Das Interview

In Sotschi trifft heute die deutsche Nationalmannschaft beim zweiten Gruppenspiel auf das schwedische Team.
Unsere Reporterin Claudia Altmann ist auf der Strandpromenade der Stadt am schwarzen Meer unterwegs, um etwas von der Stimmung einzufangen. Und sie hat auch schon einen interessanten Gesprächspartner gefunden.
Claudia, wie sieht es aus in Sotschi?

Ein herzliches Willkommen aus Sotschi. Gut sieht es hier aus. Die Sonne scheint. Es weht ein laues Lüftchen vom Meer herüber. Die Leute sitzen in den Strandcafés. Neben mir steht Johannes Täufer.
Friede sei mit dir. Und auch mit euch.
Gleichfalls. Johannes – ich darf doch Johannes sagen? – Johannes, viele werden sicher überrascht sein, sie hier zu sehen. Wir wussten gar nicht, dass sie Fußball-Fan sind.
Ich sag' mal: Das wusste ich bis vor kurzem auch nicht. Und ich bin selber ein wenig von meiner Begeisterung überrascht. Sie kam unverhofft über mich.
Wo kommt sie denn her, diese Begeisterung? Vorsichtig formuliert: Am Spiel der deutschen Mannschaft gegen Mexiko kann es ja nicht liegen.
Ja, gut. Ich muss sagen: Auf die Feinheiten des Spieles achte ich gar nicht so sehr. Die Abseitsregel zum Beispiel …
Da sind sie sicher nicht der einzige. Aber woher kommt dann die Begeisterung? Spielen Sie selber?
Nein, nein. Die Begeisterung kommt vom Zuschauen. Und vielleicht ist es auch gar nicht so sehr das Spiel, das mich anzieht. Sondern die Begeisterung der Menschen.
Der Jubel in den Stadien also. Die Gesänge?
Es ist ja eigentlich nur ein Spiel.
Die schönste Nebensache der Welt.
Aber wenn ich die Menschen anschaue im Stadion, dann berührt mich ihr heiliger Ernst.
Es heißt, Fußball sei eine Religion.
Das weiß ich nicht. Ich sehe nur, was ich sehe. Und ich höre, was ich höre. Menschen, die aus voller Kehle und mit ganzem Herzen ihre Lieder singen.
Das sind im Zweifelsfall die gleichen, die von sich behaupten, dass sie nicht singen können.
Genau. Und dann sitzen und stehen die da 90 Minuten lang und verfolgen das Spiel, als ginge es um alles.
Manchmal geht es das ja auch. Heute zum Beispiel, wenn Deutschland nicht gewinnt …
Es fühlt sich zumindest so an. Ich schaue bei den Spielen den Menschen ja immer gern in die Gesichter.
Das tun unsere Kameramänner auch mit Vorliebe. Vor allem bei den Frauen.
Was Sie da alles sehen können. Wenn der Schiedsrichter nicht pfeift, was er pfeifen soll.
Dann erntet er ein Pfeifkonzert.
Wut und Hass schlägt ihm dann entgegen. Schauen Sie sich die Gesichter an. Ganz verzerrt sind sie.
Ja. Manchmal ist es zum Fürchten. Aber das ist doch kein Vergleich zum Jubel, wenn ein Tor fällt.
Dann explodiert die Freude. Ich habe ja immer gedacht, was für ein merkwürdiger Ausdruck: Das Stadion explodiert vor Freude. Aber so ist es.
Ich vermute, man muss Fußball-Fan sein, um das zu verstehen.
Und auch nur ein Fußball-Fan kann nachvollziehen, wieso man traurig, richtig traurig sein kann, wenn die eigene Mannschaft verliert.
Mich bewegen ja noch mehr die letzten Minuten eines Spiels. Wenn die Spannung mit den Händen zu greifen ist.
Man kann das dann wirklich fast greifen: Bei den einen die Angst: Was soll werden? Und bei den anderen die Hoffnung: Das wird was.
Und dann pfeift der Schiedsrichter ab und alles ist vorbei. Sieg für die einen, Niederlage für die anderen.
Es ist ja nicht vorbei. Die Gefühle halten an. Die Freude, wenn die eigene Mannschaft gewonnen hat. Die Trauer, wenn sie eine Niederlage einstecken musste.
Und man kann sich noch tagelang über den Fehler von Caballero und das Tor von Rebic unterhalten.
Oder über die Kommentare der Kommentatorin, ob die nun weiß, was sie da tut oder nicht.
Als ginge es um alles.
Das ist es, was mich am Fußball begeistert: Dass er die Menschen, die Fans so berührt, als ginge es um alles.
Dabei geht es gar nicht um alles.
Das fühlt sich in den 90 Minuten und der Nachspielzeit eines Spiels aber anders an. Da geht es wirklich um alles.
Finden Sie nicht, dass der Fußball manchmal viel zu wichtig genommen wird?
Ich finde, man kann gerade das von der Fußballbegeisterung lernen: Etwas wirklich wichtig zu nehmen.
Wie meinen Sie das?
Ich meine: Nur wenn ich etwas wichtig nehme, wenn ich mich von etwas berühren lasse, ändert sich etwas. In meinem Leben. Auf der Welt.
Vermissen Sie das bei den Menschen heute?
Ich sage lieber: Ich freue mich jedes Mal, wenn ich es erlebe. Wenn ein Mensch zu mir kommt und fragt: Johannes, wie kann ich mein Leben ändern?
Wünschen Sie sich, dass mehr Menschen das tun?
Mein Eindruck jedenfalls ist: Es tut gut, wenn ich berührt werde. Von etwas, das mich riesig freut. Auch von etwas, das mich tieftraurig macht. Dann berührt mich das Leben. Dann berührt mich Gott. Und ich werde ein anderer.
Also: Ihre Hoffnung ist, dass der Fußball uns Gott näher bringt.
Meine Hoffnung ist, dass wir uns von Gott berühren lassen, wie manche sich vom Fußball berühren lassen: Von ganzer Seele und ganzem Herzen und mit aller Kraft.
Erst einmal hoffen wir, dass die deutsche Mannschaft heute Abend so spielt: Mit ganzem Herzen und mit aller Kraft. Was ist ihr Tipp?
Es hat mal einer gesagt: Gott ist das, was dich unbedingt angeht. Was dich im tiefsten Inneren berührt. Öffne dich und lass dich von Gott berühren.
Ja, danke. Aber ich meinte den Ausgang des Spiels heute Abend.
Oh. Achso. Ja. Zwei zu eins für Deutschland.
Sie sind der Prophet. Ihr Wort in Gottes Ohr. Ich gebe zurück ins Studio.
Ja, vielen Dank, Claudia. Vielen Dank auch an Johannes Täufer. Der Mann Gottes outet sich als Fußball-Fan. Wer hätte das gedacht.

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