Beim Geld fängt die Liebe an
Nehmt euch also Gott zum Vorbild! Ihr
seid doch seine Kinder, denen er seine Liebe schenkt. Und führt euer
Leben so, dass es ganz von der Liebe bestimmt ist.
(Epheser 5,1-2 -- www.basisbibel.de)
Zachäus zum Beispiel. Er versucht ein
liebevoller Zöllner zu sein. Obwohl er selber weiß, wie unmöglich
das klingt.
Zöllner sein und liebevoll handeln,
das schließt sich aus. Sagen die Oberen, von denen die
Zollvorschriften kommen.
Die machen die Regeln und die Gesetze.
Die setzen die Abgaben fest. Die warten auf die Einnahmen. Dass die
fließen und die Regeln für alle gelten, dafür soll er gerade
stehen.
Zöllner sein und liebevoll handeln,
das ist doch ein schlechter Witz. Das sagen die, die vor seiner
Zollstation stehen.
Wenn er in der Ladung auf ihrem Wagen
stöbert und den Zoll festsetzt. Wenn ihre Münzen in seinem
Lederbeutel klimpern.
Bei Geld hört die Liebe auf, sagt man.
Aber kann man das nicht auch andersherum sehen?, fragt er sich. Kann
man nicht sagen: Beim Geld fängt die Liebe an!?
Er weiß noch genau, wann die Liebe
anfing. Da saß er erst allein auf einem Baum und dann mit
ungeladenen Gästen an seinem Tisch.
Dass er überhaupt auf diesen Baum
geklettert war, das hatte damit zu tun, dass beim Geld die Liebe
aufhört.
Er wollte ihn auch sehen, diesen Mann,
der durch ihre Stadt zog. Von dem sie alle möglichen und unmöglichen
Wunder erzählten.
Aber die anderen ließen ihn nicht. Wo
er auch hinkam, schubsten sie ihn weg.
Es reichte, dass sie ihm ihre Münzen
für den Zoll gaben. Ansonsten wollten sie mit ihm nichts zu tun
haben. Also kletterte er auf den Baum.
Da saß er auf dem absteigenden Ast.
Der Steuereintreiber, den keiner mochte. Eine Witzfigur, die den
letzten Rest der Würde verlor, die sie noch besaß.
Aber er sah den Mann, Jesus. Er bahnte
sich seinen Weg durch die Menge. Unter seinem Baum blieb er stehen.
Zachäus beugte sich nach vorn. Es knackte in den Ästen.
Da schaute Jesus nach oben und ihn an.
„Steig herunter. Ich muss heute dein Gast sein.“
Dann saßen sie in seiner Zollstation
an seinem Tisch. Eng gedrängt. Er, Jesus, seine Begleiter,
Neugierige, die einfach mitkamen.
Aber für ihn war es, als seien sie
beide allein. Als hätte Jesus nur Augen für ihn. Als sei er nur
seinetwegen da. Keine Worte, nur Nähe. Ein Blick, der ihn sah.
Da fing die Liebe an, traf sie ihn.
Womöglich ersehnt und erwartet, bestimmt plötzlich und
überraschend.
Schneller als sein Kopf war sein Herz
und legte ihm Worte auf die Zunge. „Die Hälfte von meinem Besitz
werde ich den Armen geben.“ Da fing sie an, die Liebe, beim Geld.
Der Kopf kam dem Herz kaum nach. Er
schüttelte ihn über sich selber, als die Gäste wieder weg waren
und das Haus leer. Als er wieder über den Zoll- und Steuerlisten
saß.
Aber das Herz war hartnäckig, die
Liebe hatte sich in ihm festgesetzt. Er hatte sein Geld gezählt und
die Hälfte genommen und sie verteilt.
An die Witwe, die drei Straßen weiter
wohnte. Den blinden Bettler, der vor dem Stadttor saß. Die Witwe
hatte gedacht, er wolle sie kaufen. Und der Bettler hatte ihn mit
seinen toten Augen erstaunt angesehen.
Wer verschenkt Geld, ohne etwas dafür
zu erwarten? Wer gibt Liebe, ohne etwas dafür zu wollen? Do ut des,
sagten die Römer. Ich gebe dir, damit du mir gibst.
Aber er wollte wirklich nichts. Er
brauchte nichts. Er hatte schon genug. Ein Blick nur. Aber so viel
mehr als alles, was er vorher eingenommen hatte.
Er gab nur weiter, was er empfangen
hatte. Mit Liebe, hatte er gelernt, mit Liebe kannst du nicht
handeln. Liebe kannst du dir nicht erwerben. Die Liebe, die dir
fehlt, die bekommst du geschenkt. Und die Liebe, die du hast, die
musst du verschenken.
Das versucht er jetzt, als liebevoller
Zöllner. Obwohl beim Geld die Liebe aufhört, versucht er sie beim
Geld durchzuhalten.
Er hält das Misstrauen aus, dass ihm
die Oberen entgegenbringen. Und er hält das Misstrauen aus, mit dem
er an seiner Zollstation beäugt wird.
Immer hat er die Vorschriften in der
Hand. Immer führt er genau Buch. Aber merkwürdig: Je offener er das
tut, desto größer wird das Misstrauen. Wer so mit offenen Karten
spielt, muss ein As im Ärmel haben.
Aber er tut es nur, damit alle wissen:
Nichts landet in seiner Tasche. Außer dem, was dort hingehört. Und
von dem gibt er regelmäßig die Hälfte weiter. An die Witwe, an
den Bettler.
Es geht. Beim Geld fängt die Liebe an.
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