Die zwei Weisen aus der Zeit


Wir stellen uns vor.
Wir sind die beiden Weisen aus dem Morgenland.
Halt, werdet ihr womöglich sagen. Waren das nicht Könige?
Ganz unrecht habt ihr damit nicht. Könige sind wir schon irgendwie. Zumindest haben wir Untertanen.
Ja. Ihr hier seid unsere Untertanen. Ja. Ihr hängt von uns ab. Ohne uns könnt ihr nicht sein.
Aber eigentlich sind wir keine Könige. Wir sind die Weisen. Die beiden Weisen, in denen euch die Zeit begegnet.
Die Vergangenheit und die Zukunft.
Halt, werdet ihr womöglich nochmal sagen. Dann müsst ihr doch zu dritt sein. Wo habt ihr die Gegenwart gelassen?
Gegenfrage: Habt ihr schon einmal die Gegenwart gesehen? Habt ihr euch schon einmal mit ihr unterhalten?
Ja, haben wir, wollt ihr womöglich sagen. Das tun wir doch jetzt gerade.
Und jetzt schon wieder.
Und jetzt auch.
Das nämlich ist das Problem mit dieser Gegenwart.
Erst ist sie nicht da. Ist sie dann da, ist sie schon wieder weg.
Und wenn sie dann wieder da ist, ist sie schon eine andere.
Ein Gespenst, das euch durch die Hand gleitet. Und Gespenster gibt es nicht! Oder glaubt ihr an Gespenster?
Deshalb sind wir nur zu zweit. Die Vergangenheit und die Zukunft. Die beiden Weisen der Zeit.
Sie, die Vergangenheit, nimmt beständig zu.
Das ist jetzt aber nicht nett gesagt.
Also rein bildlich gesprochen.
Ich sag's doch mit einem Lächeln.
Bei dir weiß man das ja leider nie so genau: Kommst du als Vorwurf daher? Oder als fröhliche Erinnerung?
Ja, ich trage beides an mir. Das, worüber einer stolpert. Und das, was über einer glänzt. Stern oder Stein.
Schade eigentlich, dass manche Menschen ganz vergessen, dass du da bist.
Ach, manchmal kann ich das verstehen. Ich finde das auch ganz gut, wenn ihr mich hin und wieder in Ruhe lasst.
Das kannst du mir doch nicht erzählen. Wenn sie dich mal vergessen, sorgst du doch dafür, dass du ihnen früher oder später bitter aufstößt.
Aber doch nur dann, wenn sie mit mir noch nicht fertig sind.
Wer ist schon jemals mit dir fertig? Ich versuche schon seit einer Ewigkeit, mit dir fertig zu werden.
Dabei weißt du doch eigentlich, wie es geht: „Suche Frieden und jage ihm nach!“
Das sagt sie immer: Schließt Frieden mit mir!
Das ist alternativlos!
Du nun wieder.
Ich weiß, alternativlos ist für dich ein Unwort. Aber alternative Fakten gibt es nicht. Ich bin, die ich bin. Und ihr müsst mit mir so klar kommen, wie ich bin.
Also: Den Frieden suchen! Den Frieden mit dir!
An mir soll es nicht liegen. Ich halte jedem und jeder die Hand hin.
Und die einen finden Sterne und die anderen finden Steine.
Ja, ich gebe zu, manchmal ist es nicht leicht, Frieden zu machen mit mir.
Ja. Aber es ist möglich. Es ist möglich, dass auch ein Stein anfängt zu glänzen und zu funkeln.
Recht hast du. Dazu reicht es manchmal schon, wenn ihr nur ein Fragewort ändert. Wenn ihr nicht mehr fragt: Warum halte ich diesen Stein in der Hand?
Sondern wenn ihr fragt: Wozu halte ich ihn in der Hand?
Und schon habt ihr Frieden mit mir. Ihr könnt den Stein weglegen.
Du weißt doch selber, dass das oft genug schwer ist.
Ich weiß. Dazu braucht es vielleicht auch deine Hilfe. Du kannst das: Etwas verändern.
Naja. Dich kann ich nicht verändern. Aber wie einer dich ansieht, das kann ich womöglich verändern.
Ja. Mit dir bleibt alles anders.
Aus stumpfen Steinen werden glänzende Steine werden sogar Sterne.
Bevor du hier jetzt abhebst: Es kann mit dir ja auch den anderen Weg gehen.
Ich weiß. Sterne verblassen und werden zu totem Stein.
Ich finde ja, mit mir haben es die Menschen leichter als mit dir. Ich bin, die ich bin.
Ja. Und ich werde erst, der ich werde.
Mich kann man anfassen und begreifen.
Und mich sieht man aus der Ferne auf sich zukommen und plötzlich bin ich schon vorbei.
Und keiner weiß, wie du aussiehst. Aus der Ferne noch so, auf halber Strecke dann so und vor Augen verschwimmst du.
Das wäre ja noch schöner, wenn ihr bestimmen könntet, wie ich aussehe.
Ja. Das wäre bestimmt schöner. Du versteckst dich immer im Ungefähren. Du könntest so, aber auch ganz anders sein.
Ja. Könnte ich: Stern oder Stein. Wie du.
Darum beneide ich dich: Dass Menschen sich auf dich freuen.
Das können sie sich über dich auch.
Vorfreude ist immer größer als die Freude danach.
Du schmeichelst mir. Aber da sind auch Angst und Sorge.
Um die beneide ich dich allerdings nicht. Mit mir sind die Menschen womöglich unglücklich, aber dich müssen sie manchmal geradezu fürchten.
Sie müssen nicht. Sie können auch sagen: „Ich glaube. Hilf meinem Unglauben!“
Der Satz klingt ganz nach dir: Irgendwie klar und doch offen.
Genau: Es kann alles ganz anders sein und wird doch immer so, wie es wird.
Darauf könnt ihr euch verlassen, dass ihr euch bei ihm auf nichts verlassen könnt.
Ich wollte das Gegenteil sagen: Auch wenn ihr euch bei mir auf nichts verlassen könnt, sollt ihr mir Vertrauen entgegen bringen.
Wie soll das bitte gehen? Das ist doch, als würdest du in deiner einen Hand einen Stern verstecken und in der anderen einen Stein und die Menschen die Hand wählen lassen.
Genau. Und egal welche Hand ihr nehmt, ihr gewinnt.
Also hast du in beiden Händen einen Stern?
Wieso sollte ich? Wieso sollte einer nicht auch gewinnen, wenn er einen Stein zieht?
Jetzt verstehe ich, warum du sagst: „Hilf meinem Unglauben!“
Ja, ich weiß: Es ist viel verlangt, darauf zu vertrauen dass alles, was dir geschieht, gut wird.
Das kann keine durchhalten.
Dazu braucht sie dich: Wenn sie bei dir gelernt hat, dass Steine sich in Sterne wandeln können …
… braucht sie die Steine, die du bringst, nicht zu fürchten.
Weil auch Steine Sterne sein können.
Überhaupt: Stern! Wir reden und reden. Und das wieder mal nur über uns.
Stimmt ja. Aber so sind wir. Selbstbezogen.
Und vergessen ganz, dass es etwas anderes gibt als uns.
Und ihr vergesst das ja auch oft genug
Aber es gibt da noch den Stern.
Also: Den Stern aller Sterne.
Dem sind wir gefolgt. Bis hierher.
Und dort steht er. Über euch. Dort, wo ihr seid, ist der Stern.
Ihr wisst ja, was der Stern bedeutet.
Ein König ist euch geboren. Unser König.
Deswegen auch sind wir nämlich keine Könige. Weil einer noch größer ist als wir.
Der Herr über uns.
Das war er. Das wird er sein.
Der ist jetzt auch der Herr unter euch.
Der liegt nämlich in der Krippe hier.
Und zu der Krippe könnt ihr kommen.
Und die Sterne und Steine könnt ihr mitbringen, die ich in der Hand halte, und sie ihm schenken. Und sie fangen an zu funkeln und zu glänzen und werden leicht.
Und in der Krippe findet ihr die Sterne und Steine, die ich an euch weiterreiche. Auch die funkeln und sind ganz leicht.
Weil sie von ihm kommen. Dem Herrn über uns, die Vergangenheit und die Zukunft.
Weil er in seinen Segen eintaucht, was war und was wird. Der Herr unter euch, an eurer Seite.
Er hat die Macht. Über uns, die Vergangenheit und die Zukunft.
Die wunderbare Macht. Für euch, seine Menschen.
Sucht Frieden mit mir, eurer Vergangenheit, jagt ihm nach. Er hat ihn schon längst für euch gemacht
Glaubt an mich, eure Zukunft. Er hilft eurem Unglauben!
Er, der Herr sagt: Was war, wird gut.
Und er sagt: Was kommt, bleibt ein Segen!

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