Silberne Alltagsunterbrechung

Liebe Silberne Konfirmandinnen und Konfirmanden,
welche Bilder mögt ihr noch aus eurer Konfirmandenzeit haben?
Ich sehe aus meinem Jahr als Konfirmand den Raum in dem Pastorat, das dort Pfarrhaus hieß. Ein Wandbehang: Dunkler Hintergrund. Darauf eine leuchtende Kerze in einem Ständer gestickt und der Spruch: Lux lucet in tenebris. Licht leuchtet in der Dunkelheit.
Das fröhliche Chaos während des Unterrichtes. Scherzen mit den anderen Jungs. Das Mädchen, das mich küssen wollte.
Dunkel: Die Konfirmation selber. Der Einzug in die kleine Kirche. Der Anzug: Graues Jackett, dunkelblaue Hose.
An die Pastorin erinnere ich mich auch noch. Uralt kam sie mir vor. Viel zu freundlich war sie für uns Jugendliche.

Euer Pastor war Pastor Trede. Ihr wart seine letzten Konfirmanden vor dem Ruhestand! Er hat euch zu eurer Silbernen Konfirmation geschrieben:
„Ich bin froh, meine Aufzeichnungen für die letzten drei Gottesdienste mit Euch aufbewahrt zu haben: Am 12. März 1989 habe ich 23 Konfirmanden der Gemeinde vorgestellt, 13 Mädchen und 10 Jungs, 19 von ihnen habe ich in St. Johannis oder St. Laurentii getauft. Thema war: 'Keinem von uns ist Gott fern.' Abendmahlsgottesdienst am Mittwoch, 12.4., 20 Uhr, da haben wir alle sieben Strophen gesungen von 'Der Mond ist aufgegangen!' Bald danach nahmen wir Abschied.“
Pastor Tredes Aufzeichnungen haben auch aufbewahrt, worüber er im Konfirmationsgottesdienst gepredigt hat: Verse aus Jesus Sirach, einer Spätschrift zum Alten Testament.

Nun danket alle Gott, der große Dinge tut an allen Enden, der uns von Mutterleib an lebendig erhält und uns alles Gute tut. Er gebe uns ein fröhliches Herz und verleihe immerdar Frieden zu unsrer Zeit in Israel und dass seine Gnade stets bei uns bleibe und uns erlöse, solange wir leben.
(Jesus Sirach 50,24-26 -- die-bibel.de)

Ich finde es reizvoll, jetzt, bei eurer Silbernen Konfirmation ebenfalls über diese Worte nachzudenken.
So eine Silberne Konfirmation ist eine merkwürdige Sache. „Tüttelkram“, sagte mir in dieser Woche eine Frau, die auch ihre Goldene Konfirmation schon lange hinter sich hat.
Was kann sie sein, die Silberne Konfirmation, wenn sie noch etwas anderes sein soll als ein schönes Wiedersehen mit Menschen, die man lange nicht gesehen hat – oder mit denen, die man ohnehin alltäglich irgendwo auf der Insel trifft?

Ich verstehe sie erst einmal als eine Unterbrechung des Alltags. Wie von selbst geht der Blick zurück auf die Zeit vor 25 Jahren. Auf das, was davon irgendwo im Gedächtnis haften geblieben ist.
Wenn ich nun schon einmal den Sprung zurück gemacht habe, kann ich mich von dort auf den Weg machen: Schritt für Schritt die Jahre abgehen, dich mich von damals bis heute gebracht haben.
Was wird es für euch gewesen sein? Für jede und jeden von euch?
Der Abschluss der Schule, nach der zehnten Klasse, mit dem Abitur. Der Wechsel aufs Festland zum Studium. Die Ausbildung hier auf der Insel. Der Einstieg in den Beruf.
Die ersten tastenden Versuche in der Liebe. Eine feste Freundschaft. Die Hochzeit. Kinder, die den Tag und das Herz ausfüllen.
Vielleicht, hoffentlich das Gefühl: Angekommen zu sein im eigenen Leben.
Das hört sich alles nach einem geraden Weg an. Im wirklichen Leben sind die Lebenswege viel verschlungener. Und doch: Wenn ich mein Leben anschaue, findet sich der rote Faden, der mich von dem Jugendlichen zum Erwachsenen in der Mitte des Lebens führt.
Mit diesem roten Faden im Sinn feiern wir Silberne Konfirmation. Pastor Trede schreibt an euch:
„Mit denen, die von eurem Jahrgang kommen konnten, vor Gott tragen den Dank für alles Gute, Beglückende, alle Freude, ihm zu befehlen alles Schwere, Leidvolle, Traurige, ihn zu bitten um Vergebung der Schuld, des Versäumten, Verkehrten.“
Oder mit dem Buch Sirach: „Nun danket alle Gott, der große Dinge tut an allen Enden, der uns von Mutterleib an lebendig hält und alles Gute tut.“
Ich danke Gott für den roten Faden, den er in mein Leben legt. Dafür, dass sich all das, was mein Leben ausmacht, zu einem Ganzen fügt. Ein Ganzes, in dem alles zusammengehört: Das Schöne wie das Schwere, das Dunkle wie das Helle.

An all das erinnert mich die Silberne Konfirmation, wenn ich mich darauf einlasse. Das, was ich erinnere, stößt mich auf den Menschen, der ich damals war. Und auf den Menschen, der ich heute bin.
Ob ich immer noch derselbe bin? Oder derselbe sein will? „Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: 'Sie haben sich gar nicht verändert!' – 'Oh', sagte Herr K. und erbleichte.“ So erzählt Bertolt Brecht.
Ob ich nun noch derselbe bin oder nicht: Ich habe ein Vierteljahrhundert länger mit mir gelebt und kenne mich ein wenig besser. Ich schaue in den Spiegel der Menschen, mit denen ich lebe und erkenne mich selber. Zumindest stückweise.
Ich weiß um meine Schokoladenseiten. Um das, was mir liegt, was ich gut kann. Ich weiß auch um die dunklen Seiten, über die ich selber am meisten den Kopf schüttele.
Ich weiß um das, was ich anderen Gutes tue, wie um meine Fehler. Ich wäre schon einen großen Schritt weiter, wenn mir dieses Wissen helfen würde, die selbst gestellten Fallen zu umgehen.
„Gott gebe uns ein fröhliches Herz und verleihe immerdar Frieden zu unserer Zeit.“ So heißt es bei Sirach.
Auch dazu ist Silberne Konfirmation gut: Mich mit mir selber versöhnen zu lassen. Frieden zu schließen mit dem Menschen, der ich geworden bin. Ich kann in den Spiegel schauen, den Gott mir hinhält – und sehen, dass er mich freundlich anschaut. Auch wenn ich nicht der schönste bin, sondern den hinter den sieben Bergen …
Fröhlich schlägt so mein Herz. Wenn andere mich loben und zeigen, dass sie mich gern haben – dann nehme ich ihnen das ab. Mit einem Lächeln ertrage ich, was ich an mir selber nicht leiden kann – und habe womöglich sogar die Kraft, etwas zu ändern. Gott jedenfalls traut mir zu, ein anderer zu werden.

So unterbricht die Silberne Konfirmation den Alltag, der euch, uns Menschen in der Mitte des Lebens sonst so völlig im Griff hat. So sehr, dass für anderes kaum Sinn und Zeit ist.
Und wer weiß: Vielleicht entdecke ich wieder und neu, was für ein Fest das Leben ist. Ein Fest, bei dem einer manchmal und einfach so Wasser in Wein verwandelt. In einen Wein, der leckerer schmeckt, als alles, was ich zuvor gekostet habe.
Gott gebe uns, „dass seine Gnade stets bei uns bleibe.“ So schreibt Jesus Sirach.
Das heißt für mich Gnade: Wenn sich mein Leben wandelt. Wenn das, was vorher schal schmeckte, plötzlich voller Würze und Kraft ist. So sehr womöglich, dass es mir fast zu Kopf steigt.
Manchmal scheint sie mitten im Alltag auf, diese Gnade. Eine Kinderhand, die nach meiner greift. Einfach so. Und ich spüre: Da legt sich noch eine andere Hand in meine.
Ein Wort, das einer zu mir spricht. Ganz beiläufig. Aber er schaut mich an. Mich. Von Angesicht zu Angesicht. Und ich sehe: Da schaut mich noch ein anderer an.
Die Hand, der Blick des anderen berühren mich, verändern mich. Das Leben schließt sich mir auf. Ich beginne, es zu feiern. Mitten in meinem Alltag. Da ist Gnade.

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