Hirtendialoge

An der Krippe
Da ist es.
Ja.
Ich habe es dir gesagt.
Hast du. Aber jetzt sei einmal still.
Ist doch schön, wenn es so still ist.
Ja. Psst.
Ich könnte hier die ganze Zeit stehen und schauen.
Die kleinen Finger.
Wie es um den Mund zuckt. Da. Ein Lächeln.
Ja.
So einfach tritt Gott in dein Leben.
So einfach ist das nicht. Frag mal Maria.
Du meinst: eine schwere Geburt?
Jede Geburt ist schwer.
Auch die von Gottes Kind?
Denkst du, dass Gott es leicht hat, zur Welt zu kommen?
Jetzt, wo er da ist? Hier vor uns? Das sieht doch alles ganz leicht aus. Als müsste es so sein.
Ja, aber was alles hätte geschehen können. Du hättest das Licht übersehen können.
Das war nicht zu übersehen. Es hat geblendet.
Du wolltest zuhause bleiben. Fast wärst du nicht losgegangen.
Ich hatte ja dich. Du hast nicht locker gelassen. Danke.
Bitte. – Wir hätten den Stall verpassen können.
Wie hast du gesagt? Wir werden bestimmt schon erwartet!
Ja. So war es wohl. Das Kind hat uns zu sich gerufen.
Und wir haben gehört.
Und sind losgegangen.
Mitten in der Nacht.
Welch ein Segen.
Ja. Und was, wenn wir doch zuhause geblieben wären?
Das Kind wäre trotzdem da. Es musste zur Welt kommen. Es war an der Zeit.
Aber es wäre nicht für uns gekommen.
Doch. Auch dann für uns. Es hätte uns weiter gerufen. Immer weiter. Immer weiter.
Bis wir doch gekommen wären.
Aber wir sind ja da.
Ja. Und das Kind auch.
Und was machen wir jetzt?
Still sein und genießen.
Seine Nähe einatmen. Riech mal, wie gut es riecht.
Ich kann mich nicht satt sehen.
Ob ich es mal auf den Arm nehmen darf und seine Wärme spüren?
Frag Maria.
Lieber nicht.
Da. Noch ein Lächeln. Engelslächeln.
So kenn ich dich gar nicht.
Mir kommt Gott ja auch nicht jeden Tag so nah.
Das wäre doch was.
Was?
Wenn Gott dir jeden Tag so nahe käme.
Ja. Wir könnten ihn mitnehmen nach Hause.
Das wird Maria nicht wollen. Und Josef auch nicht.
Wir könnten sie einladen. Mit dem Kind.
Ja. Das könnten wir tun.
Dem Kind sagen: Du bist uns jederzeit willkommen.
Ja.
Und dann kommt es uns besuchen. Von Zeit zu Zeit.
Und wir sehen, wie es größer wird.
Langsam wächst es in uns heran. Das Kind Gottes.
Das wird schneller gehen, als du dir jetzt vorstellen kannst.

Auf dem Weg zurück
Ich bin gar nicht müde. Trotz der durchwachten Nacht.
Geht mir genauso. Ich bin ganz aufgekratzt.
Hoffentlich hält das lange an.
Das hoffe ich auch.
Was meinst du: Ob es wirklich lange anhält?
Das werden wir sehen.
Ich fürchte mich vor dem Alltag.
Hast du Angst vor dem Kater?
Du meinst die Müdigkeit, die uns spätestens morgen einholt?
Die gar nicht so sehr.
Sondern?
Diese Leere, wenn etwas Besonderes vorbei ist und das Normale wieder kommt.
Habe ich davor Angst? Weiß ich gar nicht.
Das war doch dein Unbehagen, bevor wir losgegangen sind. Weißt du noch?
Ja. Bevor das Licht kam. Es sollte etwas anders werden. Das wollte ich.
Etwas mehr Unordnung wolltest du. Die hast du jetzt.
Naja. Unordentlich fühle ich mich gar nicht. Eher zurechtgebracht.
Alles wieder in Ordnung also?
Es ist … Es ist, als ob einer in meiner Kamera den Schwarz-Weiß-Film gegen einen Farbfilm ausgetauscht hätte.
Dein Leben hat Farbe gewonnen.
Das Kind Gottes hat mich angesehen. Und jetzt sehe ich alles ganz anders. Mit seinen Augen.
Und was siehst du?
Farben. Alles leuchtet in schillernden Farben.
Mitten in der Nacht.
Auch mitten in der Nacht.
Nichts mehr grau und langweilig?
Ja. Nichts mehr. Wertvoll ist mein Leben. Unheimlich wertvoll. Ein Geschenk. Jeden Tag will ich jetzt auspacken. Und mich überraschen lassen.
Und dich freuen? Auch wenn du schon wieder Alltag geschenkt bekommst?
Und mich freuen, sogar wenn es immer der gleiche Tag ist. – Und du? Wie geht es dir?
Ich höre in mich hinein und höre – nichts.
Nichts?
Nichts. Keine Unruhe. Keine Hektik. Ich ruhe in mir selber.
Seit dich das Kind angesehen hat?
Seit ich das Kind gesehen habe. Als ich seine Nähe gespürt habe, bin ich ganz ruhig geworden.
Das war es doch, wovon du träumtest.
Das war mein Traum. Ruhe in mir. Ruhe in dem Kind.
Und wieder die Frage: Ob das anhält?
Wenn uns das Kind bleibt, dann bleibt uns auch das andere.
Wir müssen uns das Kind bewahren. Im Herzen. Im Leben.
Und wie?
Wir müssen uns immer wieder daran erinnern: Weißt du noch, in jener Nacht …
als wir auf einmal das Licht sahen …
und das Kind fanden.
Wir müssen uns daran erinnern. Und auch anderen davon erzählen.
Und wenn wir davon erzählen, halten wir die Erinnerung frisch.
Jedes Mal, wenn wir von dieser Nacht erzählen, wird es sein, als erlebten wir sie neu.
Jedes Mal, wenn wir von dem Kind reden, ist es da. Mitten unter uns.
So wird es sein.

Wieder zuhause
Ich hab's vergessen.
Was?
Wie es war!
Was hast du vergessen?
Du hast es auch vergessen!
Was habe ich vergessen?
Das Kind. Der Stall. Die Nacht.
Achso, ich dachte schon...
...es wäre etwas wichtiges? Das ist doch wichtig.
Ich weiß, aber...
Kein Aber. Wir wollten uns immer daran erinnern.
Ich weiß. Und anderen davon erzählen.
Ja, und?
Und was?
Haben wir es getan? Tun wir es?
Naja, um ehrlich zu sein...
Siehst du.
Um ehrlich zu sein, haben wir es getan. Ganz am Anfang. Immer wieder. Jedem, den wir trafen, haben wir die Geschichte erzählt.
Du hast Recht. Aber niemand wollte uns die Geschichte abnehmen.
Die haben uns angeschaut, als kämen wir von einem anderen Stern.
Die haben uns nicht verstanden. Wie wir so begeistert sein konnten.
Wegen eines Kindes, das in einem Stall... Und dafür mitten in der Nacht die Herde allein lassen.
Und dann noch das helle Licht. Die hielten uns für Spinner.
Wenn ich es nicht selber erlebt hätte, würde ich das ja auch...
Ach, sie hätten mit uns an der Krippe stehen sollen. Sie hätten uns verstanden.
Ja, das wohl, haben sie aber nicht.
Und irgendwann haben wir dann unseren eigenen Erinnerungen nicht mehr getraut.
Naja. Ich weiß schon noch, wie es in dieser Nacht gewesen ist. Ich habe das nicht vergessen.
Aber eben hast du doch gar nicht gewusst...
Ich war ja auch mit den Gedanken gerade woanders.
Das ist doch das Problem. Dass wir mit den Gedanken immer ganz woanders sind. Und das, was mir wirklich wichtig ist, das verblasst.
Ja? Ich sehe uns noch ganz klar. Wie wir da stehen und alles leuchtet und mir warm wird.
Achso?
Jede Nacht kehre ich in den Stall zurück und sehe uns da stehen. Wenn es ruhig wird um die Herde...
...dann fällt mir immer all das ein, was wir am nächsten Tag zu tun haben. Hast du übrigens an die Latten...
Latten, welche Latten?
Die wir für den Zaun brauchen. Du denkst auch an gar nichts.
Soll ich nun an das Kind denken oder an die Latten?
Du hast Recht. Tut mir Leid. Wo waren wir?
Beim Kind im Stall. Ich sehe uns da stehen. Jede Nacht, wenn es ruhig wird. Und ich rieche, wie es duftet. Und ich spüre die Wärme. Und ich höre das Rascheln. Und ich sehe das Licht.
Ja, so war es. Jetzt habe ich es auch wieder vor mir.
Und das Kind lächelt.
Hat es gelächelt?
Wenn ich es sehe, lächelt es. Und ich lächele dann auch.
Und warum erzählst du mir nichts davon? Wir hatten uns doch versprochen...
Du hast nicht gefragt. Und wenn ich mal davon anfangen wollte, dachte ich immer, dir sei gerade etwas anderes wichtiger als das Kind und Maria und Joseph.
Wieso eigentlich?
Das weiß ich nicht. Die sind übrigens da hinter der Hecke.
Was? Wer?
Die Latten, für den Zaun. Hinter der Hecke.
Oh Mann. Und ich dachte für einen Augenblick...

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