Masterpasswort - Ein Dialog zum Jahreswechsel

Alles hat seine Zeit.
Ja. Morgen ist heute schon gestern.
Und aus dem alten wird ein neues Jahr.
Wir gehen dahin und wandern von einem Jahr zum andern …
Da fällt mir ein: Ich muss noch das Passwort ändern.
Passwort? Was für ein Passwort?
Na, das Masterpasswort für all meine anderen Passwörter.
Für Amazon und Globetrotter und Google und …
Ja, das soll man regelmäßig ändern. Das weißt du doch. Damit keiner dahinter kommt.
Und das musst du heute noch tun?
Oder morgen. Fiel mir nur gerade ein.
Aha.
Das alte kann ich jetzt ja verraten.
Vor den Leuten hier?
Wird sich schon keiner einloggen. Die kennen ja den Benutzernamen nicht. Und haben außerdem ihre Smartphones alle ausgeschaltet. Ist ja Gottesdienst.
Also? Was ist dein Passwort?
R ö m 1 5 , 7
Aha.
Clever, oder? Ist alles drin, was man braucht. Große und kleine Buchstaben, Ziffern, Sonderzeichen.
Ja, ganz prima. Und das konntest du dir merken?
Klar. „Nehmt einander an wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“
Was hat das nun wieder mit … Oh nein, das ist doch nicht dein Ernst?
Doch.
R ö m 1 5 , 7 – Römer 15, Vers 7. Die Jahreslosung 2015.
Nein. Das Jahrespasswort.
Oh Mann.
Und jedes Mal, wenn ich es eingegeben habe, habe ich mich erinnert: „Nehmt einander an wie Christus euch angenommen hat.“
Und hat's geholfen?
Was?
Dich zu erinnern!
Naja.
Das wäre doch auch mal einen Jahresrückblick wert: Wo die Jahreslosung geholfen hat. Wo sie etwas bewirkt hat.
Jedenfalls wurde sie mit jedem Tag aktueller.
Du meinst die Flüchtlinge.
Ich dachte erstmal an diese Pegida-Leute.
Die haben mit annehmen aber nichts zu tun.
Deswegen fielen sie mir ein. Die behaupten, sie würden das christliche Abendland verteidigen.
Aber das urchristliche „Nehmt einander an wie Christus“ haben sie nicht verstanden. Oder wollen sie nicht verstehen.
Nehmt die anderen an. Auch die Fremden. Vor allem die.
Eigentlich überflüssig, das zu sagen. Und doch notwendig.
Nehmt einander an zu Gottes Lob.
Das wäre allen Fanatikern und Terroristen zu sagen, die für sich in Anspruch nehmen, dass sie Gottes Sache erledigen. Wenn sie denn Ohren hätten zu hören.
Gott loben, heißt nicht: Andere Menschen töten. Gott loben heißt: Andere annehmen.
Wir schaffen das!
Tatsächlich. Tausende von Freiwilligen setzen sich ein, damit Flüchtlinge eine Zuflucht finden.
Auch hier auf Föhr. Sie lernen deutsch mit den Flüchtlingen und schwimmen und radfahren. Sie essen mit ihnen Frühstück.
Und ein afghanisches Mädchen spielt beim Krippenspiel der Grundschule mit. Und ein Mann aus Albanien umsorgt von sich aus die Tiere seines Vermieters.
Nehmt einander an.
Um Christi willen. Und zu Gottes Lob.
Und dein neues Jahrespasswort lautet dann J e s 6 6 , 1 3.
Genau. Jesaja 66,13. Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.
Das klingt nicht so aktuell. Eher allgemeingültig.
War aber politisch aktuell, damals, zu seiner Zeit.
Wie immer, wenn Propheten reden. Die meinen nicht irgendeine Zukunft. Die meinen ihre eigene Gegenwart. Die soll sich ändern.
Und Jesaja versprach im Namen Gottes sozialen Frieden.
Also: Das Volk sollte getröstet werden.
Ja, die verschiedenen Menschen, die dort zusammenlebten.
Die Reichen und die Armen, die Jungen und die Alten.
Vor allem die Fremden und die Einheimischen.
Nein!?
Doch: Diejenigen, die schon immer da waren. Diejenigen, die  zurückkehrten, nachdem sie lange Jahre in der Fremde leben mussten. Und diejenigen, die aus anderen Ländern zuzogen.
Denen versprach Jesaja Frieden?
Ein Zusammenleben, das gelingt und fruchtbar ist – weil das Land nicht arm ist, sondern reich. Es reicht für alle. Ihr schafft das!
Wenn ihr nur einander annehmt zu Gottes Lob.
So passen die Jahrespasswörter zusammen.
Schade.
Wieso? Ist doch wunderbar, dass das so passt.
Ach, mir wurde schon ganz weihnachtlich: Ich will dich trösten, wie einen seine Muttertröstet. Das Jesuskind weint, Maria nimmt es und wiegt es im Arm …
… und singt leise „Maria durch ein Dornwald ging“.
Mal im Ernst: Das ist doch eine weihnachtliche Sehnsucht: Dass du getröstest wirst. Geborgen auf dem Arm der Mutter. Du musst noch schluchzen. Aber nur, weil du dich noch etwas länger anschmiegen willst.
Um dieses Gefühl auszukosten: Alles wird gut. Alles ist gut. Solange da eine ist, die dich tröstet.
Das heißt Weihnachten: Gott wird Mensch. Einer, der meine Sehnsüchte kennt und teilt. Und der sie stillt.
Und wenn er sie stillt, dann hast du dein eigenes kleines, großes Glück.
Aber Glück hast du nie für dich allein.
Und die weihnachtliche Sehnsucht reicht ja auch weiter.
Glück ist, wenn ich mit der ganzen Familie Weihnachten feiere, hat einer der Konfirmanden im Advent gesagt.
Auch ein Geschenk, wenn ich das in Frieden tun kann.
Welchen Frieden meinst du? Den Familienfrieden oder den Frieden auf Erden?
Eigentlich dachte ich an den Familienfrieden.
Von dem singen die Engel nicht. Die singen vom Frieden auf Erden.
Wie auch den eigenen Frieden genießen, wenn andere im Krieg leben?
Also ist das die eine große Sehnsucht: Frieden für alle.
Und das die große Aufgabe: Den eigenen Frieden mit allen teilen.
Und Gott in den Ohren liegen: Gib Frieden, Herr, gib Frieden.
Siehst du, dazu habe ich das Jahrespasswort: J e s  6 6 , 1 3.
Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.
Jedes Mal, wenn ich an den Rechner gehe und das Passwort eingebe, erinnere ich mich daran: Gott verspricht Frieden.
Und du kannst jedes Mal Gott an sein Versprechen erinnern.
Und der Friede Gottes, der weiter ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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