Das Leben tanzt Auferstehung
Abraham Janssens / Jan Wildens, Noli me tangere, ca. 1620. |
Das Leben tanzt
Auferstehung. So sieht das aus. Wie die Kinder eben in der Vierung.
Wuselig.
Durcheinander. Fröhlich.
Etwas zögerlich
vielleicht am Anfang.
Wann tanzt man auch
schon mal in der Kirche?
Ostersonntag. Zum
Beispiel. Wenn das Leben Auferstehung tanzt.
Hallelu, Hallelu,
Hallelu, Halleluja. Preiset den Herrn.
Die Auferstehung bringt
zum Tanzen.
Ich frage mich: Wie
sieht das im richtigen Leben aus? Wie bringt die Auferstehung da zum
Tanzen?
Vielleicht so, wie sie
die Jünger zum Tanzen bringt: Petrus und Johannes, den anderen
Jünger, den Jesus liebte.
Naja. Die tanzen ja
nicht. Die machen ein Wettrennen. Wer als erstes am Grab ist, hat
gewonnen.
Das sieht aber schon ein
bisschen wie ein Tanz aus: Der eine läuft als erster los, der andere
überholt, nur um dem einen dann wieder den Vortritt zu lassen.
Aber tanzen hat doch
etwas mit Freude zu tun. De beiden freuen sich nicht. Die fürchten
sich und sind erschrocken.
Wie bei einem Unglück:
Ich muss hin und will nicht da sein. Es zu sehen ist mehr, als ich
ertragen kann. Aber wegschauen oder gar wegbleiben, das kann ich auch
nicht.
Vielleicht gehört das
zur Auferstehung hinzu: das Unglück, das Kreuz. Ohne Trauer kann ich
nicht von Trost reden. Ohne Hass nicht von Liebe. Ohne Tod nicht von
Auferstehung.
Der Tod ist die Frage.
Die Auferstehung die Antwort.
Die meisten sagen das
genau andersherum: Der Tod ist klar wie eine Antwort. Die
Auferstehung aber offen wie eine Frage.
Aber der Tod ist es doch,
der alles infrage stellt. Den Weg, den Jesus geht. Das Leben, die
Liebe. Worauf läuft das alles hinaus, wenn es ins Nichts läuft?
Und die Auferstehung
gibt die Antwort: Gott sagt Ja dazu. Zur Liebe, zum Leben, zum Weg,
den Jesus geht. Das alles führt in die Auferstehung, das alles führt
zu Gott.
Johannes kam zum Glauben,
heißt es. Der beginnt zu vertrauen, als er im leeren Grab vor den
Leinenbinden steht. Darauf, dass Jesus eine Antwort kennt sogar auf
den Tod.
Aber wie die Antwort
heißt, dass wissen Petrus und Johannes nicht. Die Auferstehung
bringt sie noch nicht zum Tanzen. Sie gehen wieder zurück nach
Hause. Sie gehen.
Und Maria bleibt am Grab
stehen und weint. Sie hat erst den Lebenden verloren und jetzt auch
noch den Toten. Nichts mehr, woran sie sich in ihrer Trauer noch
festhalten kann.
Erst dann hat der Tod
gewonnen, wenn ich nicht einmal mehr trauern kann. Trauer ist immer
auch Protest gegen den Tod. Das sind wir ja: Protestleute gegen den
Tod.
Und doch macht die Trauer
Maria auch blind. Sie dreht sich um und Jesus steht vor ihr und sie
erkennt ihn nicht.
Das ist die Macht, die
der Tod haben kann: Er macht dich blind für das Leben. Er saugt alle
Kraft auf wie ein schwarzes Loch. Du siehst und hörst nichts anderes
mehr.
Aber Jesus holt sie
heraus aus diesem Loch. „Maria!“, sagt er. Und Maria dreht sich noch
einmal um. Ein zweites Mal.
Vielleicht hat sie
sich zwischendurch wieder abgewandt und will gehen. Und wendet sich
um, als sie ihren Namen hört.
Oder sie dreht eine
Pirouette, einmal um die eigene Achse.
Auferstehung braucht
das: Dass du dich umwendest. Einmal und noch einmal. Sonst erkennst
du sie nicht.
Oder Auferstehung schafft
das: Dass sich für dich alles wendet und ändert.
Auf alle Fälle ist es
Jesus, der Maria zum Tanz auffordert. „Maria. Ich lebe. Und du
sollst auch leben. Ich bin auferstanden. Und du sollst auch
auferstehen.“
Auferstehung bringt zum
Tanzen. So sieht das bei Petrus und Johannes und Maria und Jesus aus.
Und im richtigen Leben? Das war ja die Frage: Wie sieht es im
richtigen Leben aus?
Vielleicht wie in New
Orleans.
Bitte?
Da gibt es doch diese
Prozessionen zu Beerdigungen. Mit einer Jazzband. Mit einem
Trauermarsch begleiten sie den Sarg mit dem Verstorbenen zum Grab.
Stimmt. Und die Leute im
Zug setzen im Rhythmus der Musik Schritt vor Schritt.
Und wenn dann der Sarg
in der Erde ist, ändert sich der Rhythmus. O when the saints go marching in.
Ein Tanz wird daraus. Und
die Menschen beginnen tatsächlich zu tanzen. Neben dem Grab, das
noch offen ist.
Stell dir vor: Eine
Beisetzung auf unserem Friedhof. Und die Menschen tanzen.
Das steht nun doch etwas
gegen unsere Tradition. Und wohl auch gegen das Temperament. Aber es
bringt beides zusammen: Bis zum Grab die Trauer über den Tod. Dann
die Freude über die Auferstehung.
So bringt Auferstehung
zum Tanzen. Du wendest dich um und wechselst die Perspektive.
Du siehst im Tod nicht
mehr das Ende. Du siehst in ihm den Anfang.
Die Auferstehung
bringt das Leben zum Leuchten. Sie sagt Ja zu dem Leben, das vor dem
Tod war. Weil es nach dem Tod zu etwas ganz anderem aufersteht.
Und sie wendet dich um
vom Grab: Du schaust nicht mehr auf den Tod und was er dir genommen
hat. Du schaust auf die Auferstehung und das, was er dem anderen
schenkt.
Und für dich selber
kannst du das auch hoffen. Keiner, der das Leben zunichte macht.
Einer, der Ja zu deinem Leben sagt. Nimm sie ernst, die Auferstehung.
Dabei ist die
Auferstehung doch spielerisch leicht. Im Film „Die Blechtrommel“
gibt es diese schöne Szene: Oskar Matzerath setzt sich bei einem
NSDAP-Aufmarsch unter die Tribüne.
Ja. Und dann fängt er
auf seiner Blechtrommel an zu trommeln. Und bringt so die Kapelle aus
dem Rhythmus. Erst die Kinder, dann die Erwachsenen.
Noch besser: Er verführt
sie mit seinem Takt. Aus der Marschmusik wird nach und nach ein
Wiener Walzer. Und am Ende marschieren sie nicht mehr, da tanzen sie
alle.
Nur ein einsamer
NSDAP-Mann zeigt noch den Hitlergruß. Und dann löst sich alles in
einem großen Regenguss auf.
Das Ende der Marschmusik
und der knallenden Stiefel. Das Leben tanzt Auferstehung.
Man müsste sich mit
so einer Blechtrommel unter die verbissenen Populisten und
Extremisten mischen, die die Welt in „Wir gegen die Anderen“ und
„die Anderen gegen Uns“ aufteilen.
Gute Idee. Und dann
trommelst du so lange, bis die einen die anderen und die anderen die
einen zum Tanz auffordern.
Alles Verbissene fällt
von ihnen ab und sie hören auf, ihren Hass in die Welt zu bellen.
Die Welt im
Dreivierteltakt. Ein Fest für das Leben. Es tanzt Auferstehung.
Ja. Mit der
Auferstehung ist es wie mit dem Tanzen. Am Anfang bist du noch
unsicher, wie das geht: Welcher Schritt kommt jetzt, wo ist nochmal
der Takt?
Und du trittst dem
anderen auf den Fuß.
Warum schaust du mich
jetzt so an?
Dann lernst du, dich dem
Rhythmus zu überlassen. Dem Takt der Musik und den Bewegungen des
anderen. Und dann fließt es.
Wenn du dich so dem
Leben überlassen kannst. Und dich so Gott anvertrauen kannst.
Dann tanzt das Leben
Auferstehung mit dir und du mit dem Leben.
Sollten wir jetzt
einen Tanz...?
Wir üben lieber noch ein
bisschen zuhause.
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