Fuß in der Tür

Predigt aus dem Gottesdienst am Sonntag, 28. Juni 2020, in St. Johannis auf Föhr.

Der Prophet Micha sagt: „Gott hat Gefallen an Gnade.“ Wir übersetzen das mit: Gott hat Gefallen an geöffneten Türen.

Wir sind als Menschen ja ganz gut darin, Türen zuzuschlagen. Als Schlusswort unter einen Streit zum Beispiel. Auch wenn wir alle genau wissen, dass das Türenschlagen kein Argument in der Sache ist.

Wenn ich eine Tür zuschlage, sagt das eher etwas über einen selber: Ich bin wütend. Und es sagt etwas zu dem, mit dem ich streite: Mit dir will ich nichts zu tun haben. Jetzt im Augenblick jedenfalls.

Der Ärger ist zu verstehen. Aber er ist auch ein Problem: Manche Türen, die krachend ins Schloss fallen, gehen nur schwer oder gar nicht mehr auf.

Wir Menschen sind auch ganz gut darin, Türen verschlossen zu halten. Es gibt ja diese Mietshäuser, da steht von innen an der Eingangstür: Ab 19 Uhr abschließen!

Sicherheit soll das geben. Gegen Einbrecher und Hausierer und Gesindel. Und vor allem gegen die Angst vor dem Fremden und Bösen, das eindringen könnte.

Die Angst ist zu verstehen. Aber sie ist auch ein Problem. Sie führt ja dazu, dass einer sich einschließt. Und wer sich einschließt, ist bald ziemlich einsam.

Wir Menschen sind auch ganz gut darin, andere hinter Türen zu sperren. Zumindest im übertragenen Sinn: In unsere Vorurteile über sie. Jungen tragen blau und Mädchen glitzer.

Und Frauen können nicht einparken und Männer nicht zuhören. Und Männer können nicht in Elternzeit gehen und Frauen keine Firma leiten.

Diese Klarheit des Vorurteils ist verführerisch. Aber sie ist auch ein Problem. Dann, wenn ich es bin, der in eine Schublade gepackt wird, in die ich nicht hinein will und aus der ich nicht mehr hinauskomme.

Wir Menschen sind ganz gut darin, Türen zu verschließen. Und vergessen dabei oft, dass wir dann selber auch an einer verschlossen Tür stehen, wenn auch auf der anderen Seite.

Jede Tür, die ich verschließe, bedeutet eine Begegnung, die nicht stattfinden kann. Jede Tür, die ich schließe, verstellt einen Weg, den ich gehen könnte.

Jede Tür, die sich schließt, schränkt das Leben ein. Das Leben eines anderen Menschen. Mein eigenes Leben. Das Leben überhaupt.

Es steht ja auch zu fürchten: Eine Tür, die sich schließt, bleibt auch verschlossen. Denn: So gut wir Menschen darin sind, Türen zu verschließen, so schlecht sind wir darin, sie wieder zu öffnen.

Aber Micha sagt: Gott hat Gefallen an Gnade. Gott hat Gefallen an geöffneten Türen.

Wir stellen uns das so vor: Gott hat seinen Fuß in der Tür. In jede Tür, die wir zuschlagen wollen, hält er seinen Fuß hinein. Wie ein Handlungsreisender in Sachen Gnade.

Wie bei anderen Vertretern auch ist das ganz schön lästig: Du willst die Tür schließen, aber der lässt dich einfach nicht. Du musst weiter mit ihm reden.

Der stellt durch den Türspalt lauter Fragen: Was, wenn du die Tür öffnest, die du verschlossen hast? Was, wenn du auf das Klopfen hörst und aufmachst?

Der Handlungsreisende in Sachen Gnade redet mit dir und redet mit dir, bis du sagst: „Ja, na gut, okay“, und du ihm das abkaufst, was er dir verkaufen will.

Du bist nicht begeistert, aber du machst das und schaust hinter die Tür zu deinem Vorurteil und siehst, dass die Menschen viel bunter sind, als du denkst. Und erlaubst dir selber auch, ein bisschen anders zu sein.

Und du drehst den Schlüssel zweimal herum und bittest den Fremden hinein und trinkst einen Tee mit ihm, obwohl du lieber Kaffee magst und hörst dir seine Geschichte an und erzählst ihm deine und gewinnst einen Freund.

Dann ist da ja noch die Tür, die du im Streit zugeschlagen hast. Ganz zaghaft klopfst du an und sie wird aufgerissen und es fällt dir einer um den Hals und du merkst, dass Versöhnung viel leichter fällt als ständiger Groll.

Nicht auszuschließen, dass wir daran auch Gefallen finden: Dass Türen sich öffnen zwischen Menschen. Weil Gott sie offen hält. Denn er hat Gefallen an Gnade.


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