Ein Ideefest und drei Geschichten
Wer etwas zu feiern hat, hat auch etwas zu erzählen.
Das ist so bei Familienfesten. Wenn Oma und Opa ihre Goldene Hochzeit feiern und die Kinder und Enkel ein Fotoalbum zusammenstellen und Oma schmunzelnd und stolz berichtet, dass kein anderer mit ihr tanzen durfte, wenn Opa in der Nähe war.
Das ist so bei Kirchenfesten. Wenn die Gemeinde Weihnachts- und Oster- und Pfingstlieder singt und die alten Geschichten gelesen werden: Wie der ewige Gott in einem Stall als schreiendes Kind in die Welt kommt; wie der auferstandene Jesus der traurigen Maria an seinem eigenen Grab begegnet; wie der rauschende Geist ängstlichen Menschen die Zunge löst.
Heute ist auch ein Kirchenfest: Trinitatis. Ein Ideenfest hat mein Professor an der Universität es genannt. Wir feiern eine Idee. Schwieriger noch: Wir feiern ein Geheimnis, das „Glaubensgeheimnis der Dreieinigkeit Gottes“, so nannte es mein Professor.
Zu diesem Fest erzählt die Bibel keine Geschichte. Aber wer etwas feiern will, der braucht etwas zu erzählen. Also will ich Geschichten erzählen: eine Geschichte, wie sie die Bibel erzählt; zwei Geschichten, wie sie das Leben schreibt.
Vor die Geschichten stelle ich drei Strophen aus einer Art Trinitatislied. Der Brief an die Gemeinde in Ephesus singt es.
Die erste Strophe:
Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus:
Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet
durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel.
Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt,
damit wir heilig und untadelig leben vor Gott;
er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt,
seine Söhne zu werden durch Jesus Christus
und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen,
zum Lob seiner herrlichen Gnade.
(Epheserbrief 1,3-5 – Einheitsübersetzung)
Und die erste Geschichte:
Sie beginnt vor drei Jahren an einem Spätsommertag. Da trafen sich zwei junge Erwachsene zum Strandspaziergang. Er kam von der Schule, sie aus dem Hotel, in dem sie seit kurzem ihre Ausbildung machte.
Am Wochenende zuvor hatten sie sich kennen gelernt, bei der Pfingstnachfeier im Olympic. Die Nummern hatten sie ausgetauscht und sich gleich am Montag per Whatsapp verabredet.
So gingen sie also gemeinsam am Strand entlang. Er mit den Händen in der Tasche, sie mit dem Smartphone in der Hand.
Stockend erzählten sie. Über die gemeinsamen Bekannten, durch die sie sich kennen gelernt hatten. Was sie so machten. Wo sie herkamen, wo sie hinwollten.
Sie lachten miteinander, sie lachten einander an. Sie kamen einander näher. Sie schauten sich in die Augen. Wieder und wieder. Der Blick kitzelte im Bauch. Er reichte bis tief in die Seele.
Sie sahen den jeweils anderen. Und sie erkannten sich selber in dessen Blick – als ein Mensch, der geliebt wird.
Irgendwann nahmen sie sich bei der Hand, hielten sich in den Armen. Zum Abschied küssten sie sich: Für diesen einen Augenblick gehörten sie ganz dem anderen.
Das Herz ging ihnen über und geht es auch heute noch, wenn sie davon erzählen. Es ist die Geschichte von ihrem heiligen Anfang. Dem Anfang, der nicht ihnen gehörte, sondern der ihnen geschenkt wurde.
An diesem Tag tauchten sie ein in die Liebe, die weiter ist als sie selber. Diese Liebe gehört nicht ihnen. Sie gehören der Liebe – und in ihr gehören sie dem anderen.
Die zweite Strophe:
Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn;
durch sein Blut haben wir die Erlösung,
die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade.
Durch sie hat er uns mit aller Weisheit und Einsicht reich beschenkt
und hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan,
wie er es gnädig im Voraus bestimmt hat:
Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen,
in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist.
(Epheserbrief 1,6-10 – Einheitsübersetzung)
Und die zweite Geschichte:
Sie beginnt aus der Ferne: Nikodemus hört die Geschichten, die sich in Windeseile über diesen Jesus aus Nazareth verbreiten.
In den Vorhöfen des Tempels sorgt der für Aufruhr. Die Händler, die Opfertiere verkaufen, jagt er aus dem Tempel. Die Münzen der Geldwechsler fegt er zu Boden. Das Haus Gottes soll ein heiliger Ort sein. Es soll allein Gott gehören.
Noch davor feiert er in Kana, einem Dorf in Galiläa, bei einer Hochzeit mit und – so heißt es – als der Wein ausgeht, sorgt er für neuen. Er verwandelt Wasser, das für rituelle Waschungen bestimmt war, in Wein. Als sei eine heilige Zeit angebrochen. Eine Zeit, die ganz und gar Gott gehört.
Nikodemus hört die Geschichten und bewegt sie in seinem Herzen. Wenn sie stimmen, dann ist dieser Jesus ein Mann Gottes, ein Heiliger, einer der zu Gott gehört.
Also macht sich Nikodemus auf den Weg zu Jesus. Er trifft ihn im Dunkel der Nacht – die Zeit, in der alles andere schweigt und du leichter die Wahrheit hörst, die dich unbedingt angeht. Sie ist die Zeit, in der du Gott begegnen kannst.
Nikodemus fühlt sich angezogen von dem Mann ihm gegenüber. Er spürt das Charisma, die Gottesgabe, die von diesem Mann ausstrahlt. Sie macht die Geschichten, die von ihm erzählt werden, glaubhaft. „Du bist ein Lehrer, den Gott uns geschickt hat.“ (Johannesevangelium 3,2 -- www.basisbibel.de.)
Dieser Mann aber stößt Nikodemus auf sich selber zurück: „Nur wenn jemand von oben her neu geboren wird, kann er das Reich Gottes sehen.“ (Johannesevangelium 3,5 -- www.basisbibel.de.)
Es geht nicht um den Lehrer, der von Gott kommt. Es geht um den Schüler, der etwas lernen soll. Es geht um das, was er lernen soll.
„Was von Menschen geboren wird, ist ein Menschenkind. Was vom Geist geboren wird, ist ein Kind des Geistes.“ (Johannesevangelium 3,6 -- www.basisbibel.de.)
Schau dich nicht mit deinen eigenen Augen an. Schau dich mit Gottes Augen an. Du bist ein Kind Gottes. Wie wird er dich anschauen? So, dass du erkennst, wer du wirklich bist: ein Mensch, der geliebt wird. Ohne Wenn und Aber.
Und wenn du dich so anschaust, dann weißt du: Du gehörst nicht dir selber. Du bist nicht dein eigenes Werk. Du bist Gottes Wille. Du gehörst zu Gott. Du bist ein Heiliger.
So einfach ist das. Und so schwer zu lernen. Nikodemus gelingt es nicht in dieser Nacht. Jesus schaut ihn so an, dass er sich erkennen kann. Doch er sieht es nicht.
Zwei, drei Jahre später erst bekommt Nikodemus die Augen geöffnet.
Er kommt zum Kreuz, an dem Jesus qualvoll gestorben ist. Eine Mischung aus Myrrhe und Aloe bringt er mit, etwa 100 Pfund. Gemeinsam mit Josef aus Arimathäa balsamiert er den Leichnahm und wickelt ihn in Leinenbinden ein und legt ihn in eine neue Grabkammer.
In Nikodemus steigen die Bilder aus jener lang zurück liegenden Nacht wieder auf. Und er sieht den Blick, mit dem Jesus ihn ansah. Und da weiß er, dass es Gottes Blick war, der auf damals auf ihm lag und jetzt immer noch liegt.
Er erkennt sich in diesem Augenblick: Du bist ein geliebtes Kind Gottes. Und das fühlt sich an wie eine neue Geburt. Er wird neu geboren als Mensch, der Gott gehört. Ein Heiliger.
Und eigenartig: In dem Augenblick weiß er auch, dass dieser Tod Jesu am Kreuz nicht das Ende ist. Etwas unerhört Neues wird anfangen.
Und die dritte Strophe:
Durch ihn sind wir auch als Erben vorherbestimmt und eingesetzt
nach dem Plan dessen, der alles so verwirklicht,
wie er es in seinem Willen beschließt;
wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt,
die wir schon früher auf Christus gehofft haben.
Durch ihn habt auch ihr das Wort der Wahrheit gehört, das Evangelium von eurer Rettung;
durch ihn habt ihr das Siegel des verheißenen Heiligen Geistes empfangen,
als ihr den Glauben annahmt.
Der Geist ist der erste Anteil des Erbes,
das wir erhalten sollen,
der Erlösung, durch die wir Gottes Eigentum werden,
zum Lob seiner Herrlichkeit.
(Epheserbrief 1,11-14 – Einheitsübersetzung)
Und die dritte Geschichte:
Sie beginnt weiter zurück, als die beiden Brüder sich erinnern können.
Sie sind zugleich nah und fern. Sie gehen sich nicht aus dem Weg, aber sie suchen auch nicht die Nähe zueinander. Zu unterschiedlich sind sie.
Der Ältere ist vorsichtig, bedächtig, vernünftig, schweigsam. Der Jüngere ist stürmisch, probiert fast alles aus, lebt drauflos und redet gern.
Für den Älteren ist der Jüngere immer der Kleine, auf den er aufpassen muss und der all das tut, was er sich nicht traut. Für den Jüngeren ist der Ältere immer der Große, der ihm von allen Seiten als Vorbild vorgehalten wird und der ihm in allem immer einen Schritt voraus ist.
Sie haben sich nicht viel zu sagen, als sie erwachsen werden und jeder seinen eigenen Weg geht, der Jüngere in die große Stadt, der Ältere aufs Land.
So bleibt es, bis sie sich um die Eltern kümmern müssen, die in ihrem Haus nicht mehr allein zurecht kommen.
Langsam lernen die beiden Brüder, miteinander zu reden. Erst über die Eltern. Dann über ihren Alltag. Schließlich auch über ihre gemeinsame Kindheit.
Und langsam lernen sie, einander zu verstehen. Sie hören die gemeinsame Geschichte von einem anderen Erzähler und schauen mit dem fremden Blick auf ihre eigene Rolle.
Und langsam lernen sie, ihre Rolle in dem Bruderspiel anders zu spielen. Der Wettstreit um die Eltern ist beendet. Nun verbindet sie die Sorge um die Eltern.
Ein neuer Geist verbindet sie. Noch ist er zu neu, um viel über ihn sagen zu können. Aber vielleicht ist er der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Drei Geschichten also: Wer etwas zu feiern hat, der hat auch etwas zu erzählen. Das ist auch beim Ideenfest so, beim Glaubensgeheimnis der Dreieinigkeit Gottes.
Das Fest hat etwas zu erzählen, wovon jeder etwas zu erzählen hat: Davon nämlich, wie Gott einem begegnet.
Erzählen Sie sich und anderen Ihre Geschichte. Und denken Sie daran, sie immer wieder gebührend zu feiern.
Das ist so bei Familienfesten. Wenn Oma und Opa ihre Goldene Hochzeit feiern und die Kinder und Enkel ein Fotoalbum zusammenstellen und Oma schmunzelnd und stolz berichtet, dass kein anderer mit ihr tanzen durfte, wenn Opa in der Nähe war.
Das ist so bei Kirchenfesten. Wenn die Gemeinde Weihnachts- und Oster- und Pfingstlieder singt und die alten Geschichten gelesen werden: Wie der ewige Gott in einem Stall als schreiendes Kind in die Welt kommt; wie der auferstandene Jesus der traurigen Maria an seinem eigenen Grab begegnet; wie der rauschende Geist ängstlichen Menschen die Zunge löst.
Heute ist auch ein Kirchenfest: Trinitatis. Ein Ideenfest hat mein Professor an der Universität es genannt. Wir feiern eine Idee. Schwieriger noch: Wir feiern ein Geheimnis, das „Glaubensgeheimnis der Dreieinigkeit Gottes“, so nannte es mein Professor.
Zu diesem Fest erzählt die Bibel keine Geschichte. Aber wer etwas feiern will, der braucht etwas zu erzählen. Also will ich Geschichten erzählen: eine Geschichte, wie sie die Bibel erzählt; zwei Geschichten, wie sie das Leben schreibt.
Vor die Geschichten stelle ich drei Strophen aus einer Art Trinitatislied. Der Brief an die Gemeinde in Ephesus singt es.
Die erste Strophe:
Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus:
Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet
durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel.
Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt,
damit wir heilig und untadelig leben vor Gott;
er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt,
seine Söhne zu werden durch Jesus Christus
und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen,
zum Lob seiner herrlichen Gnade.
(Epheserbrief 1,3-5 – Einheitsübersetzung)
Und die erste Geschichte:
Sie beginnt vor drei Jahren an einem Spätsommertag. Da trafen sich zwei junge Erwachsene zum Strandspaziergang. Er kam von der Schule, sie aus dem Hotel, in dem sie seit kurzem ihre Ausbildung machte.
Am Wochenende zuvor hatten sie sich kennen gelernt, bei der Pfingstnachfeier im Olympic. Die Nummern hatten sie ausgetauscht und sich gleich am Montag per Whatsapp verabredet.
So gingen sie also gemeinsam am Strand entlang. Er mit den Händen in der Tasche, sie mit dem Smartphone in der Hand.
Stockend erzählten sie. Über die gemeinsamen Bekannten, durch die sie sich kennen gelernt hatten. Was sie so machten. Wo sie herkamen, wo sie hinwollten.
Sie lachten miteinander, sie lachten einander an. Sie kamen einander näher. Sie schauten sich in die Augen. Wieder und wieder. Der Blick kitzelte im Bauch. Er reichte bis tief in die Seele.
Sie sahen den jeweils anderen. Und sie erkannten sich selber in dessen Blick – als ein Mensch, der geliebt wird.
Irgendwann nahmen sie sich bei der Hand, hielten sich in den Armen. Zum Abschied küssten sie sich: Für diesen einen Augenblick gehörten sie ganz dem anderen.
Das Herz ging ihnen über und geht es auch heute noch, wenn sie davon erzählen. Es ist die Geschichte von ihrem heiligen Anfang. Dem Anfang, der nicht ihnen gehörte, sondern der ihnen geschenkt wurde.
An diesem Tag tauchten sie ein in die Liebe, die weiter ist als sie selber. Diese Liebe gehört nicht ihnen. Sie gehören der Liebe – und in ihr gehören sie dem anderen.
Die zweite Strophe:
Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn;
durch sein Blut haben wir die Erlösung,
die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade.
Durch sie hat er uns mit aller Weisheit und Einsicht reich beschenkt
und hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan,
wie er es gnädig im Voraus bestimmt hat:
Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen,
in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist.
(Epheserbrief 1,6-10 – Einheitsübersetzung)
Und die zweite Geschichte:
Sie beginnt aus der Ferne: Nikodemus hört die Geschichten, die sich in Windeseile über diesen Jesus aus Nazareth verbreiten.
In den Vorhöfen des Tempels sorgt der für Aufruhr. Die Händler, die Opfertiere verkaufen, jagt er aus dem Tempel. Die Münzen der Geldwechsler fegt er zu Boden. Das Haus Gottes soll ein heiliger Ort sein. Es soll allein Gott gehören.
Noch davor feiert er in Kana, einem Dorf in Galiläa, bei einer Hochzeit mit und – so heißt es – als der Wein ausgeht, sorgt er für neuen. Er verwandelt Wasser, das für rituelle Waschungen bestimmt war, in Wein. Als sei eine heilige Zeit angebrochen. Eine Zeit, die ganz und gar Gott gehört.
Nikodemus hört die Geschichten und bewegt sie in seinem Herzen. Wenn sie stimmen, dann ist dieser Jesus ein Mann Gottes, ein Heiliger, einer der zu Gott gehört.
Also macht sich Nikodemus auf den Weg zu Jesus. Er trifft ihn im Dunkel der Nacht – die Zeit, in der alles andere schweigt und du leichter die Wahrheit hörst, die dich unbedingt angeht. Sie ist die Zeit, in der du Gott begegnen kannst.
Nikodemus fühlt sich angezogen von dem Mann ihm gegenüber. Er spürt das Charisma, die Gottesgabe, die von diesem Mann ausstrahlt. Sie macht die Geschichten, die von ihm erzählt werden, glaubhaft. „Du bist ein Lehrer, den Gott uns geschickt hat.“ (Johannesevangelium 3,2 -- www.basisbibel.de.)
Dieser Mann aber stößt Nikodemus auf sich selber zurück: „Nur wenn jemand von oben her neu geboren wird, kann er das Reich Gottes sehen.“ (Johannesevangelium 3,5 -- www.basisbibel.de.)
Es geht nicht um den Lehrer, der von Gott kommt. Es geht um den Schüler, der etwas lernen soll. Es geht um das, was er lernen soll.
„Was von Menschen geboren wird, ist ein Menschenkind. Was vom Geist geboren wird, ist ein Kind des Geistes.“ (Johannesevangelium 3,6 -- www.basisbibel.de.)
Schau dich nicht mit deinen eigenen Augen an. Schau dich mit Gottes Augen an. Du bist ein Kind Gottes. Wie wird er dich anschauen? So, dass du erkennst, wer du wirklich bist: ein Mensch, der geliebt wird. Ohne Wenn und Aber.
Und wenn du dich so anschaust, dann weißt du: Du gehörst nicht dir selber. Du bist nicht dein eigenes Werk. Du bist Gottes Wille. Du gehörst zu Gott. Du bist ein Heiliger.
So einfach ist das. Und so schwer zu lernen. Nikodemus gelingt es nicht in dieser Nacht. Jesus schaut ihn so an, dass er sich erkennen kann. Doch er sieht es nicht.
Zwei, drei Jahre später erst bekommt Nikodemus die Augen geöffnet.
Er kommt zum Kreuz, an dem Jesus qualvoll gestorben ist. Eine Mischung aus Myrrhe und Aloe bringt er mit, etwa 100 Pfund. Gemeinsam mit Josef aus Arimathäa balsamiert er den Leichnahm und wickelt ihn in Leinenbinden ein und legt ihn in eine neue Grabkammer.
In Nikodemus steigen die Bilder aus jener lang zurück liegenden Nacht wieder auf. Und er sieht den Blick, mit dem Jesus ihn ansah. Und da weiß er, dass es Gottes Blick war, der auf damals auf ihm lag und jetzt immer noch liegt.
Er erkennt sich in diesem Augenblick: Du bist ein geliebtes Kind Gottes. Und das fühlt sich an wie eine neue Geburt. Er wird neu geboren als Mensch, der Gott gehört. Ein Heiliger.
Und eigenartig: In dem Augenblick weiß er auch, dass dieser Tod Jesu am Kreuz nicht das Ende ist. Etwas unerhört Neues wird anfangen.
Und die dritte Strophe:
Durch ihn sind wir auch als Erben vorherbestimmt und eingesetzt
nach dem Plan dessen, der alles so verwirklicht,
wie er es in seinem Willen beschließt;
wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt,
die wir schon früher auf Christus gehofft haben.
Durch ihn habt auch ihr das Wort der Wahrheit gehört, das Evangelium von eurer Rettung;
durch ihn habt ihr das Siegel des verheißenen Heiligen Geistes empfangen,
als ihr den Glauben annahmt.
Der Geist ist der erste Anteil des Erbes,
das wir erhalten sollen,
der Erlösung, durch die wir Gottes Eigentum werden,
zum Lob seiner Herrlichkeit.
(Epheserbrief 1,11-14 – Einheitsübersetzung)
Und die dritte Geschichte:
Sie beginnt weiter zurück, als die beiden Brüder sich erinnern können.
Sie sind zugleich nah und fern. Sie gehen sich nicht aus dem Weg, aber sie suchen auch nicht die Nähe zueinander. Zu unterschiedlich sind sie.
Der Ältere ist vorsichtig, bedächtig, vernünftig, schweigsam. Der Jüngere ist stürmisch, probiert fast alles aus, lebt drauflos und redet gern.
Für den Älteren ist der Jüngere immer der Kleine, auf den er aufpassen muss und der all das tut, was er sich nicht traut. Für den Jüngeren ist der Ältere immer der Große, der ihm von allen Seiten als Vorbild vorgehalten wird und der ihm in allem immer einen Schritt voraus ist.
Sie haben sich nicht viel zu sagen, als sie erwachsen werden und jeder seinen eigenen Weg geht, der Jüngere in die große Stadt, der Ältere aufs Land.
So bleibt es, bis sie sich um die Eltern kümmern müssen, die in ihrem Haus nicht mehr allein zurecht kommen.
Langsam lernen die beiden Brüder, miteinander zu reden. Erst über die Eltern. Dann über ihren Alltag. Schließlich auch über ihre gemeinsame Kindheit.
Und langsam lernen sie, einander zu verstehen. Sie hören die gemeinsame Geschichte von einem anderen Erzähler und schauen mit dem fremden Blick auf ihre eigene Rolle.
Und langsam lernen sie, ihre Rolle in dem Bruderspiel anders zu spielen. Der Wettstreit um die Eltern ist beendet. Nun verbindet sie die Sorge um die Eltern.
Ein neuer Geist verbindet sie. Noch ist er zu neu, um viel über ihn sagen zu können. Aber vielleicht ist er der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Drei Geschichten also: Wer etwas zu feiern hat, der hat auch etwas zu erzählen. Das ist auch beim Ideenfest so, beim Glaubensgeheimnis der Dreieinigkeit Gottes.
Das Fest hat etwas zu erzählen, wovon jeder etwas zu erzählen hat: Davon nämlich, wie Gott einem begegnet.
Erzählen Sie sich und anderen Ihre Geschichte. Und denken Sie daran, sie immer wieder gebührend zu feiern.
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