Kopf hoch!
Wir befinden uns im Jahr 50 vor
Christus. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt … Ganz Gallien?
Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf,
dem Eindringling Widerstand zu leisten.
Und das Leben ist nicht leicht für die
römischen Legionäre, die als Besatzung in den befestigten Lagern
Babaorum, Aquarium, Laudanum und Kleinbonum liegen.
Denn die Gallier fürchten sich
bekanntlich vor nichts. Vor gar nichts? Doch! Vor einer Sache haben
sie Angst.
Asterix und Obelix kommen gerade ins
Wartezimmer des Druiden Amnesix. Dort sitzt schon ein Gallier, der
sich ganz klein macht auf der Wartebank.
Er duckt sich unter ein großes Schild.
Mit zittrigen Händen hält er es über seinem Kopf fest. „Der hat
ständig Angst, dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt“, erklärt
die Druidenhelferin Gibtermine.
Das ist das einzige, was die Gallier
fürchten: Dass ihnen der Himmel auf den Kopf fallen könnte.
»Zeichen werden zu sehen sein an der
Sonne, dem Mond und den Sternen. Auf der Erde werden die Heiden
zittern und nicht mehr aus noch ein wissen vor dem tosenden Meer und
seinen Wellen.«
Der Gallier im Wartezimmer von Amnesix,
dem Druiden, ist nicht der einzige, der unter seine Angst duckt. Er
befindet sich damals in guter Gesellschaft. Was er buchstäblich
macht, tun andere bildlich: Sich unter Schilden verstecken.
Wie leicht kann der Himmel auf den Kopf
fallen. Schließlich ist der ja nur locker aufgespannt über der
Erde.
Die Ordnung der Welt ist zerbrechlich.
Auch wenn ein Tag auf den anderen folgt und die Jahreszeiten im
runden Kreis laufen: Wer sagt, dass das auch morgen noch so sein muss
oder nächstes Jahr?
Da sind Mächte am Werk, die um so
vieles stärker als Menschen sind und nicht zu beherrschen. Der Sturm
peitscht das Meer und türmt es zu Wellenbergen auf. Der Mond schiebt
sich vor die Sonne und macht es am Tag nachtdunkel.
Klein und schwach ist der Mensch. Unter
dem Eindruck dieser Kräfte kann er doch nur versuchen, sich
wegzuducken.
Die Angst ist auch noch da, als Uderzo
und Goscinny ihre Gallier zum Comicleben erwecken. Vor 50 Jahren
erschien der Band „Kampf der Häuptlinge“, in dem der Gallier
ängstlich im Wartezimmer von Amnesix sitzt.
Die Erlebnisse des Weltkrieges stecken
den Menschen noch in den Knochen. Erinnerungen an Bombenhagel und
Ruinenstädte. Aus der Ferne sind sie Zeugen eines neuen Krieges in
Vietnam.
Und manchmal ganz konkret, manchmal
unbestimmt droht der Atomkrieg: Ein Feuersturm, der die Ordnung
selbst des Himmels erschüttern würde. Der Mensch, der in der Lage
ist, sich selbst und seine Erde zu vernichten.
Den Atomkrieg hat der Klimawandel
abgelöst. Auch er, der Krieg gegen das Klima, menschengemacht. Auch
er in seinen Folgen kaum abzusehen und doch in Modellen am Rechner
genau auszumalen.
Eis und Gletscher schmelzen, Meere
steigen, Inseln und Küstenlandstriche gehen unter. Wüsten wachsen
und Hitze sengt und Stürme toben.
Wo ist das Schild, das schützt?
»Die Menschen vergehen vor Angst,
während sie auf das warten, was über die ganze Welt hereinbrechen
wird. Denn sogar die Ordnung des Himmels wird erschüttert werden.
Dann werden alle es sehen: Der Menschensohn kommt auf den Wolken mit
großer Macht und Herrlichkeit.«
Es gibt auch so etwas wie die Lust an
der Angst. Ein wohliges Schauern, mit dem man durch eine Geisterbahn
fährt und auf den Schrecken wartet. Das Kitzeln im Bauch, bevor sich
die Achterbahn in die Tiefe stürzt.
Oder die geweiteten Augen, mit denen
man vor dem Fernseher sitzt und der Tsunamiwelle zuschaut, wie sie
Strand und Autos und Häuser und Menschen verschluckt.
Die Hände, die man sich vor die Augen
hält, um dann durch sie hindurch auf den Bildschirm zu schauen, wo
es in den Nachrichten knallt und blitzt und kracht und Menschen
rennen oder bewegungslos auf der Straße liegen.
Zeitungen, die sich darin übertreffen,
die Folgen von Katastrophen zu beschreiben: Es war noch nie so
schlimm und wird noch schlimmer.
Vielleicht kann man sich den Gallier
unter seinem Schild und mit der Angst, dass ihm der Himmel auf den
Kopf fällt, auch als glücklichen Menschen vorstellen.
Jedenfalls gab und gibt es Menschen,
die genüsslich Ausschau halten nach Zeichen, die ihnen vom Untergang
der Welt künden. Mit ausgestreckten Fingern und großen Worten reden
sie die Apokalypse herbei.
Apokalypse, das bedeutet wörtlich:
Enthüllung, Entschleierung. Das Wort meinte ursprünglich nicht den
Untergang selber, sondern etwas darüber zu wissen und deshalb
enthüllen zu können.
Untergangsenthüller geben vor,
Bescheid zu wissen. Über das, was bevorsteht und im Verborgenen vor
sich geht. Sie sagen, sie wissen, wo das alles herkommt und hinführt.
Vor allem aber tun sie eines: Ängste
schüren. Sie selber haben keine Angst und auch keine Lust an der
Angst. Sie haben Freude an den Ängstlichen.
Sie jagen anderen gern Angst ein. Wer
das tut, will Macht haben. Wer das kann, hat Macht. Macht über
andere Menschen und ihre Gefühle und ihr Leben.
»Aber ihr sollt euch aufrichten und
euren Kopf heben, wenn das alles beginnt. Denn eure Rettung kommt
bald!«
„Apokalypsenverweigerungshaltung“
hat dazu eine gesagt, ein anderer nennt es „eine adventliche
Haltung“: Sich aufrichten und den Kopf heben.
Ich versuche das immer am Anfang eines
Gottesdienstes. Mich aufrecht hinzustellen. Zu spüren, wie aus
meinen Füßen Wurzeln in die Erde wachsen. Und wie mein Kopf sich in
den Himmel hebt. Und so dann Gott entgegen zu schauen.
Auch der ängstliche Gallier ändert
seine Haltung: Auf den Händen läuft er aus dem Druidensprechzimmer,
die Beine nach oben gestreckt. „Ich bin geheilt!“, ruft er. „Ich
habe keine Angst mehr, dass mir der Himmel auf den Kopf fallen
könnte!“
Die äußere Haltung ist Ausdruck der
inneren Haltung. Genau so gilt aber auch: Die körperliche Haltung
beeinflusst die innere Haltung.
Der Druide Amnesix verändert die
Haltung des Galliers. Eben noch kauert der sich unter sein Schild.
Jetzt läuft er auf den Händen. Die Angst, die gefangen nimmt,
wandelt sich in ein Spiel, das frei macht.
Das macht frei: Sich aufrichten und den
Kopf heben. Der Advent macht frei: Du richtest dich auf und siehst
dem entgegen, was kommt. Du hebst den Kopf und schaust nach dem, der
kommt.
Das kann deine
Apokalypsenverweigerungshaltung sein: Du siehst eine Welt, in die
Gott kommt. Die geht noch lange nicht unter. Die muss doch erst noch
werden, was sie nach Gottes Willen sein soll.
Ein Ort, an dem Gerechtigkeit und
Friede sich küssen. Das ist sie noch nicht. Aber das soll sie
werden. Advent heißt ja nicht Gegenwart, sondern Zukunft. Eine
Zukunft, die kommt.
Und einer der kommt. „Jesus kommt“,
schreibt Hanns Dieter Hüsch. „Schmück dein Gesicht / Schmücke
dein Haus und deinen Garten / Mein Herz schlägt ungemein / Macht
Sprünge / Mein Auge lacht und färbt sich voll / Mit Glück / Jesus
kommt / Alles wird gut“
So geht adventliche Haltung.
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