Wie eine Feder
Engelfeder oder Federengel. |
Ich beneide ja die Engel. Also: die
richtigen Engel. Die, die Bote sind von Gott und für Gott – und
das ganz und gar.
Einen ersten Satz braucht so ein Engel:
„Fürchte dich nicht.“ Weil er damit rechnen muss, dass eine
erschrickt, sobald er ihr entgegentritt. Als einer, der nicht nach
ihrem Geschmack ist, sondern in Gottes Auftrag unterwegs.
Das ist ja zum Fürchten, wenn dir
einer entgegentritt, der von Gott kommt, und du davon ausgehen musst,
dass er dir jetzt Gottes Wahrheit ins Gesicht sagt. Eine Wahrheit,
die dein Herz trifft, durch Mark und Bein geht, dich erschüttert.
So ein Engel hat ja auch einen zweiten
Satz. Der Satz, der erschüttert und ins Herz trifft: „Du hast Gnade bei Gott gefunden.“
Mehr hat er als Engel nicht zu sagen.
Mehr kann er auch gar nicht sagen. Da ist nichts, was größer sein
könnte und tiefer als dieser eine Satz, den Gott ihm aufträgt.
Das ändert doch dein Leben, wenn dir
einer entgegentritt und dir das ins Gesicht sagt und ins Herz legt.
Eine Wahrheit, auf der du dein Leben gründen und dein Vertrauen
bauen kannst: „Du hast Gnade bei Gott gefunden.“
Ich beneide ja die Engel. Wenn ein
Engel das sagt: „Du hast Gnade bei Gott gefunden!“ – dann gilt
das.
Es gilt wirklich, weil der Engel nur
das weiterträgt, was Gott ihm aufgetragen hat. Wie eine kleine
Feder, die Gott ihm in die Hand legt und die er der in die Hand legt,
für die er geschickt ist.
Es gilt wahrhaftig, weil die jetzt die
Feder in den Händen hält und sieht und weiß, dass stimmt und wahr
ist, was sie hört: „Ja, ich habe Gnade gefunden bei Gott.“
So ist das bei einem Engel. Da haben
Zweifel keinen Platz, weil sich Gottes Wahrheit in ihm so breit
macht. Also kann er nicht anders, als Gottes Wahrheit weitertragen.
Deswegen beneide ich die Engel: Weil es
bei mir anders ist. Ja, ich kann den Satz sagen: „Du hast bei Gott
Gnade gefunden.“ Ich sage ihn sogar gern.
Aber wenn ich den Satz sage, streiten
sich immer Gottes Wahrheit und menschlicher Zweifel. Ein wenig wie
bei der Reise nach Jerusalem.
Die Wahrheit und der Zweifel tanzen um
den letzten Stuhl,der noch übrig ist. Sobald die Musik abbricht,
sitzt eine von den beiden auf dem Stuhl. Der Zweifel des Menschen
oder die Wahrheit Gottes.
Vertraue ich selber dem Satz: „Du
hast bei Gott Gnade gefunden“? Vertraut die, der ich den Satz sage?
Oder zweifelt die? Und zweifle ich? Mal sitzt Gottes Wahrheit auf dem
Stuhl, mal menschlicher Zweifel.
Deshalb beneide ich die Engel.
Vielleicht bin ich damit in guter Gesellschaft. Vielleicht geht es
auch Paulus so. Selbst er, der Apostel, muss sich abmühen mit Gottes
Wahrheit und menschlichem Zweifel.
Wenn er vor den Menschen steht und
ihnen die Wahrheit ins Gesicht sagen kann, erreicht er auch ihre
Herzen. Sobald er sich aber umdreht und weiterzieht, verblasst die
Wahrheit und verlieren sich die Spuren.
Also muss Paulus lange Briefe
schreiben, um die Menschen zu erinnern an Gottes Wahrheit. Um den
Zweifel vom Stuhl zu scheuchen, damit die Wahrheit Platz nehmen kann.
An die Menschen in Korinth schreibt er
zum Beispiel:
So wahr Gott treu ist: Keines unserer
Worte an euch bedeutet gleichzeitig Ja und Nein. Denn es war Gottes
Sohn, Jesus Christus, den wir bei euch verkündet haben – wir, das
heißt: ich, Silvanus und Timotheus.
Die Menschen in Korinth, die haben ein
Problem: Paulus und Silvanus und Timotheus, die haben ihnen Gottes
Wahrheit ins Herz gelegt wie eine Feder in ihre Hand.
Aber jetzt sind die Drei nicht mehr da.
Und die Feder in ihrer Hand weht fort und die Wahrheit in ihren
Herzen löst sich auf in Ja und Nein und Ja, aber und Nein, doch.
„Du hast bei Gott Gnade gefunden“,
haben sie eben gehört. Jetzt streiten sie sich, ob sie denn richtig
gehört haben und wenn ja, wie das denn zu verstehen ist.
Weil die Menschen in Korinth ein
Problem haben, hat auch Paulus eines. Um Gottes Willen hat er eines.
Denn Gott wird einsam, wenn die Menschen seine Wahrheit nicht mehr
verstehen: „Du hast Gnade bei mir gefunden.“
Auch um der Korinther Willen hat er ein
Problem. Die verlieren sich in ihren Zweifeln, wenn sie das nicht
mehr hören: „Du hast bei Gott Gnade gefunden.“
Paulus muss das Problem lösen. Also
schreibt er einen Brief nach Korinth. In den legt er seinen Glauben
und sein Herz hinein. Wie eine Feder wickelt er sie hinein in die
Pergamentrolle. Die Feder sollen sie finden, wenn sie den Brief
aufrollen und einander vorlesen.
Die Feder und und die Botschaft und die
Wahrheit tragen einen Namen: Jesus Christus.
Denn es war Gottes
Sohn, Jesus Christus, den wir bei euch verkündet haben … Und
Gottes Sohn war nicht Ja und Nein zugleich, sondern er ist das Ja in
Person. Durch ihn sagt Gott Ja zu allem, was er je versprochen hat.
Deshalb berufen wir uns auf ihn, wenn
wir »Amen« sagen. Und so machen wir Gottes Herrlichkeit noch
größer.
Die Menschen in Korinth lesen sich das
einander vor und leise und fröhlich beginnt die Feder im Luftzug zu
tanzen.
Was Paulus schreibt, ist ja manchmal
schwer zu verstehen. Aber Jesus Christus, Gottes Sohn, das ist leicht
zu verstehen.
Von ihm hat Paulus erzählt. Von ihm
können sich die Menschen in Korinth erzählen.
Jesus Christus, so können sie
erzählen, den haben Menschen doch getötet für das, was er getan
und gesagt hat: Menschen heilen; ihnen sagen, wie sie erfüllt leben.
Von Gott erzählen und seinem Willen; Segen von Gott ausbreiten.
Getötet haben ihn Menschen. Aber Gott
hat ihn auferweckt von den Toten. Ja, hat Gott gesagt, was Jesus
getan hat und gesagt hat, das war und ist meine Wahrheit. „Du hast
Gnade bei mir gefunden“, das sagt Gott zu Jesus Christus.
Und Jesus Christus hat doch eine
Geschichte erzählt von dem Sohn, der wegläuft von seinem Vater und
sich erst freut an seinem Abenteuer und dann selber verliert und
schließlich umdreht und sich in die offenen Arme wirft, mit denen
ihn der Vater empfängt.
„Du hast Gnade bei mir gefunden“,
das sagt doch diese Geschichte, das sagt doch Gott zu jedem Menschen.
Das ist Gottes Wahrheit.
Und die können sie in Korinth hören
und sehen und spüren, wenn sie von Jesus Christus erzählen, wenn
sie seine Worte und seine Geschichten weitersagen.
Ein Name nur, Jesus Christus, und die
Korinther halten wieder die Feder in der Hand und erinnern sich an
Gottes Wahrheit. Ein Name nur, mit dem sich Worte und Geschichten
verbinden, die sie erzählen können.
Die wir erzählen. Immer noch und immer
wieder. Zum Beispiel gestern im Hagebaumarkt in Eckernförde. Da
stand ein Mann in einer Zimmermannskluft an einer Werkbank. Eine
Krippe baute er zusammen.
Neben ihm saß eine Frau und strich
sich über ihren runden Bauch und lobte Gott, weil er den Engel zu
ihr geschickt hatte und sie jetzt ein Kind erwartete.
Maria und Josef im Baumarkt, gespielt
und erzählt und gefeiert von Pastorinnen und Pastoren aus
Eckernförde und Umgebung. Und die Heimwerker staunten Bauklötzer.
Die Fortsetzung der Geschichte erzählen
am Heiligabend wieder die Kinder im Krippenspielgottesdienst.
Das Kind, das Maria zur Welt bringt.
Das Kind, das Gott in die Welt bringt. Das allen Menschen zeigt: Ihr
habt bei Gott Gnade gefunden. Gott schenkt sie dir. Gott schenkt sich
dir.
Und Eltern und Großeltern und alle
anderen werden staunen.
Gott aber ist es, der
uns gemeinsam mit euch im Glauben an Christus festigt. Er hat uns
gesalbt und uns sein Siegel aufgedrückt. Dazu hat er uns den
Heiligen Geist als Vorschuss ins Herz gegeben.
Auch wenn ich die Engel beneide um die
Klarheit, die sie umgibt und ihre Botschaft: Wir haben ja etwas
anderes. Wir haben die Geschichte von dem Engel und von Maria und von
dem Kind. Die Geschichte von Jesus Christus.
Die ist wie eine tanzende Feder. Und
alle Jahre wieder und manchmal auch zwischendurch kann es doch sein,
dass Gott dafür sorgt: Die Worte berühren uns.
Dann hören und spüren wir, dass Gott
auch uns meint, dass der Engel und das Kind auch zu uns kommen:
Fürchte dich nicht, Mensch. Denn du hast bei Gott Gnade gefunden.
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