Weihnachtspost
Erster Brief
Meine Liebe!
Er ein kräftiger Mann, etwas älter als ich. Staubige Füße, verschwitztes Hemd. Sie ein junges Mädchen, fast zu jung für ihren Zustand. Hochschwanger war sie.
Genau neben uns setzte sie sich auf einen Findling. Sie schloss die Augen, seufzte tief, hielt sich die Seite. Ich musste gleich an dich denken.
Sie sprach mit ihm. Traurig und verzweifelt klang ihre Stimme. Er antwortete ihr. Breitete gleichzeitig hilflos die Arme aus und zeigte auf das Dorf, als wolle er dort jemandem die Schuld geben.
Ich tat, was man als Offizier eigentlich nicht darf. Ich trat zu ihnen. Ich sprach ihn an mit einem der wenigen aramäischen Wörter, die ich kann: Shlomo. Er zögerte. Friede auch mit dir, antwortete er schließlich auf griechisch.
Sie kamen aus dem Norden. Er war Handwerker in einer der neuen römischen Siedlungen dort. Bei seiner Vertrauten – ja, er sagte: meine Vertraute – hatten die Wehen eingesetzt.
Bei dem, was ich dann tat, überlegte ich nicht lange. Ich hielt einen Mann an, der mit seinem Esel gerade vorbei kam. Ich zeigte auf das Mädchen und sagte ihm, dass wir das Tier brauchten.
Der Mann wagte sich nicht gegen den Soldaten, der ich war, zu stellen. Das Mädchen setzte sich auf den Esel, ihr Vertrauter führte sie in das Dorf.
Ich nahm einen Kameraden und begleitete das Paar. Wir zogen im Dorf von Herberge zu Herberge. Wir blieben im Hintergrund, während der Mann klopfte und klopfte. Überall wurde er abgewiesen.
Irgendwann verlor ich die Geduld. Ich trat neben den Mann und verlangte vom Wirt im Namen Roms, dass er das Paar aufnehmen müsse.
Grummelnd trat er vor die Tür und sagte dem Paar und mir, dass wir ihm folgen sollten. Er ging um das Haus zu einer Höhle, die dort in die Felswand gehauen war. Eine Art Stall mit Strohlager und Futterkrippe.
Ich trat auf den Wirt zu – doch der Mann hielt mich am Arm zurück. Es ist gut, sagte er. Wir bleiben hier.
Er schüttelte den Kopf, als ich fragte, ob wir noch etwas tun könnten für ihn und seine Vertraute. Und so wünschten wir uns noch einmal Shlomo. Friede.
Ein schöner Brauch eigentlich, sich das zu wünschen. So schließe auch ich meinen Brief:
Friede sei mit dir, meine Liebe, und mit euch.
Meine Liebe!
Soldaten werden immer gebraucht. Ich
habe diesen Satz meiner Mutter nie verstanden. Natürlich: Ich bin
der Sohn eines Offiziers, der Sohn eines Offiziers war, der auch Sohn
eines Offiziers war, der wiederum … Die Söhne in unserer Familie
wurden schon immer Legionäre.
Und die Frauen wurden schon immer Witwen. Meinen Großvater habe ich nie kennen gelernt. Und mein Vater starb, als ich sieben Jahre alt war.
Dennoch sagte meine Mutter diesen Satz: Soldaten werden immer gebraucht. Dennoch bin ich Soldat geworden.
Warum eigentlich?, hast du mich vor meinem Aufbruch gefragt. Und hinzugefügt: Ich möchte nicht Witwe werden. Vor allem nicht jetzt.
Wie mag es dir gehen? Drei Monate sind vergangen. Kannst du es schon spüren? Wird dir immer noch schlecht?
Nun bin ich hier, in der Provinz Judäa. Wir wurden nach Bethlehem beordert. Ein kleines Dorf in den Bergen, etwas südlich von Jerusalem. Wir sollen die örtliche Steuerbehörde bei der Volkszählung unterstützen.
Beliebt machen wir uns damit nicht. Wir sind nun mal die fremden Soldaten. Da kann man noch so viel von der Pax Romana reden und davon, dass wir die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten. Fremdherrschaft bleibt Unterwerfung.
Und die Idee des Kaisers, die Männer in Judäa in Steuerlisten zu erfassen, macht die Stimmung nicht besser.
Denn irgendjemand hatte in seiner Schreibstube die Idee, dass dafür jeder zu seinem Geburtsort ziehen soll. Also mussten sie hier zu einer Völkerwanderung aufbrechen.
Die einen ziehen vom Osten in den Westen, die anderen von Norden nach Süden. Die einzigen, die daran verdienen, sind – neben den Steuerbehörden – die Gastwirte.
Die schlechte Stimmung bekommen häufig wir ab. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Niemand wagt es, uns anzugreifen. Zumindest nicht mit Waffen. Hin und wieder fliegen Steine. Meistens aber bleibt es bei Worten.
Die aramäischen Verwünschungen verstehen wir zum Glück nicht. Aber der Tonfall und die Handbewegungen und die Grimassen sind eindeutig.
Dabei tun wir doch nur unsere Pflicht. Und manchmal versuchen wir auch über sie hinaus zu helfen.
Heute zum Beispiel. Wir standen am
Dorfeingang an der Straße aus Jerusalem. Zwischen all den Leuten
fiel mir ein Paar auf. Und die Frauen wurden schon immer Witwen. Meinen Großvater habe ich nie kennen gelernt. Und mein Vater starb, als ich sieben Jahre alt war.
Dennoch sagte meine Mutter diesen Satz: Soldaten werden immer gebraucht. Dennoch bin ich Soldat geworden.
Warum eigentlich?, hast du mich vor meinem Aufbruch gefragt. Und hinzugefügt: Ich möchte nicht Witwe werden. Vor allem nicht jetzt.
Wie mag es dir gehen? Drei Monate sind vergangen. Kannst du es schon spüren? Wird dir immer noch schlecht?
Nun bin ich hier, in der Provinz Judäa. Wir wurden nach Bethlehem beordert. Ein kleines Dorf in den Bergen, etwas südlich von Jerusalem. Wir sollen die örtliche Steuerbehörde bei der Volkszählung unterstützen.
Beliebt machen wir uns damit nicht. Wir sind nun mal die fremden Soldaten. Da kann man noch so viel von der Pax Romana reden und davon, dass wir die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten. Fremdherrschaft bleibt Unterwerfung.
Und die Idee des Kaisers, die Männer in Judäa in Steuerlisten zu erfassen, macht die Stimmung nicht besser.
Denn irgendjemand hatte in seiner Schreibstube die Idee, dass dafür jeder zu seinem Geburtsort ziehen soll. Also mussten sie hier zu einer Völkerwanderung aufbrechen.
Die einen ziehen vom Osten in den Westen, die anderen von Norden nach Süden. Die einzigen, die daran verdienen, sind – neben den Steuerbehörden – die Gastwirte.
Die schlechte Stimmung bekommen häufig wir ab. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Niemand wagt es, uns anzugreifen. Zumindest nicht mit Waffen. Hin und wieder fliegen Steine. Meistens aber bleibt es bei Worten.
Die aramäischen Verwünschungen verstehen wir zum Glück nicht. Aber der Tonfall und die Handbewegungen und die Grimassen sind eindeutig.
Dabei tun wir doch nur unsere Pflicht. Und manchmal versuchen wir auch über sie hinaus zu helfen.
Er ein kräftiger Mann, etwas älter als ich. Staubige Füße, verschwitztes Hemd. Sie ein junges Mädchen, fast zu jung für ihren Zustand. Hochschwanger war sie.
Genau neben uns setzte sie sich auf einen Findling. Sie schloss die Augen, seufzte tief, hielt sich die Seite. Ich musste gleich an dich denken.
Sie sprach mit ihm. Traurig und verzweifelt klang ihre Stimme. Er antwortete ihr. Breitete gleichzeitig hilflos die Arme aus und zeigte auf das Dorf, als wolle er dort jemandem die Schuld geben.
Ich tat, was man als Offizier eigentlich nicht darf. Ich trat zu ihnen. Ich sprach ihn an mit einem der wenigen aramäischen Wörter, die ich kann: Shlomo. Er zögerte. Friede auch mit dir, antwortete er schließlich auf griechisch.
Sie kamen aus dem Norden. Er war Handwerker in einer der neuen römischen Siedlungen dort. Bei seiner Vertrauten – ja, er sagte: meine Vertraute – hatten die Wehen eingesetzt.
Bei dem, was ich dann tat, überlegte ich nicht lange. Ich hielt einen Mann an, der mit seinem Esel gerade vorbei kam. Ich zeigte auf das Mädchen und sagte ihm, dass wir das Tier brauchten.
Der Mann wagte sich nicht gegen den Soldaten, der ich war, zu stellen. Das Mädchen setzte sich auf den Esel, ihr Vertrauter führte sie in das Dorf.
Ich nahm einen Kameraden und begleitete das Paar. Wir zogen im Dorf von Herberge zu Herberge. Wir blieben im Hintergrund, während der Mann klopfte und klopfte. Überall wurde er abgewiesen.
Irgendwann verlor ich die Geduld. Ich trat neben den Mann und verlangte vom Wirt im Namen Roms, dass er das Paar aufnehmen müsse.
Grummelnd trat er vor die Tür und sagte dem Paar und mir, dass wir ihm folgen sollten. Er ging um das Haus zu einer Höhle, die dort in die Felswand gehauen war. Eine Art Stall mit Strohlager und Futterkrippe.
Ich trat auf den Wirt zu – doch der Mann hielt mich am Arm zurück. Es ist gut, sagte er. Wir bleiben hier.
Er schüttelte den Kopf, als ich fragte, ob wir noch etwas tun könnten für ihn und seine Vertraute. Und so wünschten wir uns noch einmal Shlomo. Friede.
Ein schöner Brauch eigentlich, sich das zu wünschen. So schließe auch ich meinen Brief:
Friede sei mit dir, meine Liebe, und mit euch.
Zweiter Brief
Friede sei mit dir, meine Liebe!
Schon bald bin ich wieder bei dir.
Vielleicht sogar eher, als dieser Brief dich erreicht. Ich habe um
Versetzung gebeten. Heute kam die Nachricht, dass sie genehmigt
ist.
Wenn alles gut geht, komme ich noch rechtzeitig zu dir. Gleich morgen breche ich auf. Zwei Tage bis Cäsarea, eine Woche Überfahrt nach Marsilia, drei Tage bis Nemausus.
Das alles wegen des Kindes. Es heißt Jeschua. Das bedeutet auf griechisch „Gott rettet“. Mich hat es gerettet.
Aber du wirst gar nicht wissen, von welchem Kind ich schreibe. Oder vielleicht doch: Es ist das Kind des Mädchens, von dem ich dir im letzten Brief erzählte.
Ich hatte immer mal an das Paar gedacht nach jenem Tag, an dem ich ihnen zu der Unterkunft in dem Stall verholfen hatte.
Eine Woche später hörte ich, wie einer hinter mir mit schnellen Schritten angelaufen kam. Ich drehte mich um, es hätte ein Angriff sein können.
Da stand er vor mir und strahlte und breitete die Arme aus und nahm mich in den Arm. Ein Judäer umarmte einen römischen Soldaten auf offener Straße! Er musste verrückt sein.
War er auch: verrückt vor Freude. Friede, mein Freund, rief er, das Kind ist da. Er strahlte. Er zog mich am Arm.
Ich zögerte, dann folgte ich ihm. Ich wollte das Kind sehen. Auch weil ich an dich dachte und daran, wie es dir wohl ginge.
Fast rannte der Mann. Vor dem Stall blieb er stehen und legte den Zeigefinger an die Lippen. Vorsichtig öffnete er die Tür.
Dann trat er beiseite und winkte mir, an ihm vorbei einzutreten. So leise ich konnte, ging ich hinein. Das Stroh raschelte unter meinen Schritten.
Das Mädchen lächelte mich an. Der Schatten unter den Augen war noch dunkler geworden. Aber aus den Augen strahlte sternenklares Glück.
Der Mann führte mich geradezu andächtig zur Krippe. Ich musste über ihn lächeln. Dann stand auch ich neben der Krippe und schaute das Kind an – und mein Lächeln verwandelte sich.
Ich verwandelte mich. Glaube mir, in diesem Augenblick, als ich bei dem Kind stand, wurde ich ein anderer Mensch.
Ich weiß nicht, woran es lag. Vielleicht geht das allen so, die das erste Mal ein kleines Leben von Angesicht zu Angesicht sehen. Vielleicht war es auch nur mein Heimweh nach dir. Plötzlich hatte ich Tränen in den Augen.
Mir war, als würde ein Panzer aufbrechen, der sich um mein Herz gelegt hatte. Ein Panzer aus Befehlen, die ich befolgt hatte und die ich erteilt hatte.
Der Gedanke, bald wieder das Bellen der Befehle zu hören, widerte mich an. Singen wollte ich. Dem Kind ein Lied singen. Tatsächlich fing das Mädchen, das inzwischen eine Mutter war, in genau diesem Augenblick an, zu summen.
Ob es die Melodie war, die in mir anklang, oder das Kind vor mir, das im Schlaf seufzte – ich weiß es nicht. Ich fühlte mich mit einem Mal frei und leicht.
Frei, das zu tun, was ich wollte. Die Angst, die mich – wie du weißt – ständig begleitete, fiel von mir. Ich atmete tief durch. und auf. Ich legte dem Mann die Hand auf die Schulter.
Lange standen wir so. Zuerst schweigend. Dann begann ich zu erzählen. Von dir und dem Kind, das geboren werden würde, während ich am anderen Ende des Meeres wäre.
Der Mann schaute mich an und stellte mir nur eine Frage: „Warum bist du hier und nicht bei ihr?“
Ich sagte, was ich dir sagte, bevor ich aufbrach. Dass Befehle Befehle seien und Wünsche Wünsche, und dass Soldaten nun einmal auf Befehle hörten und nicht auf Wünsche.
Da antwortete mir eine Stimme. „Fürchte dich nicht“, sagte sie. „Ich befehle dir: Folge deinem Wunsch. Friede sei mit dir.“
Es war nicht die Stimme des Mannes, nicht die des Mädchens. Der Säugling vor mir konnte es nicht sein. Auch wenn er wach war und ich mir einen Augenblick einbildete, er würde mich anschauen.
Aber ich hatte die Stimme gehört. Ich sagte mehr zu ihr als zu dem Mann neben mir: „Du hast Recht. Ich sollte bei ihr sein.“
Ich brauchte zwei Tage, bis ich mich dazu durchrang, das Schreiben aufzusetzen: Ich stelle hiermit den Antrag, mit sofortiger Wirkung zur Colonia Nemausus in Gallien versetzt zu werden. Meine Frau erwartet dort ein Kind.
Ich brauchte zwei weitere Tage, bis ich endlich zum Zenturio ging, um den Antrag abzugeben. Er las ihn durch, er schaute mich an. „Glückwunsch, Mann“, polterte er. „Warum kommst du jetzt erst? Ich werde sehen, was ich tun kann.“
Heute erhielt ich die Genehmigung. Morgen schon werde ich aufbrechen. Bald sehen wir uns wieder.
Wenn ich diesen Brief bei der Poststelle abgegeben habe, werde ich noch einmal zu dem Stall gehen, zum Kind und dem Paar. Ich werde ihnen erzählen, dass ich heimkehre zu dir und zu dem Kind, das uns geboren werden soll. Und sie werden mir Frieden wünschen.
Wenn alles gut geht, komme ich noch rechtzeitig zu dir. Gleich morgen breche ich auf. Zwei Tage bis Cäsarea, eine Woche Überfahrt nach Marsilia, drei Tage bis Nemausus.
Das alles wegen des Kindes. Es heißt Jeschua. Das bedeutet auf griechisch „Gott rettet“. Mich hat es gerettet.
Aber du wirst gar nicht wissen, von welchem Kind ich schreibe. Oder vielleicht doch: Es ist das Kind des Mädchens, von dem ich dir im letzten Brief erzählte.
Ich hatte immer mal an das Paar gedacht nach jenem Tag, an dem ich ihnen zu der Unterkunft in dem Stall verholfen hatte.
Eine Woche später hörte ich, wie einer hinter mir mit schnellen Schritten angelaufen kam. Ich drehte mich um, es hätte ein Angriff sein können.
Da stand er vor mir und strahlte und breitete die Arme aus und nahm mich in den Arm. Ein Judäer umarmte einen römischen Soldaten auf offener Straße! Er musste verrückt sein.
War er auch: verrückt vor Freude. Friede, mein Freund, rief er, das Kind ist da. Er strahlte. Er zog mich am Arm.
Ich zögerte, dann folgte ich ihm. Ich wollte das Kind sehen. Auch weil ich an dich dachte und daran, wie es dir wohl ginge.
Fast rannte der Mann. Vor dem Stall blieb er stehen und legte den Zeigefinger an die Lippen. Vorsichtig öffnete er die Tür.
Dann trat er beiseite und winkte mir, an ihm vorbei einzutreten. So leise ich konnte, ging ich hinein. Das Stroh raschelte unter meinen Schritten.
Das Mädchen lächelte mich an. Der Schatten unter den Augen war noch dunkler geworden. Aber aus den Augen strahlte sternenklares Glück.
Der Mann führte mich geradezu andächtig zur Krippe. Ich musste über ihn lächeln. Dann stand auch ich neben der Krippe und schaute das Kind an – und mein Lächeln verwandelte sich.
Ich verwandelte mich. Glaube mir, in diesem Augenblick, als ich bei dem Kind stand, wurde ich ein anderer Mensch.
Ich weiß nicht, woran es lag. Vielleicht geht das allen so, die das erste Mal ein kleines Leben von Angesicht zu Angesicht sehen. Vielleicht war es auch nur mein Heimweh nach dir. Plötzlich hatte ich Tränen in den Augen.
Mir war, als würde ein Panzer aufbrechen, der sich um mein Herz gelegt hatte. Ein Panzer aus Befehlen, die ich befolgt hatte und die ich erteilt hatte.
Der Gedanke, bald wieder das Bellen der Befehle zu hören, widerte mich an. Singen wollte ich. Dem Kind ein Lied singen. Tatsächlich fing das Mädchen, das inzwischen eine Mutter war, in genau diesem Augenblick an, zu summen.
Ob es die Melodie war, die in mir anklang, oder das Kind vor mir, das im Schlaf seufzte – ich weiß es nicht. Ich fühlte mich mit einem Mal frei und leicht.
Frei, das zu tun, was ich wollte. Die Angst, die mich – wie du weißt – ständig begleitete, fiel von mir. Ich atmete tief durch. und auf. Ich legte dem Mann die Hand auf die Schulter.
Lange standen wir so. Zuerst schweigend. Dann begann ich zu erzählen. Von dir und dem Kind, das geboren werden würde, während ich am anderen Ende des Meeres wäre.
Der Mann schaute mich an und stellte mir nur eine Frage: „Warum bist du hier und nicht bei ihr?“
Ich sagte, was ich dir sagte, bevor ich aufbrach. Dass Befehle Befehle seien und Wünsche Wünsche, und dass Soldaten nun einmal auf Befehle hörten und nicht auf Wünsche.
Da antwortete mir eine Stimme. „Fürchte dich nicht“, sagte sie. „Ich befehle dir: Folge deinem Wunsch. Friede sei mit dir.“
Es war nicht die Stimme des Mannes, nicht die des Mädchens. Der Säugling vor mir konnte es nicht sein. Auch wenn er wach war und ich mir einen Augenblick einbildete, er würde mich anschauen.
Aber ich hatte die Stimme gehört. Ich sagte mehr zu ihr als zu dem Mann neben mir: „Du hast Recht. Ich sollte bei ihr sein.“
Ich brauchte zwei Tage, bis ich mich dazu durchrang, das Schreiben aufzusetzen: Ich stelle hiermit den Antrag, mit sofortiger Wirkung zur Colonia Nemausus in Gallien versetzt zu werden. Meine Frau erwartet dort ein Kind.
Ich brauchte zwei weitere Tage, bis ich endlich zum Zenturio ging, um den Antrag abzugeben. Er las ihn durch, er schaute mich an. „Glückwunsch, Mann“, polterte er. „Warum kommst du jetzt erst? Ich werde sehen, was ich tun kann.“
Heute erhielt ich die Genehmigung. Morgen schon werde ich aufbrechen. Bald sehen wir uns wieder.
Wenn ich diesen Brief bei der Poststelle abgegeben habe, werde ich noch einmal zu dem Stall gehen, zum Kind und dem Paar. Ich werde ihnen erzählen, dass ich heimkehre zu dir und zu dem Kind, das uns geboren werden soll. Und sie werden mir Frieden wünschen.
Bis bald, meine Liebe, Friede sei mit
dir!
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