Hörst du es rauschen? - Ein Pfingstdialog
Amen. – So. Hörst du es rauschen?
Rauschen? Was für ein Rauschen? Ich
höre kein Rauschen.
Ich auch nicht. – Dann müssen wir
noch warten.
Worauf warten?
Auf das Rauschen.
Was für ein Rauschen?
Was meinst du: Haben die auch gewartet,
damals?
Wen meinst du? Damals?
Die Freunde von Jesus. Als sie in
Jerusalem in dem Haus zusammen saßen und plötzlich das Rauschen
kam.
Achso! Dieses Rauschen meinst du. –
Ich weiß nicht. Vielleicht waren sie zu traurig, um auf irgendetwas
zu warten.
Stimmt. Wer traurig ist, der wartet auf
nichts. Der schaut nach hinten. Auf das, was war und nie mehr so
wird, wie es war.
Und auf das Früher kann man nicht
warten. Das kommt nicht wieder. Warten kannst du nur auf das, was auf
dich zukommt.
Auf das Rauschen zum Beispiel.
Jesus sagt: „Der Vater wird euch den
Beistand schicken, der an meine Stelle tritt: den Heiligen Geist.“
Also haben sie doch in ihrem Haus
gesessen und gewartet. Wie wir jetzt. Darauf, dass Gott das
Versprechen einlöst und das Rauschen kommt.
Womöglich nicht gerade gewartet wie
man auf die Fähre wartet. Aber mit Sehnsucht.
Also bei Ostwind und Niedrigwasser kann
man auch mit Sehnsucht …
Du weißt, was ich meine.
Ja. Sehnsucht, das ist, wenn noch etwas
aussteht. Wenn dir noch etwas fehlt zum Glück.
Wenn du dich sehnst, hast du einen
Traum. Du hast einen Traum davon, wie dein Leben und die Welt sein
sollen. Und der Traum hält dich wach.
Heißt es nicht: Träume sind Schäume?
Ja. Aber es gibt Träume und es gibt
Träume. Mit den einen fliehst du aus der wirklichen Welt in eine
Traumwelt.
Weil du die wirkliche Welt nicht
erträgst. Oder weil du zu müde bist, dich ihr zu stellen.
Die anderen Träume haben die Kraft,
die wirkliche Welt zu verändern.
Weil sie dir Kraft geben. Die Kraft,
standzuhalten, aufzustehen, hinauszugehen, etwas zu verändern.
So einen Traum träumten die Jünger.
Sie sehnten sich, dass etwas anders wird. Dass Gott etwas anders
macht.
Und dann kam das Rauschen.
Dann kam das Rauschen.
Sei mal still! … Nein noch kein
Rauschen. Wir müssen weiter warten.
Jesus sagt: „Wer mich liebt, wird
sich nach meinem Wort richten. Mein Vater wird ihn lieben. Und wir
werden zu ihm kommen und immer in ihm gegenwärtig sein.
Was hat das jetzt mit dem Rauschen zu
tun?
Zur Sehnsucht gehört die Liebe.
Liebe ist Sehnsucht. Und Sehnsucht ist
Liebe.
Sage ich doch. Wenn du dich sehnst,
liebst du. Und wenn du liebst, sehnst du dich.
Was auch heißt: Wenn du dich danach
sehnst, dass sich etwas ändert – dann sehnst du dich nach einem,
der das tut: alles ändern.
Und wenn du einen liebst, dann traust
du ihm zu, dass er das kann: alles ändern.
Wie ein Kind, das zur Mama rennt, weil
es sich gestoßen hat. Und dann pustet die Mutter den Schmerz weg.
Eher wie ein Kind, dem die
Lieblingstasse heruntergefallen ist und das natürlich davon ausgeht,
dass Papa die wieder heile machen kann, und zwar sofort.
Das ist ein gefährliches Sehnen. Papa
kann nicht alles.
Und enttäuscht das Sehnen seines
Kindes. Was wird dann aus dessen Liebe? Ist die dann auch enttäuscht?
Schwierig. Zweifel werden kommen.
Daran, dass Papa alles kann. Aber hoffentlich nicht an der
Papa-Liebe.
Das ist fast ein Gleichnis. Manche
Menschen erwarten das von Gott, dass er das, was in ihrem Leben in
Scherben zerfällt, gleich wieder zusammensetzt.
Oder besser noch: Dass er überhaupt
und grundsätzlich verhindert, dass etwas zerbricht.
Fragt sich, ob nur das Liebe ist: Wenn
mich einer vor allem bewahrt. Oder auch das: Wenn einer meinen
Schmerz teilt und die Tränen abwischt, wenn es an der Zeit ist.
Darauf haben die Jünger gewartet. Auf
die Zeit, dass Gott kommt und ihre Tränen abwischt.
Und dann kam das Rauschen.
Sei mal still? – Hm. – Wir müssen
weiter warten.
Jesus sagt: „Das ist der Geist der
Wahrheit. Diese Welt kann ihn nicht empfangen, denn sie sieht ihn
nicht und erkennt ihn nicht. Aber ihr erkennt ihn, denn er bleibt bei
euch und wird in euch gegenwärtig sein.“
Sehnsucht braucht Vertrauen.
Wie kommst du jetzt darauf?
Vertrauen öffnet dir die Augen. Wenn
du vertraust, siehst du, was andere nicht sehen.
Jaaa. Das ist die alte Sache mit dem
halbvollen oder halbleeren Glas.
Alt, aber wahr. Wenn du dich sehnst,
dass etwas anders wirst, aber nicht vertraust, dass etwas anders wird
…
… dann packt dich der Zorn. Auf die
Zustände, wie sie sind. Auf die Menschen, die sie verantworten.
Und am Ende reißt die Wut dich mit
sich fort, und du schlägst ein auf die Zustände und die Menschen.
Und meinst womöglich noch, du tätest
damit Gott einen gefallen und würdest dafür mit dem Paradies
belohnt.
Dabei ist deine Wut nichts als blanker
Terror.
Besser du traust deiner Sehnsucht etwas
zu. Oder Gott, dem sie gilt. Dann siehst du die Zustände und die
Menschen, wie sie sind …
… aber du traust ihnen zu, dass sie
andere werden können.
Weil du vertraust, dass sie andere
werden sollen.
Gott hat sie anders gedacht, als sie
gerade sind. Und sie sind auf dem Weg, das zu werden, was sie werden
soll.
Und du machst die Augen auf und siehst
die ersten Frühblüher und entdeckst die erste Schwalbe. Die macht
zwar noch keinen Sommer …
… aber sie ist sein Bote. Du siehst
ihn, wenn dein Vertrauen dir die Augen öffnet.
Oder die Ohren: Du hörst, was andere
nicht hören.
Das Rauschen?
Das Rauschen.
Sei mal still! – Nein. Noch nichts.
Jesus sagt: „Zum Abschied schenke ich
euch Frieden. Ich gebe euch meinen Frieden.“
Zur Sehnsucht gehört die Erfüllung.
Die Augenblicke, in denen das Rauschen kommt und alles Denken und
Fühlen ausfüllt.
Zum Beispiel als die Jünger in dem
Haus in Jerusalem zusammensitzen und die innere Unruhe und das Warten
abgelöst werden vom Frieden.
Es ist wie bei einem Mosaik. Steinchen
um Steinchen setzt du zusammen. Wenn du den letzten Stein an seinen
Platz setzt, breitet sich Friede aus. Und du siehst das ganze Bild.
Die Jünger verstehen jetzt zumindest
mit dem Herzen ihre Geschichte mit Jesus. Sie erfassen: Diese
Geschichte hat einen Sinn. Gott gibt ihr einen Sinn.
Manchmal geschieht das. Mitten in einem
Gespräch. Du breitest die Einzelteile deines Lebens vor einem
anderen aus.
Und der andere nimmt die Puzzleteile,
von denen du nicht weißt, wie du sie anordnen sollst, und er setzt
sie an die richtigen Stellen.
Alles fügt sich zusammen zu einem
Bild. Und du siehst und spürst: Da liegt Segen von Gott drauf. Auf
dem Gespräch und auf deinem Leben. Und Frieden breitet sich in dir
aus.
Aber Frieden heißt nicht, dass du
jetzt deine Hände in den Schoß legst. Die Jünger jedenfalls stehen
auf und verlassen das Haus.
Wenn sich eine Sehnsucht erfüllt,
bleibt immer ein Überschuss. Und der trägt dich weiter.
Das Rauschen trägt dich weiter. Und du
musst es weitertragen. Die Begeisterung der Jünger jedenfalls
schwappte über.
Sie steckte andere an. Der Heilige
Geist kam über sie und dann verbreiteten sie ihn wie eine
ansteckende Gesundheit.
Wenn ein Mensch dich berührt, also: im
Innersten berührt – dann springt der Geist über. Weil Gott dich
berührt.
Und wenn du dann einen anderen
berührst, dann springt er auch auf ihn über.
Und wenn das dann viele Leute
gleichzeitig machen, dann entsteht ein Geräusch.
Es beginnt zu rauschen!
So Gott will! Amen.
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