Spuren im Leben und im Gotteshaus


Wenn ein Kind geboren wird, dann ist das ein Umbruch.
Natürlich für das Kind. Ein Umbruch, den es begrüßt, indem es herzhaft schreit. Und dann nach der Nähe zur Mutter sucht. Nach einer Nähe, die es kennt und die sich doch jetzt ganz anders anfühlt.
Ein Umbruch auch für die Mutter und den Vater. Die Nächte werden unruhiger, die Tage um ein paar Aufgaben voller. Vor allem aber füllen sich das Herz und der Kopf ganz neu und anders.
Weil du jetzt verantwortlich bist für ein Leben, das nicht deines ist, aber doch dir anvertraut. Und weil du den ganzen Tag neben diesem Leben sitzen und über es staunen kannst.
Wenn ein Kind geboren wird, dann ist das ein Umbruch. Und wenn es getauft wird: Ist das dann auch ein Umbruch?

Umbrüche in Kunst und Architektur“, unter dieses Motto hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz in diesem Jahr den Tag des Offenen Denkmals gestellt.
Angelehnt daran haben wir drei Ausstattungstücke dieser Kirche ausgesucht. Sie zeigen etwas davon, wie Taufe Spuren in das Leben von Menschen legt: Umbrüche auf dem Weg, den eine oder einer geht.
Sie zeigen gleichzeitig etwas davon, wie Menschen mit ihrem Glauben unterschiedliche Spuren in die Kirche legen. Auch das: Umbrüche in dem, was eine oder einer glaubt.

Am Anfang steht der Taufstein. Das gilt zeitlich. Um 1200 wurde er aus einem Granitblock geschlagen.
Vielleicht von einem Steinmetz, der aus der Lombardei zum Dombau nach Schleswig gewandert war.
Jedenfalls stand der Taufstein schon im kleineren Vorgängerbau unserer Kirche. Dort wie in dem neuen, größeren Bau stand er wohl auch räumlich am Anfang.
Ungefähr dort nämlich, wo jetzt der große Tisch steht, im Eingangsbereich. So wie die Taufe der Eingang war in die Gemeinschaft der Heiligen. Ungetauft kam niemand am Taufstein vorbei und in die Kirche hinein.
Die Taufe war notwendig für das Heil und das Leben. Davon erzählen die Darstellungen, die der Steinmetz in den Granit meißelte.
Wer von außen in die Kirche trat und auf den Stein zu, der sah und sieht ein Ungeheuer: Ein Drache, der gerade einen Menschen verschlingen will. Der hält sich mit letzter Kraft an einem Baum fest. Aber Rettung naht. Ein Ritter steht neben dem Ungeheuer und holt mit seinem Schwert zum befreienden Schlag aus.
Wer in der Kirche war und vom Altar aus auf den Stein blickte, der sah und sieht zwei Löwen, die mit ihren großen Köpfen und mächtigen Pranken einen Menschen bewachen, der auf einer Schildkröte reitet.
So erzählt der Stein, dass die Taufe das Leben rettet. Wer getauft wird, der wird vor dem Ungeheuer gerettet, dass sein Leben bedroht: der Tod. Wer getauft ist, der braucht nichts mehr zu fürchten, dessen Leben wird auf ewig beschützt.
Wenn damals Kinder getauft wurden, war das zu erleben. Dreimal wurden sie im Wasser untergetaucht. Anzunehmen, dass sie aus Todesangst schrien.
Aber niemand musste den Tod des Kindes noch fürchten: Es ist schon auferstanden zu neuem Leben. Und wird zum ewigen Heil auferstehen, wenn es stirbt.
Jesus sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.“
Die Taufe war und ist das Versprechen, dass das stimmt und wahr ist. Ein Versprechen, dass das Leben neu wird. Jeden Tag ein bisschen und schließlich ganz und gar.

Aber wenn etwas neu wird, muss es dann nicht auch anders werden? Es ist doch so: Nur wenn das Leben anders wird, umbricht, kann es neu werden.

Davon erzählt die Kanzel. 1618, im Jahr, als der 30jährige Krieg begann, kam sie in die Kirche. Gestiftet von Herzog Friedrich von Schleswig und Holstein, vom Präfekt und vom Propst von Tondern – und von Pastor Jacob Boetius, der als erster von ihr predigte.
Dabei predigt die Kanzel schon selber. Sie erzählt die Geschichte von Jesus Christus. Von dem Augenblick, in dem der Engel Maria sagt, dass sie schwanger wird, bis zum Augenblick, als Jesus in einer Wolke zum Himmel aufsteigt.
Sie erzählt aber auch vom Sinn der Taufe. Notwendig ist sie, weil am Anfang die Sünde steht. Jeder Mensch erbt von Adam und Eva die Lust daran, das zu tun, was ihm selber gefällt, statt nach Gottes Willen zu fragen.
Also zeigt das erste Bild, wie Eva und Adam die Frucht vom Baum der Erkenntnis teilen.
Der Mensch, wie er ist, lebt nicht nach Gottes Willen. Er muss sich ändern. „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe!“, sagt deshalb Johannes.
Das sieht selbst Jesus so und lässt sich von Johannes taufen – wie so viele andere Menschen, die spüren und zeigen wollen, dass sie auch anders können: So, wie es Gott gefällt.
Und wie es ihnen selber gut tun wird: Am Ende, erzählt die Kanzel im letzten Bild, wird über den Menschen Gericht gehalten.
Jesus sagt: Was ihr für einen meiner Brüder oder eine meiner Schwestern getan habt – und wenn sie noch so unbedeutend sind –, das habt ihr für mich getan. Und je nachdem was ihr getan habt, stehen am Ende Himmel oder Hölle.
Am Scheidepunkt aber steht die Taufe. Sie ist der Ort und der Augenblick, in denen das Leben umbricht, umbrechen soll. Von einem Leben nach dem eigenen Willen zu einem Leben nach Gottes Willen.

Aber wie verhält es sich dann, wenn wir ein Kind taufen? Muss das erst sein Leben ändern, um ein Mensch nach Gottes Willen zu sein? So ein kleines großes Leben ist doch schon längst ein Wunder, auf dem bestimmt Gottes Segen liegt.
Davon erzählt das kleine Bild, das in der Nische neben dem Taufstein hängt. Die Zeichnung zeigt die Taufe von Frederike Nielsen im Jahr 1824.
Das Mädchen ist die Tochter von Birkvogt Nielsen, der für den König den dänischen Westteil von Föhr verwaltete. Als Taufpate ist Frederik VI. selbst dabei.
Er ist Zeuge, wie der Pastor dem Kind dreimal Wasser über den Kopf schöpft und ihm die Hand auflegt und es segnet.
Auch damit ist viel über die Taufe gesagt. Sie ist ein Versprechen. Ein Versprechen der Menschen, die das Kind zur Taufe bringen.
Da sind die Eltern, die sagen: Wir wollen für dich da sein und dich gut und voller Liebe und Freude auf deinen Weg in das Leben bringen.
Da sind die Pat*innen, die sagen: Wir wollen für dich da sein, wenn du andere Menschen brauchst, und mit dir teilen, was uns begeistert und worauf wir vertrauen.
Die Taufe ist zugleich ein Versprechen, das Eltern und Pat*innen und Pastor*innen dem Kind nur weitergeben. Das Versprechen geht durch unsere Hände, wenn wir sie dem Kind auflegen und es segnen.
Als Jesus nach seiner Taufe aus dem Jordan steigt, öffnet sich über ihm der Himmel und er hört eine Stimme, die sagt: „Du bist mein lieber Sohn, dich habe ich lieb, an dir habe ich Freude.“
Die Taufe zeigt: Ein kleines Fenster im Himmel öffnet sich über jedem Kind, wenn wir es taufen. Ein Fenster durch das Gottes Licht strahlt und das Kind umhüllt: Du bist das Kind deiner Eltern. Du bist Gottes Kind.
Die Taufe macht Gottes Segen sichtbar. Damit das Leben gut wird. Die kleine Frederike zum Beispiel heiratete später einen Drewsen. Nachfahren von ihr leben heute noch in der Nieblumer Strandstaße.
Was aus Lene wird, werdet ihr von Tag zu Tag und Jahr zu Jahr sehen und bestaunen. Und womöglich vor allem in den Umbrüchen entdecken, wie Gott seine Spuren in ihr Leben legt.

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