Johannes makes Nächstenliebe great again
Wir feiern Johannes den Täufer, wir feiern seinen Geburtstag, wenn auch einen Tag zu früh.
Die,
die sich Johannes irgendwie verbunden fühlten, feierten auch seine
Geburt. Acht Tage nach seinem Geburtstag haben sie sich im Tempelversammelt. Das Kind soll seinen Namen bekommen. Und es soll
beschnitten werden – als Zeichen dafür, dass es in den Bund
gehört, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat.
Auf
der rechten Altartafel von St. Johannis in Nieblum sind sie zu sehen, die mit dem Kind in den
Tempel gekommen sind. Elisabet natürlich, die Mutter, mit ihrem lang
ersehnten und schon gar nicht mehr erhofften Sohn. Sie sitzt da im
Tempel und gibt ihm die Brust.
Das
scheint niemand von den anderen dort zu stören. Vielleicht ist es
einfach so alltäglich: Der Hunger eines Kindes muss gestillt werden,
auch im Tempel. Gerade im Haus Gottes wird der Hunger gestillt, nach
Leben, nach Segen.
Vielleicht
aber sind die anderen, die Männer zumal, auch mit etwas wichtigerem
beschäftigt. Zum Beispiel wie das Kind heißen soll. Zacharias, so
wie der Vater. Wie es sich gehört nach der guten alten Tradition der
Väter.
Oder
Johannes. So wie Elisabet es sagt. Und wie auch Zacharias es
bestätigt. Auf einem Wachstäfelchen, heißt es im Lukasevangelium.
Auf der Altartafel wird daraus ein wehender Papierstreifen. Johannes
also – „Gott ist gnädig“, bedeutet der Name.
Seine
Geburt ist besonders. Sein Name ist besonders. Auf der Altartafel
beugt sich eine junge Frau über die Schulter von Elisabet. Neugierig
schaut sie auf den säugenden Säugling: „Was wird aus diesem Kind einmal werden?“
Das
ist so eine Frage, die Eltern sich stellen – und Großeltern und
alle, die sich mit einem Kind verbunden fühlen. Ob es nun Johannes
heißt. Oder A.
Da
hast du so ein kleines Kind auf dem Arm und spürst seine Wärme und
siehst seinen Blick. Nah ist die Wärme, weit der Blick. Als wüsste
das Kind, wo es herkommt und wo es hingeht.
Womöglich
weiß so ein kleines Kind das tatsächlich. Weiß es noch. Irgendwann
auf dem Weg beginnt das Wissen zu verblassen.
Weil
da so viel anderes ist, auf und neben dem Weg. Marienkäfer und
Kieselsteine. Ein verlorener Teddy und vergessene Hausaufgaben. Ein
gelungener Flickflack. Der erste Kuss.
Große
Sorgen und kleines Glück. Kleine Sorgen und großes Glück. Daneben
kann das Wissen schon einmal verblassen, wo du herkommst und wo du
hingehst.
Da
ist es gut sich zu erinnern. Oder sich erinnern zu lassen. Von
anderen Menschen. Durch gute alte Traditionen.
Deshalb
kommen Elisabet und Zacharias mit Johannes in den Tempel, damit er
beschnitten wird. Das erinnert daran, dass Johannes in den Bund
gehört, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat. So wie seine
Eltern hineingehören. Und die Eltern der Eltern, viele Generationen
zurück.
"Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein", sagt Gott am Anfang
dieses Bundes zu Abraham. Leben schenke ich dir und du sollst es
denen schenken, denen du begegnest. Ich schaue dich freundlich an und
du sollst die freundlich anschauen, die zu dir kommen.
So
ist Johannes gesegnet wie die Menschen vor ihm. Und die Menschen nach
ihm. Wie A..
Sie
weiß das, weil sie noch keine Zeit hatte, es zu vergessen. Und auch
ihr sollt das wissen. Deshalb haben wir sie getauft. Auch das ein
Zeichen für den Bund, den Gott schließt. Mit allen Menschen und mit
jedem ganz besonders.
Ein
Zeichen aus Wasser: Gott schenkt dir das Leben, um es zu bewahren und
damit du es bewahrst. Und im Zeichen des Kreuzes: Gott umfasst dein
ganzes Leben, den Anfang und das Ende, das Oben und das Unten, das
Schwere und das Leichte. Und du sollst das Leben der Menschen teilen,
die sich dir anvertrauen.
„Was
wird aus diesem Kind einmal werden?“ Der Segen Gottes, ob nun in
der Beschneidung oder in der Taufe, gibt darauf eine Antwort. Aus A.
wie aus Johannes wird das Kind Gottes, das sie beide schon immer
waren.
Was
sonst aus A. wird, werdet ihr sehen. Bei Johannes wissen wir es
schon.
Lukas erzählt: Johannes wuchs heran und nahm zu an
Verstand. Er lebte in der Wüste bis zu dem Tag, an dem er
öffentlich in Israel auftrat.
Diesen
Johannes sehen wir auf der linken Altartafel. Von ihm erzählt Matthäus:
Johannes
der Täufer verkündete in der Wüste von Judäa:
Ȁndert euer Leben! Denn das Himmelreich wird sichtbar in
der Welt!«
Johannes trug
einen Umhang aus Kamelhaar und um seine Hüfte einen
Ledergürtel. Seine Nahrung bestand aus Heuschrecken und Honig
von Wildbienen.
Die
Menschen strömten zu ihm aus Jerusalem, aus ganz Judäa
und aus der ganzen Gegend am Jordan. Sie ließen sich von ihm im
Fluss Jordan taufen und bekannten ihre Schuld.
Auf der Altartafel hat der Maler für
Johannes einen Pult in die überraschend grüne Landschaft am Jordan
gestellt. Dahinter steht der Täufer, über das Gewand aus Kamelhaar
hat er einen roten Umhang geworfen.
Johannes bleibt ganz ruhig in dem, was
er zu verkünden hat. Kein erhobener Zeigefinger, kein wütender
Blick. Eher nachdenklich und sorgfältig zählt er an den Fingern ab,
was die Menschen zu ändern haben in ihrem Leben.
Und wer weiß, während er so
nachdenklich auf seine Finger schaut, merkt er, dass er auch von
seinem Leben spricht. So wird aus dem „Ändert euer Leben!“ ein
„Ihr und ich, wir zusammen müssen unser Leben ändern!“.
Mit der Freiheit, die der Maler sich
nimmt, lege ich Johannes den Taufspruch von A. in den Mund:
„Ihr Kinder,
unsere Liebe darf nicht nur aus Worten und Lippenbekenntnissen
bestehen. Sie soll sich in Taten zeigen und darin, dass sie
der Wahrheit entspricht.“
Dass
das so ist, liegt auf der Hand. A. zu sagen, dass ihr sie liebt, ist
schön. Sie wird es, wenn sie es einmal verstehen kann, vielleicht
etwas peinlich finden, aber doch gern hören. Vor allem aber wird sie
spüren, dass das stimmt, was ihr sagt.
Mit
jedem Lächeln, das ihr an sie verschenkt. Mit jedem Turm, den ihr
für sie baut, damit sie ihn umstoßen kann. Mit jeder frischen
Windel und mit jedem Pflaster.
Weil
sie es so gern spürt, wird sie es auch testen: Was sind die alles zu
tun bereit, um mir zu zeigen, dass sie mich lieben? Und nicht immer
wird eure Geduld so weit reichen, wie eure Liebe es will.
Unsere
Liebe darf nicht nur aus Worten bestehen. Sie soll sich in Taten
zeigen. Das Evangelische Kinder- und Jugendbüro von Nordfriesland
hat daraus eine Aktion gemacht: „Make Nächstenliebe great again“
ist sie überschrieben.
Dazu haben sie diese kleinen Kärtchen
entworfen. „Sei du
die Nächstenliebe“ steht da drauf. Und lauter kleine Dinge, die du
tun kannst.
Für Anfänger etwa: „Bedanke dich
für eine Kleinigkeit.“ Oder: „Säe an einem selbstgewählten Ort
Wildblumen.“ – Für Fortgeschrittene: „Lebe einen
selbstgewählten Zeitraum vegetarisch.“ Oder: „Lächle einen Tag
lang alle Menschen an.“
Make Nächstenliebe great again. Wir
alle zusammen müssen unser Leben ändern. Auf der Altartafel hören
die Menschen Johannes aufmerksam zu. Das bestimmt.
Da schlägt sich auch einer an die
Brust: „Ja, das sollten wir wirklich alle tun!“ Aber hier
verschränkt einer die Arme: „Das will ich gar nicht hören!“ Und
da schaut einer wütend: „Das sollte er mal denen sagen, die das
betrifft.“
Und dann sitzt unter dem Pult von
Johannes noch ein Kind, in rotem Gewand, mit weißer Schürze.
Es schaut auf eine Birne in seiner
linken Hand. Und mit der rechten Hand nimmt es einen Apfel aus der
Hand einer Frau, seiner Mutter vielleicht.
Die Mutter und das Kind tauschen. Die
süße Birne gegen den sauren Apfel. Genauer: Das Kind und die Mutter
tauschen. Es nimmt den sauren Apfel und gibt die süße Birne.
So sagt es die Kunstgeschichte: Das
Kind, das der Maler dorthin gesetzt hat, ist Jesus. Er beißt in den
sauren Apfel, damit seine Mutter und mit ihr alle Menschen von der
süßen Birne kosten können.
„Jesus nimmt den Hass aus der Welt
und gibt Liebe hinein“, sagt dieses kleine Bild im Bild. „Das hat
die Welt und auch euer Leben schon längst verändert. Ihr könnt die
Nächstenliebe groß machen. Fangt einfach an.“
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