Von Glückstalern und Glaubensmünzen

Es beginnt alles im Jahr 1877. Ein Junge feiert seinen zehnten Geburtstag. Sein Vater schenkt ihm einen selbst gebauten Schuhputzkasten. Der Junge soll sein erstes eigenes Geld verdienen. Also macht er sich noch an seinem Geburtstag an die Arbeit. Den ersten Kunden hat sein Vater angeheuert, um zu sehen wie der Junge sich tut. Der Kunde ist zufrieden und gibt ihm ein Geldstück. Es kommen weitere Kunden.
So verdient der Junge sein erstes Geld. Noch an diesem Tag fasst er den Entschluss, nach Amerika zu gehen und dort ein reicher Mann zu werden.

Szenenwechsel. Es beginnt alles im Jahr 2015. Am 19. April. Eure Eltern haben euch einen Schuhputzkasten... Nein. So beginnt es nicht. Aber es beginnt doch: Euer eigener Weg.
Wir ihr ihn euch ausmalt, haben wir euch in einer Konferstunde gefragt. Und ihr habt für euch aufgeschrieben, welche wichtigen Schritte ihr in den nächsten zehn Jahren gehen wollt.
Der Beginn der Lehre zum Automechaniker etwa, noch in diesem Jahr. Die große Party zum 18. Geburtstag. Ein Jahr als Aupair. Das Schauspielstudium. Ein fester Freund. Die Wanderschaft als Zimmermann. Und ja auch das: Ein reicher Mann werden – Lottogewinn im Jahr 2021.

Zurück zu dem Jungen. Er wird tatsächlich ein reicher Mann. Er wird Millionär, Milliardär, Fantastilliardär sogar. Er badet in seinem Geld.
Die erste Münze, die er als zehnjähriger Schuhputzer verdient hat, bewahrt er auf einem roten Samtkissen in einer kleinen Glasvitrine auf. Sie ist sein Lebenspender – in der Erinnerung an die Geschichte, die sich mit ihr verbindet, findet er die Kraft fürs Leben. Sie ist sein Glückstaler, der ihn reich gemacht hat und immer noch reich macht.
Ob euch das auch so gehen wird? Ob ihr tatsächlich die Schritte gehen werdet, die ihr euch heute vorstellt für die nächsten zehn Jahre und euer Glück machen werdet?
Ob ihr wirklich Tischler lernt und ein eigenes Haus baut? Ob ihr Medizin studiert und auf Weltreise geht? Ob ihr mit Anfang 20 den Partner, die Partnerin fürs Leben findet?
Davon könnt ihr euch und mir erzählen, wenn ihr in 25 Jahren Silberne Konfirmation feiert. Im Blick zurück seht ihr dann, wie euer Weg verlaufen ist. Was tatsächlich wurde, wie ihr es euch gewünscht habt. Und was ganz anders wurde – und hoffentlich doch gut.
Ich bin überzeugt davon, dass jede und jeder von euch ihren und seinen Weg finden wird. Was ihr dazu braucht, habt ihr.
Ihr wisst, wo ihr herkommt: die Menschen, mit denen ihr heute hier seid, die zu euch gehören. Auch wenn das mit dem Zusammengehören und -bleiben im Alltag manchmal schwer ist. Die Kerzen, die hier vorne brennen, sind auch ein Zeichen. Sie zeigen: Immer geht jemand mit euch.
Und ihr habt alle etwas, worauf ihr vertraut. Für euren tollen Gottesdienst vor sechs Wochen habt ihr es aufgeschrieben. Ich glaube: An das Glück im Leben. An liebe Menschen. An die Freude am Leben. Eure Sätze stehen unter euren Fotos, hier vorne bei den Kerzen. Ich höre aus ihnen: Wir glauben, dass das Leben es gut mit uns meint. Bewahrt euch das!

Was ihr dazu brauchen könnt, halte ich hier in der Hand. Es ist eine Ein-Cent-Münze aus den USA. „In God we trust“ ist in sie eingeprägt. Ein Glaubensbekenntnis: Wir vertrauen auf Gott.
Für mich ist diese Münze ein Bild für das, was geschieht, wenn ihr gleich konfirmiert werdet.
Konfirmation, das ist – bildlich gesprochen – der Augenblick, in dem ihr eine Münze in die Hand gelegt bekommt – die Münze des Glaubens, auf der steht: Wir vertrauen auf Gott.
Wenn ihr gleich konfimiert werdet, dann ist es eure Münze. Ihr sprecht das Glaubensbekenntnis, ihr kommt zum Altar. Durch das, was ihr sagt und tut, zeigt ihr: Wir wollen das – auf Gott vertrauen.
Zugleich kommt die Münze nicht von euch. Andere haben sie geprägt. Sie wird euch in die Hand gelegt.
So wie eure Familien für euch die Kerzen angezündet haben, so stecken euch andere mit ihrem Glauben an.
Und so wie ihr vielleicht ins Stocken geratet, wenn ihr das Glaubensbekenntnis sprecht, aber euer Nachbar einfach weiterspricht – so gibt es auch immer jemanden, der für euch glaubt, wenn ihr einmal nicht könnt.
Glaube ist nicht nur das, was ich in mir trage. Glaube ist vor allem das, was in mich hineingelegt wird.
Deshalb bekommt ihr beim Abendmahl die Oblaten und den Kelch gereicht. Deshalb bekommt ihr die Hände aufgelegt und den Segen zugesprochen. All das soll euch sagen: Ihr könnt das – auf Gott vertrauen. Gott legt es in euch hinein.

Noch einmal zu dem Reichen, der seinen Glückstaler auf einem Samtkissen aufbewahrt.
Er muss beständig Angst haben um seinen Reichtum. Panzerknacker versuchen ständig, ihm sein Geld zu stehlen. Und immer wieder versucht eine Hexe, ihn um seinen legendären Glückstaler zu bringen.
Jedes Mal, wenn der Glückstaler verschwunden ist, gerät der reiche Mann in Verzweiflung. Wenn etwas von seinem Geld verschwindet, trifft es ihn nicht sehr. Er hat immer noch mehr als genug davon. Doch wenn der Taler nicht mehr an seinem Platz ist, geht seine Lebenskraft verloren. Bis der Glückstaler am Ende wieder unter der Glasvitrine auf dem roten Samtkissen liegt.
Was wird aus eurer Glaubensmünze werden? Auch um das zu wissen, müssten wir die Zeit jetzt bis zu eurer Silbernen Konfirmation vordrehen. Dann könntet ihr mir davon erzählen. Und ich würde euch gern zuhören.
Wer weiß. Vielleicht verschwindet sie einfach im Durcheinander der Krimskramsschublade. Da verliert sie sich in all dem anderen Kram, den ihr dort ablegt.
Manchmal ist das so, dass Glaube in meinem Alltag keine Rolle spielt. Ich bin mit so vielen spannenden oder lästigen Dingen ausgefüllt, dass für Glaube keine Zeit bleibt.
Aber Leben und Glaube braucht das: Zeit, in der ich mich auf mich besinne und die Wurzeln, aus denen ich lebe, und auf Gott, der mehr ist und weiter, als ich sehen kann.
Vielleicht wird euch auch die Glaubensmünze geraubt. Etwas schlägt sie euch aus der Hand und sie fällt runter und verschwindet in einer dunklen Ritze.
Auch das gibt es. Ich verliere das Vertrauen, weil Menschen mein Vertrauen missbrauchen. Ich verliere den Glauben, weil etwas in meinem Leben dagegen spricht.
Dann sucht nach eurer Glaubensmünze. Sucht immer weiter. Ihr werdet sie wieder finden. Wenn ihr sie allein nicht findet, dann bittet andere um Hilfe. Es gibt Menschen, die können dich durchs Dunkel führen.
Womöglich aber wird eure Glaubensmünze einfach in der Sonne funkeln. Ihr Glänzen gibt euch Kraft, macht euch froh. Sie ist da, mitten in eurem Leben.
Auch das gibt es. Ich lebe und ich weiß zugleich, woher mein Leben und meine Kraft kommen. Ich weiß, dass das alles aus Gott kommt. Und ich halte beständig die leere Hand hin und sehe und spüre wie er sie mir füllt und mein Leben in Segen wandelt.
Dass es euch so geht, das wünsche ich euch. Und das wünsche ich uns allen.

Habe ich eigentlich den Namen des Jungen gesagt, der in Amerika reich wird? Es ist kein Föhrer. Es ist noch nicht einmal ein Mensch. Es ist eine Ente. Die reichste Ente der Welt. Dagobert Duck.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Fortsetzung folgt

Gekommen, um anderen zu dienen

Rettung vom Ertrinken