Das Haus am See
Früher wart ihr Teil der Dunkelheit.
Aber jetzt seid ihr Teil des Lichts, denn ihr gehört zum Herrn.
Führt also euer Leben wie Menschen, die zum Licht gehören! Denn das
Licht bringt als Ertrag lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.
(Epheser 5,8-9 -- www.basisbibel.de)
Andrea zum Beispiel. Sie öffnet an
diesem Morgen im kleinen Haus am See die Fensterläden. Sonnenlicht
stürzt in das Zimmer wie Wasser durch einen gebrochenen Deich.
Sie hält eine Hand vor die Augen.
Geblendet, weil es so plötzlich so hell ist. Sie nimmt die Hand weg
und blinzelt mit einem Lächeln in die Morgensonne. Sie wärmt schon.
Das Licht vertreibt das Dunkel. An
diesem Morgen schluckt die Sonne die Nacht in ihrem Zimmer. Jeden
Morgen und jeden Abend drängt das Licht das Dunkel ein wenig weiter
zurück.
Ein Bild auch für ihr Leben? Hat sie
die Dunkelheit gegen das Licht eingetauscht?
Früher, was noch gar nicht so lange
her ist, verlor sie sich fast im Dunkeln. Mit einem Mal war das Licht
ausgegangen, als sie dahinter kam, dass Thomas sie betrog.
Kurzschluss, Sicherung raus. Vertrauen erloschen. Sie saß im
Dunkeln.
Sie hasste erst die andere, die sie gar
nicht kannte. Wie die sich einfach den nahm, der ihr nicht zustand.
Sie hasste dann ihn für seinen Verrat.
Wie er sie so hintergehen konnte. Und sagte, dass habe mit ihnen
beiden nichts zu tun. Mit wem sonst?
Sie hasste schließlich sich selber.
Dafür, dass er sie so verletzen konnte. Dass sie nicht stärker war
und über ihn lachte. Sollte er doch machen, was er wollte.
Der Hass machte ihre Tage dunkel. Wenn
sie zu müde war, um zu hassen, verlor sie sich im Selbstmitleid. Das
machte das Dunkel noch finsterer.
Eines Tages hielt sie es nicht mehr
aus. Sie packte ein paar Sachen und fuhr los. Sie fand das Haus,
irgendwo an einem See. Jeden Tag lief sie um diesen See. Der Kopf
wurde leerer, der Hass verrauchte, das Herz schlug langsamer.
Eine Freundin kam zu Besuch. Wollte
nichts wissen. Gab keine Ratschläge. Ging nur mit ihr um den See.
Trank ein Glas Rotwein an ihrer Seite.
Am letzten Abend schauten sie sich an.
Wunderbar, sagte die Freundin. Ja, es ist schön hier am See,
antwortete sie. Darauf die Freundin: Du bist wunderbar. Gott hat dich
genau richtig gemacht. Hat dir das schon mal jemand gesagt?
Die Freundin reiste ab. Ihre Worte
blieben. Wunderbar gemacht. Von Gott. Sie.
Sie spürte die Sonne auf der Haut. Sie
sah das Licht hinter sich im Zimmer tanzen. Sie wollte so leben. In
diesem Licht. Wunderbar gemacht. Von Gott. Sie.
Sie ahnte: Dieses Licht wärmte. Aber
es machte auch sichtbar. Jetzt, da die Sonne im Zimmer war, sah sie
die Spinnweben an der Decke und den Staub auf dem Schrank. Auch die
in ihrem Leben.
Wunderbar gemacht. Das hieß nicht:
Alles ist okay. Das hieß: Fang etwas an mit dem Wunderbaren.
Es war Zeit, ihre Sachen zu packen. Sie
konnte das Haus am See verlassen und zurückkehren und den Alltag
wieder aufnehmen. Das Licht würde sie mitnehmen, hinein in diesen
Alltag.
Sie sah ihn vor sich, den Alltag im
neuen Licht. Ob er so werden würde, wusste sie nicht. Aber sie
wollte es versuchen, ernsthaft versuchen.
Ehrlich würde sie mit sich sein. Die
Tasche zunähen, in die sie sich immer log. Stattdessen auf den
Spiegel hören, der ihr sagte, dass sie nicht die Schönste war.
Sie würde sich den Weg verstellen, auf
dem sie vor sich selber weglaufen wollte und den kleinen fiesen
Wahrheiten. Eine neben die andere würde sie vor sich hinstellen. Was
sie ändern konnte, würde sie ändern. Was nicht, würde sie
annehmen.
Anderen wollte sie gerecht werden. Sie
mit wachen Augen ansehen und ihnen mit offenen Ohren zuhören. Nicht
sich einfach ihren Teil denken, sondern nachfragen, wenn sie etwas
nicht verstand. Zeit wollte sie sich nehmen für mehr als einen
ersten Eindruck.
Was zu klären war, wollte sie klären.
Was zu vergeben war, vergeben. Und was dennoch zwischen ihr und
anderen blieb, sollte nicht trennen.
Weit wollte sie ihr Herz öffnen. So
weit wie die Fensterläden an diesem Morgen. Damit das Licht
hereinströmen konnte.
In diesem Licht wollte sie auch die
anderen sehen. Sie wollte in ihnen das sehen, was ihre Freundin in
ihr entdeckt hatte: Wunderbar bist du gemacht. Von Gott. Du stehst in
seinem Licht.
Das Licht Gottes. Es brachte jeden
Menschen zum Leuchten. Und jeder Mensch konnte es zum Leuchten
bringen. Sie wollte es versuchen.
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