Gotteskasten in Sankt Johannis

Nun sind wir also da und tatsächlich Pastorin und Pastor hier an Sankt Johannis auf Föhr.
Ihnen, liebe Gemeinde, müssen wir das vielleicht nicht sagen. Sie sehen uns ja. Aber uns müssen wir das sagen. Wir staunen immer noch.
Vor vierzehn Tagen erst haben wir uns in Klütz verabschiedet. Aus dem Gottesdienst stammen die ganzen Karten an der Leine. Auf ihnen stehen viele gute Wünsche für den neuen Anfang. Sie begleiten uns heute.
Genau wie ihr, die ihr heute aus der alten Heimat hier seid. Wir freuen uns darüber.
Und wir freuen uns, dass wir hier so herzlich und mit offenen Armen empfangen werden.
Wir haben das bei unserem ersten Besuch im September so erlebt, als wir einmal durch das Pastorat und die Kirche geführt wurden und Inselluft geschnuppert haben.
Uns ging das auch so am ersten Adventswochenende. Die Vorstellung im Kirchengemeinderat glich einem gemütlichen Adventstee. Nach dem Gottesdienst haben wir viele freundliche Wiedersehens- und Willkommenswünsche gehört.
Wir staunen, wie schnell mitten in der Handwerkerhochsaison die Arbeiten im Pastorat erledigt wurden. Wie schön unsere Wohnung geworden ist. Vielen Dank!
Vielen Dank auch für den Kranz an unserer Haustür. Er ist für uns ein Zeichen für den herzlichen Empfang hier.
Aber wir wollen nicht nur danken. Wir sollen ja auch predigen.
Diese altbekannte und doch merkwürdige Geschichte, die das Markusevangelium erzählt.
Jesus sitzt dem Gotteskasten gegenüber und schaut den Menschen dabei zu, wie sie ihr Geld hineinwerfen.
Er sieht die Reichen, die große Münzen einschmeißen. Womöglich tun sie das mit einigem Stolz. Schließlich sind sie sehr großzügig. Gott gegenüber und zur Tempelgemeinde.
Jesus sieht die arme Witwe, die zwei Scherflein einlegt. Vielleicht schämt sie sich, weil sie nicht mehr geben kann. Aber es ist alles, was sie hat.
Jesus sitzt dem Gotteskasten gegenüber und sieht die großen Münzen und die zwei Scherflein. Er zeigt auf die großartigen Spender. Er zeigt auf die armselige Witwe.
Er sagt: „Die armselige Witwe beeindruckt mich. Sie gibt alles, was sie hat. Sie setzt ganz auf Gott.“
Es ist eine altbekannte Geschichte. Wo Geschichten von Jesus erzählt werden, wird irgendwann auch sie erzählt.
Sie erzählt das Vertraute: Jesu Herz schlägt für die Armen, für die, die am Rande stehen und nicht beachtet werden. Es schlägt für die, die sich ganz Gott anvertrauen. Weil sie nichts und niemand anderes haben – als ihren Gott.
Aber den Reichen misstraut Jesus. Vielleicht sind sie ihm zu satt und zu überheblich. Vielleicht verlassen sie sich nach seinem Geschmack zu sehr auf ihren Verdienst und ihren Reichtum – und zu wenig auf Gott.
Die Geschichte erzählt das Vertraute. Was nicht verhindert, dass das Vertraute ärgerlich ist und bleibt.
Was uns beide an dieser Geschichte ärgert: Da gibt es die Reichen. Und da gibt es die arme Witwe.
Und der, der diese Geschichte hört, der steht vor der Frage, wo er oder sie in dieser Geschichte steht: Bei den Reichen mit den großen Münzen. Oder bei der Witwe mit den Scherflein.
Sie und wir stehen vor der Frage: Geben wir eigentlich genug? Geben wir nur ein bisschen von unserem Reichtum? Oder geben wir alles von unserer Armut?
Vertrauen wir vor allem auf uns und ein wenig auch auf Gott? Oder vertrauen wir ganz und gar auf Gott? Werfen wir uns ganz auf Gott – mit allem, was wir sind und haben?
Und Jesus sitzt dem Gotteskasten gegenüber und sieht genau zu. Er sieht zu, was die Reichen einwerfen und was die Witwe. Er sieht zu, was wir Gott geben. Unser Glaube steht unter Beobachtung. Wir werden beobachtet.
Wobei: Wir sitzen ja auch am Gotteskasten. Wir beobachten und wir werden beobachtet.
Sie, liebe Gemeinde, beobachten uns, die beiden Neuen. Wie wir wohl unsere Sache machen. Was wir wohl für Pastoren und für Menschen sind.
Umgekehrt beobachten wir Sie. Was Sie wohl für eine Gemeinde und für Menschen sind.
Sie schauen, was wir beide in den Gotteskasten werfen. Wir beide schauen, was Sie wohl hinein tun.
Wir sind noch nicht so lange hier. Aber wir haben schon einiges gesehen.
Wir sind Ihnen begegnet, die im letzten halben Jahr die Gemeinde ohne eigenen Pastor geleitet haben. Wir staunen, was Sie geleistet haben. Und mit welchem Engagement.
Wir haben die ganze kirchenmusikalische Vielfalt gehört und genossen. Und die Liebe und die Begeisterung, die aus den Tönen klingt.
„Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen.“ So hieß es beim Weltgebetstag. Und genauso hat es sich auch angefühlt.
Was Sie von uns sehen, das werden Sie sehen.
Was uns wichtig ist, das können wir Ihnen sagen: „Unsere Seele soll sich rühmen des Herrn, dass die Elenden es hören und sich freuen.“
Das ist es, was wir gern in den Gotteskasten legen wollen. In dem, was wir tun, wollen wir uns des Herrn rühmen.
Wir sind Pastorin und Pastor, weil es uns um Gott geht. Er ist der, der uns unbedingt angeht. Auf ihm gründet unser Leben.
Wir haben die schöne Berufung, uns daran immer wieder zu erinnern.
Damit die Elenden es hören und sich freuen. Auch das wollen wir in den Gotteskasten legen.
Wir sind Pastorin und Pastor, weil es uns um die Menschen geht. Wir waren mit euch im Klützer Winkel unterwegs. Jetzt sind wir mit Ihnen hier auf Föhr unterwegs.
Wir haben die schöne Berufung, euch und Sie zu begleiten. Uns mit euch und Ihnen zu erinnern, dass unser Leben in Gott gründet. Um darauf zu vertrauen und uns daran zu freuen.
Jetzt, am Anfang, fragen wir uns natürlich, ob es viel sein wird oder wenig, was wir in den Gotteskasten legen. In ihren Augen und in Gottes Augen.
Auf eines hoffen wir dabei: Dass Sie uns weiter freundlich anschauen. So freundlich, wie Sie uns hier empfangen. Wir versprechen Ihnen: Wir werden Sie freundlich anschauen.
Auf etwas anderes vertrauen wir dabei: Dass Gott uns alle freundlich anschaut. Was wir alle auch in den Gotteskasten legen: Gott schaut uns alle freundlich an.

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