Segen ist wie ...
Segen ist wie ein Ton, der klingt.
Segen ist auch wie ein Zelt, das birgt.
Bei
einer Klangschale ist das ja so. Ich schlage sie an mit einem
Klöppel. Und dann gibt sie einen Ton. Den höre ich. Und wenn ich
ganz aufmerksam bin, kann ich ihn auch spüren. Ich spüre das
Schwingen der Klangschale. Ich spüre das Schwingen des Tones. Am
Anfang ganz deutlich. Dann immer leiser und zarter.
Bei
einem Zelt ist das ja so: Ich trage es auf einer Wanderung mit mir
herum. Dort, wo ich einen guten Platz dafür finde, schlage ich es
auf. Ich krieche hinein und bin doch noch draußen. Ich merke den
Wind an den Zeltwänden. Ich höre den Regen auf dem Zeltdach. Aber
ich bin im Schutz des Zeltes.
Abraham
kann Gott nicht begreifen. Ganz wortwörtlich: Gott ist kein Gott,
den er einfach anfassen kann. Und auch im übertragenen Sinn: Gott
ist kein Gott, der sich durch Nachdenken erschließt. Und doch ist
der Gott da. Eine Stimme, die spricht. Eine innere Stimme, die ganz
klar und deutlich ist. Ein Ton, der klingt.
Abraham
hat keinen Ort für seinen Gott. Dort hinten bei den Felsen hat er
Gott gehört. Aber das ist nicht der ständige Wohnort von Gott. Gott
hat keinen festen Wohnsitz. Darin ist er wie Abraham. Aber weil er
das nicht hat, kann er auf jede Wanderung mitkommen. Ein Zelt, das
birgt.
Für
Abraham ist der Segen wie ein Ton, der klingt. Gott bringt etwas in
ihm zum Klingen. Einen Ton, den er vorher noch nicht gehört hat.
Aber der so schön und rein klingt, dass er nachklingt – womöglich
ein Leben lang.
Für
Abraham ist der Segen wie ein Zelt, das birgt. Gott bringt ihn dazu,
aufzubrechen. Eine Idee, die er vorher noch nicht hatte. Aber die auf
einmal so verlockend vor ihm steht, dass er ihr nachgeht –
womöglich ein Leben lang.
Der
Segen wird für Abraham also zum Grundton in seinem Leben. Nichts,
was alle andere Töne übertönt. Aber doch ein Ton, der beständig
da ist. Vielleicht ist er mal leiser und mal klarer, aber doch: er
klingt immer. Ich will dich segnen, verspricht der Grundton. Du bist
gesegnet.
Der
Segen wird für Abraham auch zum Unterschlupf für sein Leben.
Nichts, worin er sich verkriecht. Aber doch ein Raum, der ihn umgibt.
Vielleicht wirkt er mal sicherer, dann wieder zerbrechlicher.
Aber doch: er ist ein Schutz auf allen Wegen. Ich werde dich
begleiten, verspricht der Unterschlupf. Du bist gesegnet.
Abraham
hört den Ton, der durch sein Leben klingt. Er hilft ihm, gewiss zu
sein: Es ist gut, dass du da bist. Ausgerechnet du. Mit dir habe ich
etwas vor, sagt Gott. Dein Leben ist wichtig. Du bist mir wichtig.
Die Worte hat er einmal gehört. Er will sie nicht mehr vergessen.
Abraham
trägt auch das Zelt, das ihn in seinem Leben birgt. Es bietet ihm
den Unterschlupf, in den er sich zurückziehen kann. Ich gehe mit
dir, sagt Gott. Ich halte meine Hand über dich. Wo du auch hingehst.
Die Worte hat er einmal erfahren. Die will er immer wieder erfahren.
Das
Wunderbare an dem Ton, der in Abraham klingt: Abraham hört ihn. Er
klingt in ihm nach. Und er bringt ihn in anderen zum Klingen. Er muss
den anderen davon erzählen. Und die anderen hören es und trauen
ihren Ohren erst nicht. Aber dann trauen sie Abraham und seinen
Worten. Und es beginnt auch in ihnen zu klingen.
Das
Wunderbare an dem Zelt, das Abraham birgt: Es birgt Abraham. Aber es
ist ein großes Zelt, in dem viel Platz ist. Platz auch für all die
anderen. Er muss sie einladen in dieses Zelt. Sie staunen erst. Aber
dann freuen sie sich und treten ein in dieses Zelt. Und siehe da, es
birgt auch sie.
So
wird Abraham zum Segen: Er bringt den Ton auch in anderen zum
Klingen. Er gibt den Segen weiter, der in ihm angeklungen ist und
nachklingt. Was Gott in ihm angestoßen hat, stößt Gott durch ihn
in anderen an. Aus dem einen Ton wird eine Melodie, ein Lied, das vom
Segen singt.
Und
so wird Abraham zum Segen: Er schlägt das Zelt auch für andere auf.
Wie der Segen ihn zum Aufbruch bewegt, bewegt er andere dazu, mit ihm
aufzubrechen. Gemeinsam ziehen sie los. Das Zelt haben sie
mitgenommen und schlagen es hier und da auf. In seinem Schutz bergen
sie sich.
Abraham
ist der Urvater für Juden, Christen und Muslime. Bei ihm hat
der eine Ton seinen Anfang. Der Ton, der durch die Zeiten klingt.
Auch heute. Wenn wir hinhören, hören wir ihn in uns. Jeder für
sich.
Mit
Abraham beginnt die Geschichte von Gott und den Menschen. Er ist
losgezogen mit dem Zelt im Gepäck. Und immer noch sind Menschen
unterwegs mit ihrem Gott, ziehen mit ihm hinaus ins Leben.
Der
Ton, der in Abraham klingt, er klingt immer noch. Zum Beispiel, wenn
wir Gottesdienst feiern. Sonntag für Sonntag. Hier und an anderen
Orten. Evangelisch, katholisch – auch jüdisch oder muslimisch. Das
ist der Versuch, den Ton immer wieder neu zum Klingen zu bringen.
Weiterzugeben, was Gott einst mit Abraham angefangen hat. Damit der
Segen weiter in den Herzen klingt.
Das
Zelt, das Abraham birgt, es birgt immer noch. Zum Beispiel, wenn wir
uns im Pastorat Donnerstag für Donnerstag zum Konfer treffen. Oder
andere Jugendliche zu anderen Zeiten an anderen Orten zusammenkommen.
Woche für Woche brechen wir auf und versuchen, Leben und Glauben zu
erkunden. Hier und da schlagen wir ein Zelt auf, in der Hoffnung,
dass Gottes Segen birgt.
Am
Ende des Gottesdienstes bekommen alle den Segen. Er kommt wie ein
Ton, der anklingt. In Ihnen. In euch. Damit er in euch weiter
klingt. In der Woche, die kommt. In dem Lied, das ihr singt von den
Tagen, die ihr erlebt.
Am
Ende der Konferzeit bekommt ihr den Segen. Ihr bekommt ihn wie ein
Zelt, das birgt. Euch. Die zu euch gehören. Damit ihr wisst: Ihr
könnt aufbrechen in euer Leben. Jeden Weg, den ihr geht, den es euch
führt. Wo ihr hingeht, seid ihr geborgen.
Segen
ist wie ein Ton, der klingt. In allen und in jedem ganz besonders.
Ich will dich segnen, sagt Gott, und du sollst ein Segen sein.
Segen
ist wie ein Zelt, das birgt. Alle und jeden ganz besonders. Gehe in
ein fernes Land, sagt Gott, ich werde es dir zeigen.
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