Wassertaufe und Geisttaufe

Weiß eigentlich ein kleines, gerade geborenes Kind, dass Gott ihm nah ist? Kann es fühlen, dass es Gott nah ist? Wir sind am Freitag mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden auf diese Fragen gestoßen.
Manche haben gesagt: Wie soll das Kind das wissen, wo es doch noch nichts von Gott weiß und begreifen kann. Andere haben gesagt: Klar weiß so ein kleines Kind das, schließlich kommt es ja aus Gott, von Gott.
Wir haben uns gefragt, wie es wohl weiter geht mit den Lebensjahren. Wie nah oder fern wir da Gott sind oder uns fühlen. Manche haben gesagt: Am Anfang fühlt sich der Säugling Gott nah – aber das Kind beginnt das zu vergessen. Es entfernt sich von Gott. Andere haben gesagt: Am Anfang weiß der Säugling nichts von Gott – aber das Kind hört dann Geschichten von Gott und kann ihm nahe kommen.
Wir haben uns auch gefragt, wie es wohl für Jesus gewesen sein mag. Wie nah oder fern mag er sich Gott gefühlt haben? Die Weihnachtsgeschichten, die erzählen zwar: Da wird Christus geboren, der Retter, den Gott geschickt. Aber ob der kleine Säugling das gewusst hat? Und wie war es später, als Jesus ein Junge war und seinen Eltern davonschlich, um im Tempel mit erwachsenen Männern über Gott zu diskutieren? Wie sehr wusste er da, dass er zu Gott gehört?
Auf diesem Hintergrund höre ich die Geschichte, die Matthäus von der Taufe erzählt. Jesus lässt sich taufen. Johannes sagt zwar: Du hast keine Taufe nötig. Schon gar nicht von mir. Aber Jesus sagt: Lass es geschehen. Und ich höre: Jesus hat die Taufe nötig. Er muss sich vergewissern. Er braucht ein Zeichen, dass Gott bei ihm ist.
Und tatsächlich: Als er aus dem Wasser steigt, öffnet sich über ihm der Himmel, und er sieht den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und aus dem Himmel spricht eine Stimme: ‚Dies ist mein geliebter Sohn, an ihm habe ich Freude.’“
Jetzt kann es Jesus wissen, dass er zu Gott gehört. Gottes Geist füllt ihn aus. Und auch diejenige, die dabei sind und die Stimme hören, wissen: Gott sieht Jesus als seinen Sohn an.

So erzählt es das Matthäusevangelium. Auch das Lukasevangelium und das Markusevangelium erzählen von der Taufe. Nicht aber das Johannesevangelium.

Worte aus dem 1. Kapitel des Johannesevangeliums (Verse 29-34):

Am nächsten Tag kam Jesus zu Johannes. Als dieser ihn kommen sah, rief er: »Seht, hier ist das Opferlamm Gottes, das die Sünde der ganzen Welt wegnimmt! Er ist es, von dem ich sagte: ›Nach mir kommt einer, der größer ist als ich, denn er war schon vor mir da.‹ Auch ich kannte ihn nicht. Aber weil Israel erkennen soll, wer er ist, bin ich gekommen und taufe mit Wasser.«
Weiter bezeugte Johannes: »Ich sah den Geist ´Gottes` wie eine Taube vom Himmel herabkommen und auf ihm bleiben. Ich kannte ihn bis dahin nicht; aber der, der mich gesandt und mir den Auftrag gegeben hat, mit Wasser zu taufen, hatte zu mir gesagt: ›Der, auf den du den Geist herabkommen siehst und auf dem er bleiben wird, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft.‹ Das habe ich nun mit eigenen Augen gesehen, und darum bezeuge ich, dass dieser Mann der Sohn Gottes ist.«


Die Worte klingen wie eine Fortsetzung der Taufgeschichte. Als würde Johannes am Tag nach der Taufe erzählen, was er erlebt und gesehen hat.
Aber das Johannesevangelium erzählt nicht von der Taufe. Johannes hat hier Jesus nicht getauft. Er hat nur gesehen, wie der Geist Gottes wie eine Taube auf Jesus herabkommt.
Im Vergleich zu den anderen Evangelien ist das spannend: Bei Markus und Lukas steht ganz schlicht: Jesus kommt an den Jordan und lässt sich von Johannes taufen. Dann öffnet sich der Himmel und der Geist Gottes kommt herab.
Matthäus erzählt es schon umständlicher: Johannes zögert und Jesus muss ihn drängen, ihn zu taufen. Im Johannes¬evangelium fällt schließlich die Taufe ganz weg und der Täufer sieht nur den Geist wie eine Taube herabkommen.
Es gibt noch einen weiteren Unterschied: Bei Matthäus weiß der Täufer sofort, mit wem er es zu tun hat – wie sollte er sonst die Taufe verweigern? Aber im Johannesevangelium kennt der Täufer Jesus noch gar nicht. Erst als er die Taube sieht, weiß er, mit wem er es zu tun hat.
Das ist spannend, weil es den Schluss nahe legt, dass das Johannesevangelium eine Trennlinie ziehen will zwischen Johannes dem Täufer und Jesus. Johannes der Täufer ist nicht mehr als ein Bote. Und nur Jesus ist der Sohn Gottes.
Dass das Johannesevangelium das tun will oder muss, hat seinen Grund: In seinem Umfeld wird es vermutlich viele Anhänger von Johannes dem Täufer gegeben haben. Menschen, die den Täufer für wichtiger hielten als Jesus. Dagegen sagt das Johannesevangelium: Johannes der Täufer sagt doch selber: Nach mir kommt einer, der größer ist als ich. Johannes der Täufer bezeugt doch selber: Dieser Mann, Jesus, das ist der Sohn Gottes.
Für das Johannesevangelium ist aber auch klar: Den Sohn Gottes, den kann der Täufer gar nicht taufen. Denn der Täufer, sagt das Johannesevangelium, der tauft mit Wasser. Der Sohn Gottes aber, der wird mit dem Heiligen Geist taufen. Der Heilige Geist aber muss dem Sohn Gottes verliehen werden. Das kann nicht durch die Wassertaufe des Täufers geschehen. Der Heilige Geist kann nur von Gott selber kommen.
Und also wird aus Johannes dem Täufer der Zeuge, der sieht, wie Jesus den Geist Gottes verliehen bekommt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ich möchte gern über diesen Unterschied weiter nachdenken, den das Johannesevangelium zieht: Auf der einen Seite steht Johannes der Täufer. Weil die Menschen erkennen sollen, wer Jesus ist, ist er gekommen und tauft mit Wasser. Auf der anderen Seite steht Jesus. Er ist der, auf den der Geist Gottes herabkommt und bleibt und der mit diesem Geist tauft.
Vielleicht hilft dieser Unterschied uns, eine Antwort auf die Fragen zu finden, denen wir mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden nachgegangen sind: Wie können sich Menschen eigentlich Gott nah fühlen? Wie können sie wissen, dass sie Gott nah sind?

Die eine Antwort wäre: Jeder Mensch braucht die Taufe mit Wasser. Jeder Mensch braucht einen Johannes.
Für die Menschen damals war Johannes der Täufer einer, der ihnen eine neue Sicht auf ihr Leben schenkte. Mit aller Deutlichkeit sagte er ihnen: Mit dem Leben, das ihr lebt, lebt ihr vor Gott. Lebt es also so, dass ihr vor Gott bestehen könnt.
Die Menschen hörten diese Worte und ließen sich taufen. Die Wassertaufe war ihr Zeichen, mit dem sie gezeigt bekamen und mit dem sie auch selber zeigten: Jetzt wird unser Leben ein anderes. Wir wollen jetzt Gott Raum geben in unserem Leben. Wir wollen jetzt so leben, dass wir ihm auch Raum geben in unserem Zusammenleben mit anderen Menschen.
Auf diese Weise ist auch noch die Taufe, mit der wir heute taufen, eine Wassertaufe Die Konfirmandinnen haben das am Freitag so gesehen. „Als ich getauft wurde, kam ich mit Gott in Berührung“, haben sie gesagt. Eltern, die ihr Kind taufen lassen, wollen, dass Gott Raum bekommt in seinem Leben. Erwachsene, die sich taufen lassen, machen für Gott Platz.
Aber mit Gott in Berührung zu kommen – das geht auch ohne richtiges Wasser. Den Konfirmandinnen fiel die Oma ein, die ihnen Geschichten von Jesus erzählte. Sie erinnerten sich an die Christenlehre, wo Gott auf einmal eine Rolle spielte. Sie dachten an Ferienlager und das Musicalprojekt, wo sie mit anderen zusammen Gott auf die Spur kamen. Und – Doris Mertke und ich atmeten durch – auch der Konfikurs ist für sie so ein Ort, wo Gott Raum bekommt in ihrem Leben.
Dass Gott Raum bekommt in einem Leben: Das bedeutet Zeit, in der ich mich mit Gott befasse; und das bedeutet Menschen, mit denen ich über Gott nachdenke.
Deswegen werde ich immer ein wenig misstrauisch, wenn mir einer sagt: Ich habe meinen Glauben für mich selber. Das wäre so, als würde ich ans Taufbecken treten und mir selber Wasser überträufeln. Aber getauft kann ich nur werden.
Um mich mit Gott in Berührung bringen – dazu brauche ich einen anderen Menschen, einen Johannes, der mich zumindest im übertragenen Sinn tauft.
Und ich brauche Jesus, der mich mit dem Geist tauft. Das wäre die andere Antwort auf die Frage, wie Menschen wissen, fühlen können, dass sie Gott nah sind: Jeder Mensch braucht auch die Taufe mit dem Geist.
Mit dem Geist ist das allerdings so eine Sache, oder genauer: Mit ihm ist es, wie mit dem Wind, lässt das Johannes¬evangelium Jesus sagen. Der Wind weht, wo er will. Du hörst zwar sein Rauschen, aber woher er kommt und wohin er geht, weißt du nicht.
Manche der Konfirmandinnen waren auch ein wenig ratlos, wie das denn nun mit Gott ist, und ob und wo er in ihrem Leben seinen Platz hat. Auch wenn sie schon genug oder sogar mehr als genug von ihm gehört haben – er ist ihnen fremd geblieben. Und ich bin fern davon zu sagen: Es liegt nur am Nicht-Wollen der Konfirmandinnen. Es liegt auch an Gott, ob ich ihn spüre, ob ich weiß, dass er mir nah ist. Das liegt an seinem Geist.
Dass Gott in meinem Leben Raum bekommt, das hat damit zu tun, ob ich ihm die Tür aufmache – da wären wir wieder bei der Wassertaufe. Aber das hat auch damit zu, dass Gott eintritt und Platz nimmt. Das ist die Taufe mit dem Geist.
Für Jesus ist es die Taube, die vom Himmel herabkommt und sich auf ihn setzt. Für die Jünger ist es das Brausen vom Himmel, das durch die geschlossenen Türen in ihr Leben fährt.
Aber dieser brausende Geist ist letztlich unverfügbar. Er ist ein Geschenk, das von oben herabkommt und mich innerlich ausfüllt.
Mit den Konfirmandinnen haben wir am Freitag gesagt: Beten ist eine Möglichkeit, Gott nahe zu kommen. Das haben wir versucht. Wir haben gebetet. In allen Varianten. Im Stehen und im Sitzen. Mit Steinen, die wir ablegten. Mit einem Lied, bei dem wir versuchten, bewusst ein- und auszuatmen. Und mit der Stille, die Gott Raum gibt – still war es, ganz still. Nur ein Brausen meinte ich zu hören.

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