Ein Geheimnis bleibt ein Geheimnis
Ich
verrate jetzt ein Geheimnis: Diese Schachtel ist ein Geheimnis. Ein
Geheimnis?
Ja,
ein Geheimnis. Diese Schachtel aus Tonkarton, irgendwann einmal
gebastelt.
Nicht
das, was drin ist in der Schachtel, ist das Geheimnis. Da ist nämlich
nichts drin. Und es gibt auch keinen doppelten Boden oder einen
anderen Trick.
Die
Schachtel selber ist das Geheimnis.
Nicht,
weil ich etwas über diese Schachtel weiß, das ihr nicht wisst. Sie
ist für mich genauso ein Geheimnis, wie sie es für euch ist.
Diese
Schachtel ist ein Geheimnis.
Sie
zeigt, was ein Geheimnis ist. Etwas, das da ist, vor aller Augen. Und
doch verborgen bleibt, so dass keiner es erfasst.
Etwas,
das auch noch ein Geheimnis bleibt, wenn ich um es weiß. Auch wenn
ich es offen vor die Augen halte, bleibt es verborgen.
Das
ist ein Geheimnis.
Paulus
schreibt an seine Gemeinde in Korinth:
Brüder
und Schwestern,
ich
bin damals zu euch gekommen,
um
euch das Geheimnis Gottes zu verkünden.
Ich
bin aber nicht mit großartigen Worten
oder
mit Weisheit aufgetreten.
Denn
ich hatte beschlossen,
bei
euch von nichts anderem etwas wissen zu wollen
als
von Jesus Christus –
und
besonders davon,
dass
er gekreuzigt wurde.
Ich
trat mit einem Gefühl der Schwäche
und
zitternd vor Angst bei euch auf.
Ich
setzte bei meiner Rede und meiner Verkündigung
nicht
auf die Weisheit
und
ihre Fähigkeit zu überzeugen.
Ihre
Wirkung verdankte sich vielmehr
dem
Heiligen Geist und der Kraft Gottes.
Denn
euer Glaube
sollte
nicht aus menschlicher Weisheit kommen,
sondern
aus der Kraft Gottes.
(1. Korinther-Brief 2,1-5)
Jesus
Christus ist ein Geheimnis. Er ist das Geheimnis Gottes.
Empfangen
aus dem heiligen Geist, so wie es der Engel im Traum zu Josef sagt,
als der merkt, dass seine Maria mit etwas schwanger geht, das nicht
von ihm ist.
Geboren
von eben dieser Jungfrau Maria, die sich über das wundert, was mit
ihr geschieht – und einfach so, wohl zur halben Nacht, Gottes Sohn
zur Welt bringt.
Gelitten
unter Pontius Pilatus, wie die Geschichten erzählen, die wir bald
schon wieder erzählen werden, von Aschermittwoch bis Karfreitag.
Gekreuzigt,
gestorben und begraben, vor allem: gekreuzigt, wie Paulus an seine
Gemeinde in Korinth schreibt.
Paulus
schreibt, um sie an das Geheimnis zu erinnern. Und daran, wie er es
zu ihnen brachte. Er stellte es damals mit zitternden Händen und
weichen Knien in ihre Mitte: Eine Schachtel, die leer war und
randvoll gefüllt – ein Geheimnis.
Er
wusste nicht viel mehr über das Geheimnis als die, denen er es
brachte. Auch für ihn war es ein Geheimnis, das Geheimnis Gottes.
Und
ihm fehlten die Worte, dieses Geheimnis aufzuschließen. Vielleicht
erfasste er es nicht einmal für sich selber. Bestimmt aber konnte er
es den anderen nicht begreifbar machen.
Wie
auch? Ein Geheimnis ist keine mathematische Formel, die sich auflösen
lässt. In Schritten, die ich erst selber nachvollziehen und
anschließend mit anderen gehen kann.
Ein
Geheimnis entschlüsselt sich nur selbst. Denen, die es erkennen.
Darum
bleibt es auch ein Geheimnis, selbst wenn es sich dir einmal
aufgeschlossen hat.
Anderen
bleibt es weiter verschlossen. Sie sehen nicht einmal das Geheimnis.
Wo du eines siehst, sehen andere nur – eine Schachtel. Nichts
Besonderes, Geheimnisvolles jedenfalls.
So
ist das mit dem Geheimnis Gottes, mit Jesus Christus: Nichts kann es
dir aufschließen. Keine schönen Worte, keine klugen Predigten.
Das
Geheimnis entschlüsselt sich selber. Nur Gott, die Kraft des
Heiligen Geistes, der selber das Geheimnis ist, schließt es dir von
innen auf.
Paulus
schreibt.
Und
doch verkünden wir eine Weisheit –
und
zwar denen, die dafür reif sind.
Es
ist eine Weisheit,
die
nicht aus unserer Zeit stammt.
Sie
kommt auch nicht von den Herrschern unserer Zeit,
die
ja zum Untergang bestimmt sind.
Nein,
wir verkünden die geheimnisvolle Weisheit Gottes,
die
bis jetzt verborgen war:
Schon
vor aller Zeit hatte Gott bestimmt,
uns
Anteil an seiner Herrlichkeit zu geben.
Das
ist es,
was
keiner von den Herrschern unserer Zeit erkannt hat.
Denn
hätten sie es erkannt,
dann
hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
In
der Heiligen Schrift heißt es dazu:
»Was
kein Auge gesehen
und
kein Ohr gehört hat,
was
keinem Menschen in den Sinn gekommen ist –
all
das hält Gott für die bereit,
die
ihn lieben.«
Ja,
uns hat Gott dieses Geheimnis
durch
den Heiligen Geist enthüllt.
Denn
der Heilige Geist erforscht alles,
selbst
die geheimsten Absichten Gottes.(1. Korinther-Brief 2,1-5)
Nichts
kann das Geheimnis aufschließen. Außer das Geheimnis selber, außer
Gott. Und er schließt es auf.
Paulus
hat es gesehen und gehört und erkannt. Wenn er könnte, würde er
anderen die Augen und Ohren und Herzen öffnen, damit sie auch sehen
und hören und erkennen.
Er
kann es nicht. Das kann nur der Heilige Geist. Aber Paulus kann
sagen, was er gesehen, gehört, erkannt hat: Gottes Herrlichkeit.
Sie
ist das Geheimnis: Gottes Herrlichkeit. Und die Geschichte von
Christus zeigt es.
Das
Geheimnis liegt in der Krippe. Ein gerade eben geborenes Kind. Klein
und zart. Und doch ein ganzer Mensch. Voller Leben. Voller Willen.
Eben
noch nicht da und jetzt schon der Mittelpunkt von allem. Es kommt und
ist da und verändert ein ganzes Leben und macht aus der Welt eine
andere.
So
wie ein Kind in die Welt kommt, so kommt Gott in die Welt. In dem
Kind, das damals im Stall geboren wird. In jedem Kind, das heute
geboren wird.
Das
Geheimnis, das das Leben zeigt. Denen, denen es sich aufschließt:
Gott ist da, im Leben.
Das
Geheimnis hängt auch am Kreuz. Von aller Kraft und allen Menschen
verlassen. Einsam und gescheitert. Verletzt und geschunden.
Eben
noch mittendrin und voller Leben. Jetzt schon tot und kalt die Hand,
die du berührst.
Auch
das ein Geheimnis, das Gottes Herrlichkeit zeigt. Noch schwerer zu
greifen, noch verborgener als verborgen.
Gott
zeigt sich in dem, der damals am Kreuz hingerichtet wird. So zeigt
sich Gott in jedem Tod, den ein Mensch stirbt.
Das
Geheimnis, das der Tod zeigt, dem, dem es sich aufschließt: Gott ist
auch da, im Tod
Dass
Gott da ist, ist ein Geheimnis, bleibt ein Geheimnis.
Paulus
trägt es im Herzen und auf der Zunge. Immer wieder muss er es
anschauen und wird nicht fertig damit.
So
wie du immer wieder ein kleines Kind anschaust und nicht fertig wirst
damit, weil es so lebensschön ist.
Und
immer wieder muss Paulus nachdenken über das Geheimnis und neue
Worte finden, um es zu erfassen.
So
wie sich der Tod mit seinen Bildern immer wieder in deine Gedanken
schleicht und nach neuen Worten verlangt, die ihn ergreifen.
Gott
ist ein Geheimnis, bleibt ein Geheimnis. Weil Leben und Tod ein
Geheimnis sind und bleiben.
Sie
gehen uns unbedingt an und bewegen uns – sie sind das Geheimnis,
das Gott uns zeigt. Sie sind das Geheimnis, in dem Gott sich zeigt.
Mal
verborgen, mal offen. Mal klar, mal rätselhaft. Immer wieder neu und
wie zum ersten Mal.
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