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Unter Sternen über Steine

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1 Einen Augenblick noch. Die Hirten stehen im Stall. Einer stützt sich auf seinen Stock. Ein anderer lehnt mit dem Rücken an der Stallwand. Sie schweigen und schauen. Ihr Blick geht hinaus in die Nacht, aus der sie kommen. Sie sehen den Weg, den sie unter Sternen und über Steine hierher in den Stall gegangen sind. Sie sehen die Herde, die sie zurückgelassen haben. Dort beim Feuer, bewacht nur von den Hunden und einem Hirten, der lieber blieb, wo er war. So viel mehr noch steigt wie aus grauen Nebelschleiern vor ihnen auf. Da waren die Lämmer, die im Frühjahr die Herde aufmischten und den Mutterschafen und ihnen, den Hirten, keine Ruhe ließen. Da waren die Räuber, die sie eines Nachts überfielen und sich Schafe und Lämmer nahmen und sie vor ihren Augen schlachteten. Da waren ihre Kinder, die zwischen den Schafen aufwuchsen. Sie mussten von dem Wenigen leben, das sie als Lohn bekamen. Aber jedes hatte sein Lieblingslamm und gab ihm einen Namen und tobte mit ihm herum

Der sprachlose Engel

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Federn raschelten, Gewänder knisterten. Die himmlischen Heerscharen bereiteten sich vor. Füße suchten festen Stand, Köpfe hoben sich in den Himmel. Für einen Augenblick schwebte Stille durch die Luft. Dann begann es zu singen und zu klingen. Glasklare Stimmen, übereinander, nebeneinander, miteinander. Jede sang für sich. Alle klangen zusammen. Die Luft schwang. „ Ehre sei Gott in der Höhe.“ Alle sangen. Fast alle. Einer blieb stumm. Er stand an seinem Platz in den himmlischen Heerscharen. Er raschelte mit den Federn und knisterte mit seinem Gewand. Seine Füße suchten festen Stand, er hob den Kopf in den Himmel. Er öffnete und schloss den Mund. Er fühlte die Stimmen der anderen in seinem Bauch. Er formte die Töne, die er singen sollte, in seinem Kopf. Aber er blieb stumm. So war es vorher schon oft gewesen. Sie nannten ihn den sprachlosen Engel. Das war nicht ganz richtig. Er konnte sprechen und reden. Nur singen konnte er nicht. Nicht mehr. „ Ehre sei Gott in d

Macht den Weg frei

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Wir machen den Weg frei. In diesen Adventstagen machen wir den Weg frei für Weihnachten. Wir verwandeln das Wohnzimmer in die gute Stube. Wir machen das Gästezimmer für den Besuch klar. Wir besorgen den Baum und die Gans. Wir kümmern uns um Geschenke. Wir machen den Weg frei. Damit Weihnachten kommen kann. Hinein in unsere Häuser und Wohnungen. Paulus schreibt an die Gemeinde nach Rom: Gott gebe, dass ihr euch untereinander einig seid – so wie es Christus Jesus angemessen ist. Dann könnt ihr alle miteinander den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus wie aus einem Munde loben. ( Römerbrief 15,5b.6 ) Paulus schreibt: Macht den Weg frei. Damit Weihnachten kommen kann. Hinein in eure Herzen. Er schreibt wie einer, der weiß, was auf den vorweihnachtlichen To-do-Listen steht. All die Dinge, die noch unbedingt erledigt werden müssen. All die Termine, die wahrgenommen werden sollen. Womöglich kennt er auch die heimlichen und unheimlichen Wünsche, die

Warte doch mal - ein Adventsdialog

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[Er sitzt, sie läuft auf und ab. Sie kommt zu ihm.] Sie: Was machst du da? Er: Ich warte. Ahja. Und worauf wartest du? Worauf werde ich im Advent wohl warten? Aufs Christkind? Erraten! [Er sitzt, sie läuft auf und ab. Sie kommt zu ihm.] Sie: Hast du jetzt genug gewartet? Er: Ist das Christkind schon da? Nein. Natürlich noch nicht. Dann muss ich weiter warten. Mal im Ernst: Ich habe keine Zeit, zu warten. Das merke ich. Ständig läufst du auf und ab. Irgendwer muss ja auch alles vorbereiten. Vom Warten jedenfalls kommt das Christkind nicht. Nein? Aber vom Putzen kommt es? Immerhin wird davon die Wohnung sauber. Und ich will eine saubere Wohnung haben, wenn das Christkind kommt. Das Christkind ist doch nicht meine Mutter. Ihm ist es egal, ob die Wohnung sauber ist. Mir aber nicht. Und Geschenke müssen auch noch besorgt werden. Hast du dir darüber schon mal Gedanken gemacht? Wieso ich? Die Geschenke bringt doch das Christkind. [Sie winkt ab und l

Heilschwangere Zeit

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Es ist Advent. Ankunft heißt das. Warten auf die Ankunft. Als gingen wir schwanger. Maria geht schwanger. Drei, vier Wochen hat sie noch. Dann kommt das Kind. Sie ist gespannt. Wortwörtlich. Der Bauch spannt. Das ist manchmal unangenehm. Es schränkt sie ein in dem, was sie tun will und tun soll. Mal schnell bücken – das geht nicht. Aber es freut sie auch. Weil sie so merkt, dass etwas in ihr wächst. Dass etwas in ihr lebt. Setzt sie sich hin und ruht sich aus, bewegt sich das Leben in ihr. Das Leben tritt und boxt von innen gegen die Bauchdecke. Und sie legt die Hand auf den Bauch und versucht es zu fassen. Das Händchen. Das Füßchen. Das Leben. Sie versucht sich vorzustellen, wie es wohl aussieht, wenn es ankommt in dieser Welt. Wie sie sich anfühlen: das Händchen, das Füßchen, das Leben. Und wie es riecht. Bei der Freundin in der Nachbarschaft, da hatte sie ein Baby auf dem Arm. Weich, zerbrechlich. Und stark schon, wenn es die kleinen Arme anspannte und die Beine u

Schau über das Ende hinaus

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Ein Tag reiht sich an den anderen. Das gemeinsame Frühstück, die Besorgungen im Haushalt am Vormittag, der Weg zur Arbeit, die Mittagspause, die Tasse Kaffee am Nachmittag, das Puzzeln im Garten, das Erzählen beim Abendbrot, das einverständige Schweigen, wenn es dunkel wird. Es sind wunderbar alltägliche Tage, die wir mit einem geliebten Menschen leben. Tage, die immer gleich bleiben sollen. Und plötzlich ist alles anders. Der Tod bricht den Alltag ab, macht ihn leer und sinnlos. Den geliebten Menschen, der eben noch da war, hat er mit sich genommen hat. Plötzlich fehlt da einer an meiner Seite, der mein Leben teilt und füllt. Der Tod eines Menschen, mit dem wir zusammengelebt haben oder der uns trotz räumlicher Ferne nahe stand, ist ein einschneidendes Ereignis. Für viele eine persönliche Lebenskrise. Der Tod zwingt mich, inne zu halten. Er fordert mich heraus, mein Leben neu einzurichten. Doch bevor mir das gelingt, falle ich erst einmal in ein tiefes Loch. Eben l

Wenn du loslässt

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Einen Affen zu fangen, möchte man meinen, muss ziemlich schwer sein. Es sei denn, man kann wie ein Affe klettern. Aber eigentlich ist es ziemlich einfach. Man muss nur in einer Erdhöhle mit einem schmalen Loch Leckereien für den Affen hineinlegen und warten. Irgendwann kommt der Affe, langt hinein, greift die Leckerei. Dann braucht man nur noch hinzugehen und ihn an die Leine zu legen. Der Affe kommt nicht auf die Idee, das, wonach er gegriffen hat, loszulassen. Er steckt mit der Hand fest Einem Menschen, möchte man meinen, kann das nicht passieren. Aber Menschen sind nun einmal mit Affen verwandt. Ein Kind sieht in einem Glaskrug viele Bonbons. Es greift hinein und möchte möglichst viele herausholen. Aber die geballte Faust geht nicht mehr durch die enge Öffnung des Kruges. Es ist gefangen von den Bonbons. Der Trick gelingt auch mit Erwachsenen – zumindest im übertragenen Sinn. Da ist die Spielerin, die am Roulettetisch sitzt und die weiße Kugel mit den Augen verfo