.
Der Glaube lässt das Leben
schließlich auch nach Hoffnung schmecken. Es ist die Hoffnung, dass
ich einst an Gottes Tafel ein Festmahl zu mir nehmen werden – die
Hoffnung auf das ewige Leben.
Sie kann meinem Leben jetzt tagtäglich
den Vorgeschmack auf das anstehende Festessen geben. Es schmeckt
schon ein wenig nach Ewigkeit, weil Gott sie als Würze in meinem
Alltag untermischt.
So also ist der Glaube die Würze des
Lebens. Es schmeckt einfach anders, wenn es gewürzt ist mit
Dankbarkeit und Ehrfurcht und Freude und Trost und Hoffnung.
Ich kann nun lustlos in diesem Menü
herumstochern, das mein Leben ist. Die Kartoffeln von der einen auf
die andere Seite schieben. Die Rosinen herauspicken.
Ich kann auch für mich allein das
Menü essen, das mein Leben ist. Es nebenbei zubereiten und beim
Fernsehen herunter schlingen.
Bloß wird mir dann niemand abnehmen,
dass mir mein Leben schmeckt. Dass es die Würze hat, die es
unvergleichlich macht. Womöglich werde nicht einmal ich selber es
mir abnehmen.
Aber: „Ihr seid das Salz der Erde“,
sagt Jesus. „Ihr habt die Würze des Glaubens in eurem Leben. Nun
lasst das auch andere sehen und schmecken.“
Andere werden es sehen, wenn ich mein
Leben Tag für Tag mit Begeisterung und Hingabe angehe.
Sie werden es spüren, wenn mir mein
Leben schmeckt – selbst dann, wenn es kein leichtes Leben ist.
Vielleicht fragen sie dann nach der
Würze in meinem Leben. Und ich gebe ein wenig ab an Dankbarkeit und
Ehrfurcht, an Freude und Trost und Hoffnung. Damit sie ihr Leben
einmal versuchsweise würzen können. Und – so Gott will – kommt
ihnen beim Essen dann der Appetit.
Denn: „So schmeckt das Leben!“
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