Seid anders


Brüder und Schwestern, durch den Geist Gottes haben wir das Leben. Also gilt: Aus diesem Geist heraus wollen wir auch unser Leben führen.
Wir sollen nicht überheblich auftreten, einander nicht herausfordern und nicht neidisch aufeinander sein.

Paulus schreibt das an seine Gemeinde in Galatien. Ich höre ihn leise seufzen.
Er denkt an die Menschen und an sich selber. Und daran, dass sie, dass wir manchmal sind wie Vögel auf dem Feld, wie Pfauen, wie ein männlicher Pfau. Der ruft laut und stellt sein Rad auf und stolziert umher.
Natürlich ist er überheblich. Er hebt sich über die anderen hinaus. Seine Federn schillern doch am buntesten von allen
Natürlich fordert er die anderen heraus. Schaut her, ruft er, so sieht ein Pfau aus, der es zu etwas gebracht hat. Seht mich an und erblasst vor Neid.
Natürlich ist er selber der erste, der neidisch ist – auf diesen anderen Pfau dort drüben. Die Weibchen rennen ihm alle nach. Was hat der, das er nicht hat?
Ich höre Paulus seufzen. Seid nicht wie diese Pfauen. Seid anders.

Seid anders. Aber wie? Wie gelingt das: Nicht überheblich zu sein, nicht andere herauszufordern und nicht aufeinander neidisch zu sein?
Vielleicht muss ich aufhören, mich zu sorgen. Ich sorge mich, dass ich zu kurz komme. Woher weiß ich, dass ich genug habe? Hat der andere nicht viel mehr als ich? Mehr Haus, mehr Auto, mehr Boot? Also werde ich neidisch.
Ich sorge mich, dass ich übersehen werde. Wer sieht mich und mein kleines Leben? Bin ich nicht nur ein Mensch, der in der Masse verschwindet wie ein Tropfen im Meer? Also fordere ich heraus, damit mich einer ansieht.
Ich sorge mich, dass ich nicht richtig bin. Wer schenkt mir sein Lächeln und ein Lob? Kann ich das eine wie das andere auch wirklich für wahr und ehrlich nehmen? Also werde ich überheblich, damit ich kein Lob und kein Lächeln brauche.

Aber so soll ich ja nicht sein. So will ich nicht sein. So brauchst du nicht zu sein. Alle deine Sorge wirf auf Gott, denn er sorgt für dich.
Denn durch den Geist Gottes haben wir das Leben, schreibt Paulus und seufzt. Schau nicht auf dich. Schau auf Gott.
Schau auf Gott und du siehst, dass er dich anschaut und wie er dich anschaut. Freundlich schaut er dich an. Und wenn du dem Blick standhältst, dann siehst du in seinen Augen: Ausgerechnet auf dich hat er gewartet.
Hör auf Gott und du hörst, wie er dich, gerade dich mit deinem Namen anspricht: Es ist gut, dass du da bist. Du gehörst zu mir.
Vertrau auf Gott und wage zu vertrauen, dass er es gut mit dir meint. Was du zum Leben brauchst, wird er dir in die Hände und vor allem ins Herz legen.

Gott gab uns Atem, damit wir leben. / Er gab uns Augen, dass wir uns sehn. / Gott hat uns diese Erde gegeben, / dass wir auf ihr die Zeit bestehn.

Brüder und Schwestern, nun kann es vorkommen, dass sich jemand zu einer Verfehlung hinreißen lässt. Dann sollt ihr, die ihr ja vom Geist geleitet werdet, ihn zurechtweisen.
Tut dies mit der Freundlichkeit, die der Geist schenkt. Dabei muss jeder für sich selbst darauf achten, dass er nicht auch auf die Probe gestellt wird.
Helft einander, die Lasten zu tragen. So erfüllt ihr das Gesetz, das Christus gegeben hat. Wenn allerdings jemand meint, er sei etwas Besonderes, dann macht er sich etwas vor. Denn das ist er keineswegs.

Paulus schreibt weiter. Freundlich schreibt er und bestimmt. Er schreibt so ins Ungefähre. „Nun kann es vorkommen…“ Und doch hat er die vor Augen, an die er vor allem schreibt.
Ich versuche sie mir vorzustellen. Da ist also dieser Fußballer, der sich – warum auch immer – zu einer politischen Verfehlung hat hinreißen lassen.
Als er das nächste Mal auf dem Platz steht, wird er von den eigenen Fans gnadenlos ausgepfiffen. Die, die sich für die wahren Anhänger der Mannschaft ausgeben, sprechen ihm ab, überhaupt zu dieser Mannschaft gehören zu können.
Die Mannschaft verliert krachend. Er spielt nicht schlechter als die anderen, aber von denen, die etwas zu sagen haben, wird ihm die Schuld in die Fußballschuhe geschoben.
Deshalb beschließt er, seine Fußballschuhe nicht mehr für diese Mannschaft zu schnüren, und sagt, er fühle sich ungerecht behandelt. Das wiederum können die, die etwas zu sagen haben, nicht verstehen. Womit viel geredet und wenig geklärt ist.
Wie auch andernorts viel übereinander geredet und wenig miteinander geklärt wird, sobald sich jemand zu einer Verfehlung hinreißen lässt.
Und wieder höre ich Paulus seufzen und sagen: Seid nicht solche Streithähne. Seid anders.

Seid anders. Aber wie? Wie gelingt es, einander freundlich zu helfen, einen Fehler zu berichtigen?
Vielleicht muss ich anfangen, zu sorgen. Nicht mich um den Fehler, den einer begangen hat. Sondern für den, der den Fehler begangen hat.
Ich stelle mir vor, sie bringen den Fußballer, den sie bei der politischen Verfehlung erwischt haben, zu Jesus. Und warten, dass der den Fußballer vom Feld jagt und aus der Mannschaft ausschließt. Und warten und warten.
Aber Jesus sieht nicht die Verfehlung. Er sieht den Fußballer, der die Verfehlung begangen hat. Und sieht die anderen, die mit dem Finger auf den Fußballer zeigen. Und stellt sich auf beide Seiten. Auf ihre Seite: auf die Seite jedes einzelnen.
Mit jeder und jedem schaut er die Verfehlungen an. Und sie können anerkennen, was sie falsch gemacht haben. Weil er sie, die Menschen, anerkennt. So können sie andere werden.
Wenn uns das gelingt, mit den Menschen, mit denen wir zusammenleben: Dass wir miteinander auf das schauen, was wir einander antun. Und es dann gemeinsam tragen.

Gott gab uns Ohren, damit wir hören. / Er gab uns Worte, dass wir verstehn. / Gott will nicht diese Erde zerstören. / Er schuf sie gut, er schuf sie schön.

Brüder und Schwestern, täuscht euch nicht! Gott lässt keinen Spott mit sich treiben. Denn was der Mensch sät, das wird er auch ernten. Wer auf den Boden seiner irdischen Gesinnung sät, wird aus seiner Gesinnung Verderben ernten. Aber wer auf den Boden des Heiligen Geistes sät, wird aus dem Geist das ewige Leben ernten.
Lasst uns daher nicht müde werden, das Richtige zu tun. Denn wenn die Zeit da ist, werden wir die Ernte einbringen. Wir dürfen nur nicht vorher aufgeben.
Solange wir also noch Zeit haben, wollen wir allen Menschen Gutes tun – vor allem aber denjenigen, die durch den Glauben mit uns verbunden sind.

Paulus schreibt immer noch. Er schreibt mit Nachdruck. Aus seinen Worten soll ein frischer Geist ins Gesicht pusten.
Er schickt sie den Menschen, die zu seiner Gemeinde gehören. Ich stelle sie mir vor.
Die einen sitzen vor dem Fernseher und halten sich die Augen zu. Sie können, sie wollen nicht mehr hinschauen. Jeden Tag die gleichen Bilder.
Den Hass zeigen sie und was er anrichtet: Gesichter verzerrt, Glieder verrenkt, ganze Städte zerstört.
Die anderen sitzen am Stammtisch und halten sich die Ohren zu. Sie können, sie wollen nicht mehr zuhören. In jedem Gespräch die gleiche Leier.
Von den Fremden, die nicht hierher gehören. Über die Hansen, die wieder dies und das getan hat.
Die nächsten halten sich den Mund zu. Sie wollen ihn sich nicht verbrennen. Was hilft es schon, wenn sie ihn auftun.
Dass sich etwas ändert, dafür müssen andere sorgen. Es reicht, wenn sie sich um ihre eigenen Sorgen kümmern.
Und noch einmal höre ich Paulus seufzen und sagen: Legt die Hände nicht auf Augen, Ohren, Mund. Legt sie nicht in den Schoß. Seid anders.

Seid anders. Aber wie? Wie bekomme ich die Hände weg von Augen, Ohren und Mund, wie bekomme ich sie aus dem Schoß?
Ich stelle mir vor, der Geist beginnt in mir zu träumen. Den Traum, den Gott von seiner Welt träumt, die erst noch werden muss, wie sie werden soll.
Der Traum öffnet mir die Augen: Ich gehe aus mit meinem Herz und suche mitten in meiner Wirklichkeit nach den ersten Anzeichen für Gottes neue Welt.
Der Traum öffnet mir die Ohren: Ich höre aus dem, was die Leute sagen, die Sehnsucht, die auch mich umtreibt – nach dem, was anders wird, leichter, freundlicher.
Der Traum öffnet mir den Mund: Ich singe und sage davon, was Gott noch vorhat mit dieser Welt und seinen Menschen. Leise singe ich, aber mit langem Atem, vielstimmig, gemeinsam mit anderen.
Und dann wache ich auf aus dem Traum und spüre den frischen Geist und stehe auf und breite die Arme aus und mache den Mund auf. Und merke: Wir sind mehr.

Gott gab uns Hände, damit wir handeln. / Er gab uns Füße, dass wir fest stehn. / Gott will mit uns die Erde verwandeln. / Wir können neu ins Leben gehn.

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