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Was, wenn ich einfach "Ja" sage?

„Kannst du nicht aufpassen!“, ruft Paula. „Du bist schuld!“ Böse funkelt sie Paul an. Die Teekanne ist zerbrochen. Ihre Lieblingskanne. Vor 27 Jahren hat sie die geschenkt bekommen. Handfest und zugleich verspielt ist sie getöpfert, in einem dunklen Grünton glasiert. Noch oft hat sie danach Geschirr von diesem Töpfer gekauft. Teller, Tassen, Becher. Alle in derselben Art. Die Teekanne war und blieb das erste und das liebste Stück. Jetzt ist sie zerbrochen. Ein paar große und viele kleine Scherben liegen auf dem Küchenboden. Da ist nichts mehr zu reparieren.   „Du bist schuld!“ Was, wenn Paul jetzt einfach „Ja“ sagt? Aber die Kanne hatte am Boden schon lange einen Sprung. Das weiß Paula doch genau. Und außerdem hat sie nicht richtig hingeschaut, als sie Paul die Kanne hinhielt und einfach losließ. Und Paul erinnert sich noch ganz genau, wie Paula letztens in der Spüle das Weinglas zerbrochen ist, das er sich damals in dieser kleinen Glasbrennerei... „Du bist schuld!...

Maria klingelt bei Martha

Maria stößt die Gartenpforte auf. Sie quietscht noch immer. Es ist ein vertrauter Ton. Jetzt erschreckt er sie. Lange hat sie ihn nicht mehr gehört. Sie wendet sich um und drückt die Tür vorsichtig ins Schloss. Sie schaut zum Haus hin. Es ist niemand zu sehen. Aber ein blaues Licht flackert hinter einem Fenster. Ihr ist, als würde sich die Gardine bewegen. Martha lässt den weichen Stoff los und tritt einen Schritt ins Dunkel des Raumes zurück. Ihr Herz schlägt zu schnell, die Hände werden feucht. Sie schaut auf die Frau, die mit langsamen Schritten auf das Haus zugeht. Maria bleibt auf dem Plattenweg stehen und wischt sich einen Regentropfen von der Stirn. Sie will den Weg ums Haus zur Hintertür laufen. Sie zögert einen Augenblick. Dann geht sie auf den Vordereingang zu. Martha blickt sich um. Sie packt den Stapel Wäsche, den sie schon zusammengelegt hat, und trägt ihn ins Schlafzimmer. Dann räumt sie die Zeitungen vom Tisch auf das kleine Regal neben dem Fernseher. Zwei Frauen streite...

Ich habe deine Sünden vergessen

Von einer alten Frau im Dorf sagte man, ihr erscheine Gott. Der Pastor verlangte dafür Beweise: „Wenn Ihnen Gott das nächste Mal erscheint, dann bitten Sie ihn, Ihnen meine Sünden zu nennen, die nur er allein kennt.“ Einen Monat später kam die Frau wieder zum Pastor. Der fragte, ob ihr Gott erschienen sei. „Ja“, sagte sie. „Und haben Sie ihn nach meinen Sünden gefragt?“ „Ja, das habe ich!“ „Und was sagte er?“ „Sag’ dem Pastor, ich habe seine Sünden vergessen.“ Da ist der Pastor erleichtert. Er ist erleichtert, dass die Frau sie ihm nicht aufzählt. Seine Sünden, die nur Gott kennt. Das, was er am liebsten vor sich selber verheimlichen würde. Aber weil die Scham stärker ist als das Verheimlichen, geht er davon aus, dass Gott die ganz geheimen Sünden auch kennt, kennen muss. „Du, Gott, erforschest mich und kennest mich.“ Aber Gott sei Dank: Es bleibt ihm erspart, das alles vorgesetzt zu bekommen. Er muss sich nicht damit auseinandersetzen. Er darf weiter versuchen, die brennende Scham zu ...

Der erste Stein und das Licht dieser Welt

Wir sind in Jerusalem, im Tempel. Hier ist der Ort, wo Gott zu Hause ist. Es ist früh am Tag. Und doch sind schon viele Menschen da. In der Kühle des Morgens suchen sie die Nähe Gottes. Dort hinten empfängt ein Priester eine Familie. Ein junges Paar kommt zum ersten Mal mit dem frischgeborenen Sohn zum Tempel. Alle Verwandten begleiten sie. Einer von ihnen trägt ein Lamm auf dem Arm, das leise blökt. Ganz in der Nähe bilden viele Menschen einen Kreis. Dicht gedrängt stehen sie. Einer stellt sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. In der Mitte des Kreises sitzt ein Mann auf dem Boden. Er redet zu den Menschen, die um ihn stehen. Gebannt hören sie ihm zu. Er schaut allen ins Gesicht. „Lasst uns durch“, sind da Stimmen zu hören. „Wir müssen zu ihm.“ Der Kreis öffnet sich widerwillig. Da führen die Schriftgelehrten und Pharisäer eine Frau herbei, die beim Ehebruch ertappt worden ist. In der Frau wirbeln die Gefühle und Gedanken durcheinander. Angst hat sie. Angst, vor dem, wa...