Macht den Weg frei


Wir machen den Weg frei. In diesen Adventstagen machen wir den Weg frei für Weihnachten.
Wir verwandeln das Wohnzimmer in die gute Stube. Wir machen das Gästezimmer für den Besuch klar. Wir besorgen den Baum und die Gans. Wir kümmern uns um Geschenke.
Wir machen den Weg frei. Damit Weihnachten kommen kann. Hinein in unsere Häuser und Wohnungen.

Paulus schreibt an die Gemeinde nach Rom:
Gott gebe,
dass ihr euch untereinander einig seid –
so wie es Christus Jesus angemessen ist.
Dann könnt ihr alle miteinander
den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus
wie aus einem Munde loben.

Paulus schreibt: Macht den Weg frei. Damit Weihnachten kommen kann. Hinein in eure Herzen.
Er schreibt wie einer, der weiß, was auf den vorweihnachtlichen To-do-Listen steht. All die Dinge, die noch unbedingt erledigt werden müssen. All die Termine, die wahrgenommen werden sollen.
Womöglich kennt er auch die heimlichen und unheimlichen Wünsche, die uns in diesen Tagen umtreiben. Dass die Geschenke gefallen, die ich aussuche. Dass es nett wird und gemütlich im Kerzenschein unterm Baum.
Und vielleicht sieht er auch das, was sich im Schatten der Wünsche verbirgt. Die kleinen Befürchtungen, die wir haben, und die große Furcht, die nach uns greift.
Was, wenn wieder der Streit losbricht wie im vergangenen Jahr und am Ende sich keiner mehr etwas zu sagen hat. Und wenn von den Geschenken nur der Haufen zerknülltes Papier in Erinnerung bleibt?
Vermutlich wird es nicht so schlimm werden, wie der eine befürchtet. Aber es wird auch nicht so schön werden, wie die andere es sich wünscht. Auch dieses Weihnachten wird irgendwo in der Mitte liegen zwischen Katastrophe und Erfüllung.
Die Mitte von Weihnachten. Daran erinnert Paulus: Gott loben wie aus einem Munde. Ihm gemeinsam die Lieder singen, die wir im Herzen und auf der Zunge tragen.
Schließlich ist es doch Gott, der anklopft, wenn Weihnachten vor der Tür steht. Und wir gehen hin und machen auf und bitten ihn hinein.
Dann sitzt er in der guten Stube und packt die Geschenke mit uns aus und freut sich am Kerzenlicht. Dann ist er der Besuch in unserem weihnachtlichen Haus.
Und es geschieht das kleine Wunder, das manchmal geschieht, wenn ein ersehnter Besuch da ist: Alles wird leichter und fröhlicher. Was wir gewünscht haben und auch befürchtet, all das zählt nicht mehr. Nur noch, dass wir da sind und Gott auch. In der Krippe. Auf dem Sessel. Bei uns.

Paulus schreibt weiter an die Gemeinde in Rom:
Daher bitte ich euch:
Nehmt einander an,
so wie Christus euch angenommen hat,
damit die Herrlichkeit Gottes noch größer wird.

Paulus schreibt: Macht den Weg frei. Damit Weihnachten kommen kann. Zu den Menschen in eurer Nähe.
Er schreibt wie einer, der die Menschen kennt und vor allem sich selber. All die unausgesprochenen und manchmal auch schnell daher gesagten Erwartungen, die wir an andere Menschen haben.
Was sie mal endlich tun könnten. Wie sie sein sollten, ausnahmsweise oder auch immer und ständig. Damit sie ein wenig mehr dem Bild gleichen, nach dem wir sie formen wollen.
Und vielleicht, vielleicht ist gerade zu Weihnachten der Drang besonderes groß, einen anderen nach meinem Bild zu schaffen. Damit er meine Wünsche erfüllen kann, die ich zu seinem Besten und vor allem für mich habe.
Wünsche erfüllen: Was, wenn wir die Blickrichtung ändern? Wenn wir auf das schaue, was die andere sich wünscht. Und womöglich auch auf das, was sie braucht. Und wenn wir ihr dann zu geben versuchen, was sie braucht und sich wünscht.
Dann kann ein Wunder geschehen. Die andere verwandelt sich vor meinen Augen. Ich sehe eine andere in ihr.
In einer mecklenburgischen Dorfkirche zeigt ein Altar, wie Menschen sich anderen zuwenden: Ihnen zu essen und zu trinken geben, sie besuchen und pflegen, den Mantel mit ihnen teilen.
Das Besondere daran: Einen Heiligenschein tragen auf diesem Altar nicht diejenigen, die helfen. Sondern diejenigen, die Hilfe brauchen und denen geholfen wird.
Zu Gott gehören nicht die, die das Gute tun. Sondern die, die warten, dass ihnen jemand etwas Gutes tut.
So möchte ich gern auf die Menschen schauen, denen ich begegne: Dass sie jemand sind, in denen mir Gott begegnet. Dass er mir gerade in dem begegnet, was sie brauchen. Was sie von mir brauchen.
Wenn wir Menschen so anschauen können, vielleicht werden wir dann weihnachtliche Menschen. Rümpfen nicht die Nase über den zugigen Stall und die fremden Menschen darin.
Sondern gehen hin und bringen eine warme Decke mit und etwas Zeit und werden beschenkt mit einem Lächeln auf dem Gesicht und einem hüpfenden Herz, sobald wird das Neugeborene in der Krippe sehen.
Gott, der sich in ein Leben hineinlegt, das uns seiner gar nicht würdig erscheint. Aber genau da will er hin. Zu uns.

Paulus schreibt schließlich an die Gemeinde in Rom:
Gott erfülle euch auch in eurem Glauben
mit lauter Freude und Frieden.
So soll eure Hoffnung
über alles Maß hinaus wachsen
durch die Kraft des Heiligen Geistes.

Paulus schreibt: Macht den Weg frei. Damit Weihnachten kommen kann. Gott ist längst unterwegs zu euch.
Er schreibt wie einer, der aus dem lebt, was er hofft. Wer hofft, sieht, was nicht da ist. Er sieht mehr, als da ist. Und was er sieht, das ist für ihn auch da.
Paulus schreibt wie einer, der weiß, wie schwer das fällt. Der weiß, wie viel leichter es ist, sich an das zu halten, was vor Augen ist. Und an das, was alles zu tun ist.
Den Baumständer auf dem Dachboden suchen. Sterne und Engel aus Papier basteln. Die Pakete zur Post bringen. Das ist so schön handgreiflich. Was ich erledigt habe, kann ich abhaken.
Mit ein bisschen guter Planung und der nötigen Geschwindigkeit sind bis Heiligabendmittag hinter alle To-do's Häkchen gesetzt. Und Weihnachten kann kommen.
Aber womöglich haben die Häkchen einen Haken. Wir sehen die Liste und das, was zu tun ist. Und wir tun, was zu tun ist. Aber wir übersehen, was nicht da ist und doch da ist: Das, was wir nicht tun können, sondern nur hoffen.
Den Weg frei machen: Das muss ja nicht nur heißen, Dinge erledigen und zur Seite räumen. Das kann ja auch heißen: Selber zur Seite gehen, damit Platz wird.
Platz in all meinem Tun für das Hoffen. Für das, was ich nicht tun kann. Hoffen kann ich nicht tun, nicht machen. Hoffen, das macht Gott in mir.
Ich trete beiseite und mache ihm Platz. Platz in mir. Damit er einziehen kann. Mit Hoffen, mit lauter Friede und Freude.
Und dann öffnen wir die Augen und das Herz und sehen, dass er schon längst da ist. Die Tür steht offen und er tritt ein und füllt unser Leben.
Und plötzlich wird Platz in all unserem Tun. Eben war es noch eng getaktet durch all die Aufgaben, die anstehen. Und jetzt bekommt es Weite.
Ich muss nichts mehr vorbereiten. Alles ist schon da. Er ist schon da. Liegt schon in der Krippe, die ich noch gar nicht aufgestellt habe. Sitzt in der Stube, die noch gar nicht geschmückt ist.
Und weil er nun schon einmal da ist, können wir hoffen. Hoffen durch ihn, der trägt. Die Tage bis Weihnachten. Über Weihnachten hinaus. Er ist ja gekommen, um zu bleiben.
Vor Jahren schon. Und alle Jahre wieder. Zu allem. Und zu jedem ganz besonders.

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